Als die EU-Kommission im Dezember 2020 ihren Vorschlag für ein Gesetz über digitale Dienste veröffentlichte, war ihre Vision klar: mehr Transparenz und Inter­operabilität von Software und Internetdiensten, mehr Kontrolle durch die Verbraucher und faire Wettbewerbsbedingungen. In der Zwischenzeit wurde der Gesetzesvorschlag im Parlament beraten. Federführend im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz, aber auch andere Ausschüsse, unter anderem der Kulturausschuss, haben ihre Stellungnahme zu dem Gesetzesentwurf abgegeben.

Insgesamt sind sich in Brüssel Parlament und Kommission einig, dass Plattformen transparenter werden müssen in den Fragen, wie ihre Algorithmen arbeiten und nach welchen Kriterien ihre Empfehlungssysteme Inhalte auswählen, die den Verbrauchern angezeigt werden. Sie müssen ihre Algorithmen nicht zwangsweise offenlegen, aber doch eine bessere Vorstellung darüber geben, nach welchen Kriterien die gezeigten Inhalte ausgewählt werden. Und der Verbraucher sollte wählen können, ob er diesen vertrauen möchte oder nicht. Die Verordnung sollte somit hohe Transparenzstandards für alle Onlineplattformen in Bezug auf algorithmische Entscheidungsprozesse und Inhaltsempfehlungen festlegen. Es ist wichtig, dass die Nutzer besser verstehen, wie sich die Empfehlungssysteme der Plattformen auf die Sichtbarkeit, Zugänglichkeit und Verfügbarkeit von Inhalten und Diensten im Internet auswirken, da algorithmusbasierte Inhaltsempfehlungen gravierende Auswirkungen auf die Meinungsbildung, aber natürlich auch auf die kulturelle Vielfalt haben können, gerade bei Streamingportalen.

Mehr Transparenz soll es auch geben, wenn soziale Netzwerke illegale Posts löschen. Digitale Plattformen werden verpflichtet, illegale Inhalte schnell zu entfernen. Aber gleichzeitig müssen sie den Nutzern erklären, warum die Inhalte gelöscht wurden, und ihnen eine Beschwerdemöglichkeit geben. Der Kulturausschuss geht in seiner Stellungnahme noch einen Schritt weiter und fordert, im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dass illegale Inhalte und deren identische oder äquivalente Kopien nach der Entfernung auch dauerhaft unzugänglich bleiben.

Einigkeit herrscht ebenfalls darin, dass das aus der E-Commerce-Richtlinie bekannte und bewährte Haftungsprivileg erhalten bleibt. Plattformen können auch künftig nicht wegen Inhalten zur Verantwortung gezogen werden, die ihre Nutzerinnen und Nutzer hochladen, die den Betreibern der Plattform aber unbekannt sind. Sobald sie jedoch Kenntnis darüber erhalten, dass auf ihren Plattformen Inhalte online gezeigt werden, die schädlich oder sogar illegal sind, müssen sie handeln, und zwar auch schnell und unverzüglich. Dabei sollte es nicht, anders wie von der Kommission im Gesetzesvorschlag vorgeschlagen, eine erneute Abstufung in der Kategorie »illegale Inhalte« geben. Illegal ist illegal, und nach Meinung des Kulturausschusses sollte nicht zwischen »ein bisschen illegal« und »stark illegal« unterschieden werden. Diensteanbieter, die Kenntnis von illegalen Inhalten auf ihrer Plattform bekommen, einschließlich der Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums, sollen innerhalb kurzer Zeit zügig und wirksam tätig werden, um diese Inhalte dauerhaft von ihren Plattformen zu entfernen.

