Vor mehr als einem Jahr gab es die erste nachgewiesene Corona-Infektion in Deutschland. Vor knapp einem Jahr hat der Deutsche Bundestag eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt. Ende März 2020 kam der erste Lockdown, der mit starken Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen verbunden war. Für die ganze Kunst- und Kulturbranche hieß das: Alles wird abgesagt, keine Konzerte, keine Ausstellungen, keine Veranstaltungen – nichts! Da die meisten Kulturschaffenden nicht fest angestellt sind, war uns Kulturpolitikerinnen und Kulturpolitikern sofort klar, dass diese Branche besonders hart von dem Lockdown getroffen wird.
Die Bundesregierung hat rasch umfangreiche Hilfen für betroffene Branchen mit Unterstützung des Deutschen Bundestages auf den Weg gebracht, Kurzarbeit ausgeweitet, den Zugang zur Grundsicherung erleichtert, Kreditprogramme aufgelegt.
Doch es wurde auch sehr schnell klar, dass diese Hilfen nicht bei allen Kulturschaffenden ankommen, da sie nicht in »normalen« Arbeitsverhältnissen stecken, sondern soloselbständig, unständig oder kurz befristet beschäftigt sind. Instrumente wie die Kurzarbeit funktionieren hier also nicht. Darauf haben Kulturschaffende zu Recht immer wieder verwiesen.
Deshalb wurde vonseiten der Kulturpolitikerinnen und Kulturpolitiker gegenüber den federführenden Ministerien dargelegt, dass die Hilfen für Kulturschaffende angepasst werden müssen, da sie nicht zielgenau helfen. Das Ergebnis: Es wurde nachgebessert. Sehr viel mehr Menschen können nun die staatlichen Hilfsprogramme nutzen, um ihr Überleben zu sichern. Aber wegen der Vielfältigkeit und der Unterschiedlichkeit in der Kultur- und Kreativbranche bleibt trotzdem noch zu viel offen.
Der Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages hat schnell reagiert und das Gespräch mit dem Deutschen Kulturrat gesucht. Da wurde deutlich, was ich auch schon in zahllosen Gesprächen mit Kulturschaffenden erfahren habe: Es geht nicht nur darum, den Lebensunterhalt der Kulturschaffenden zu sichern, sondern auch darum, die kulturelle Vielfalt zu erhalten und eine Exit-Strategie für die Zeit nach dem Lockdown zu entwickeln. Seit Beginn des ersten Lockdowns hat sich der Kulturausschuss in elf Sitzungen mit der Corona-Pandemie intensiv beschäftigt, immer auch Betroffene in das Gespräch einbezogen. Im Sommer war dann klar: Es wird eine Milliarde Euro für den Neustart der Kulturbranche geben, für Hygienekonzepte, für die Entwicklung neuer Formate. Das hat auch wirklich gut geklappt, denn inzwischen sind bereits rund 900 Millionen Euro geflossen bzw. zugesagt.
Nach der ersten Corona-Welle im Frühjahr und den sinkenden Infektionszahlen kam so etwas wie eine neue, reduzierte Normalität in das kulturelle Leben. Unter Auflagen konnten viele Kultureinrichtungen wie z. B. Kinos wieder öffnen. Doch dann stiegen die Infektionszahlen im Herbst erneut an. Es gab zunächst einen Teillockdown, der dann kurz vor Weihnachten wieder zu einem harten Lockdown wurde. Und die Kulturbranche war wieder mit am härtesten betroffen.
Deshalb haben wir uns in der ersten Ausschusssitzung im Jahr 2021 erneut mit der Corona-Pandemie und den Auswirkungen auf die Kulturbranche und die Kulturschaffenden beschäftigt und eine vorübergehende Bilanz des Programms NEUSTART KULTUR gezogen. Fazit: Das Programm ist mehrfach überzeichnet. Das Geld wird nicht reichen, um einen zweiten Neustartanlauf zu schaffen.
Deshalb hat der Koalitionsausschuss von SPD und CDU/CSU am 3. Februar 2021 beschlossen, eine weitere Milliarde für den Kulturbereich bereitzustellen.
Jetzt geht es darum, das kulturelle Leben in Deutschland wieder an den Start zu bringen. Hygienekonzepte gibt es ja bereits. Und nun brauchen wir eine Strategie, wie wir aus dem Lockdown herauskommen. Wir brauchen einen bundeseinheitlichen Plan und keinen Flickenteppich aus unterschiedlichen Regelungen in den einzelnen Bundesländern. Da Kulturschaffende und Kreative mittel- bis langfristig planen, benötigen sie eine zeitliche Öffnungsperspektive. Hier sind jetzt auch die Kulturministerinnen und Kulturminister der Länder gefragt.
Auch wenn wir es bald schaffen, das kulturelle Leben in Deutschland wiederzubeleben, so hat uns die Pandemie aber bekannte Lücken in der sozialen Absicherung von Selbständigen und unständig Beschäftigten noch deutlicher gezeigt. Sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer konnten auf Kurzarbeit oder Arbeitslosengeld I zurückgreifen. Das galt nicht für die meisten Kulturschaffenden, für sie kam meist nur der Bezug von Grundsicherung infrage. Corona hat sie mit voller Wucht getroffen.
Grundlegende Probleme in der Absicherung der Künstlerinnen und Künstler bestehen, dies wurde in den Anhörungen im Kulturausschuss des Deutschen Bundestages deutlich. Die verschiedenen Parteien und Fraktionen entwickeln hierauf ihre eigenen Antworten, die sicherlich im anstehenden Bundestagswahlkampf deutlich vorgetragen und akzentuiert werden. Für die SPD-Bundestagsfraktion kann ich sagen, dass wir uns für solidarische Sicherungssysteme einsetzen werden, um sowohl abhängig Beschäftigte als auch Selbständige besser abzusichern. Und auch ein neuer Anlauf, Kultur ins Grundgesetz und in die Landesverfassungen zu bringen, lohnt!