In einer Zeit, in der so viele Teile der Kulturbranche von den Auswirkungen der globalen Pandemie schwer betroffen sind, ist es wichtiger denn je, Inhalte zu schützen und zu erwarten, dass die Rechtsstaatlichkeit in der Online- und Offline-Welt gleichermaßen gilt. Für den Kulturausschuss ist klar: Besonders die Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums beeinträchtigt das Wachstum und die Beschäftigung im audiovisuellen Sektor, untergräbt das Vertrauen der Verbraucher in das Online-Ökosystem und schadet dem Wirtschaftswachstum insgesamt. Hier muss es einen klaren Mechanismus geben, der greift, wenn kulturelle Inhalte illegal ins Netz gestellt werden. Diese müssen schnell und effizient wieder unzugänglich gemacht werden.

Des Weiteren fordert der Kulturausschuss, dass keine doppelte Kontrolle durch private Plattformanbieter erfolgt bei Inhalten, die durch regulierte Anbieter redaktioneller Inhalte – Medien und Presse – bereitgestellt werden. Da Anbieter von redaktionellen Inhalten auf Unionsebene als auch auf nationaler Ebene streng reguliert sind und sich an professionelle redaktionelle Standards halten, unabhängig davon, wie ihre Inhalte und Dienste konsumiert werden, soll so die redaktionelle Unabhängigkeit des Mediensektors geschützt werden. Es soll Online-Plattformen nicht gestattet sein, eine Aufsichtsfunktion über legal verbreitete Online-Inhalte auszuüben, die von Dienstleistern stammen, die redaktionelle Verantwortung übernehmen und sich konsequent an EU- und nationales Recht sowie an journalistische und redaktionelle Grundsätze halten. Die Anbieter von redaktionellen Inhalten sollten weiterhin allein für die von ihnen produzierten Inhalte und Dienste verantwortlich sein, da die Plattformen nicht für diese verantwortlich oder haftbar gemacht werden können.

Beim Thema Werbung, bereits streng reguliert durch die Datenschutzgrundverordnung sowie werberechtliche Vorgaben und Ko- und Selbstregulierung, setzt der Kulturausschuss auf mehr Transparenz. Gleichzeitig gibt er jedoch zu bedenken, dass gezielte Werbung eine wichtige Refinanzierungsquelle für Medienakteure darstellt. Um Medieninhalte online weiterhin kostenfrei für den Verbraucher zur Verfügung zu stellen, ist das Refinanzierungsmodell durch die Werbung unabdingbar.

Auch fordert der Kulturausschuss, dass die Verordnung keinerlei Auswirkungen auf bestehende oder künftige sektorale Maßnahmen wie die audiovisuelle Mediendiensterichtlinie haben darf. Ebenso soll es Mitgliedstaaten weiterhin erlaubt sein, Maßnahmen zu treffen, die auf die Förderung der kulturellen Vielfalt, der Medienfreiheit und des Pluralismus abzielen.

Wir hoffen, dass die Positionen des Kulturausschusses sich im endgültigen Bericht des federführenden Ausschusses widerspiegeln werden. In unseren Augen ist das neue Gesetz über digitale Dienste viel mehr als Regelungen zum Online-Verbraucherschutz oder zur Platttformregulierung. Vielmehr geht es darum, die allgemeinen Grundsätze festzulegen, wie wir als Europäische Gesellschaft im Netz miteinander umgehen. Die Bewahrung unserer kulturellen Vielfalt steht dabei an oberster Stelle der Prioritäten des Kulturausschusses, und wir arbeiten daran, auch den federführenden Ausschuss davon zu überzeugen, dass der Schutz des geistigen Eigentums sowie der Schutz der Medienfreiheit im Netz gewahrt werden muss.

Viel Zeit zu überzeugen bleibt nicht mehr – der Binnenmarktausschuss will im November abstimmen. Doch die Position des Kulturausschusses ist klar, die Argumente gut, und sie werden von einer breiten Mehrheit der Fraktionen im Europäischen Parlament mitgetragen – die Chancen für ein Wiedersehen der vom Kulturausschuss vorgeschlagenen Regelungen in der abschließenden Parlamentsposition stehen also gut.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2021.