Die Europäische Union hat unmittelbar nach der Aggression Russlands auf die Ukraine vor einem Jahr nach Möglichkeiten konkreter Unterstützung für den Kulturbereich gesucht. Als eine der ersten Reaktionen wurde z. B. die Einreichfrist für die zu dem Zeitpunkt offene Ausschreibung zur Einreichung von Projekten im Rahmen des Programms Kreatives Europa verlängert. Damit sollten Antragsteller, die schnell auf die neue Situationreagieren wollten, die Möglichkeit bekommen, Partnerschaften mit ukrainischen Kultureinrichtungen einzugehen und so finanzielle Mittel für Kooperationsvorhaben zu deren Gunsten zu schaffen. Auch wenn dies rein prozedural anmutet, konnten doch durch diese politisch geforderte Flexibilität bereits früh einige Projekte gefördert werden, die unmittelbar zum weiteren Funktionieren der Kultur in der Ukraine beitragen. Ein Tropfen auf den heißen Stein vielleicht, gleichzeitig jedoch deutliches Zeichen der Solidarität. Weiter wurde das Creative Europe Desk finanziell entlastet und dem Land selbst das sogenannte »Entry Ticket« für die Teilnahme am Programm erlassen. Gleichzeitig hat die Kommission in Zusammenarbeit mit der Exekutivagentur eine Sonderausschreibung über fünf Millionen Euro erarbeitet, die allein für Projekte mit der Ukraine reserviert wurden. Auch hier waren explizite Aufforderungen vonseiten nicht nur der Kommission, sondern auch des Europäischen Parlaments und einzelner Mitgliedstaaten der Ausgangspunkt für konkretes Handeln. Selbstverständlich mag sich die Summe bescheiden anhören mit Blick auf die zunehmend desolate Lage im Land, im Kontext des jedoch allgemein immer noch recht geringen Budgets für Kreatives Europa, aber auch mit Blick auf den administrativen Aufwand für solche besonderen Ausschreibungen, war diese beherzte Aktion auch ein Ausdruck von Entschlossenheit. Ausgestaltet wurden die Kriterien in enger Zusammenarbeit mit Kulturakteuren in der Ukraine, damit die Mittel auch tatsächlich sinnvoll ausgegeben und vor Ort ankommen. Zu diesem Zweck hat sich die Kommission für eine Form der Förderung entschieden, die es Konsortien aus Organisationen in den Mitgliedstaaten ermöglicht, kleinere Projekte direkt in der Ukraine umzusetzen, die unmittelbar und ohne bürokratische und zeitliche Verluste den dortigen Kulturschaffenden zugutekommen oder aber außerhalb des Landes zu Integration beitragen. Eine vorgezogene Frist konnte dementsprechend rasch zu einer guten Auswahl führen und so wird die Unterstützung möglichst rasch ankommen können. Auch Antragsteller für den allgemeinen »Call« für Kooperationsprojekte 2023 wurden für das Thema sensibilisiert, und man kann davon ausgehen, dass sich europäische Organisationen weiterhin solidarisch und engagiert zeigen. In Anbetracht der großen Menge an Menschen, insbesondere Kindern, die vor dem Krieg fliehen mussten und in anderen Ländern in die Schule gehen oder arbeiten müssen, war es der Kommission außerdem wichtig, im Bereich von Literatur und Übersetzungen tätig zu werden. Einerseits natürlich, um in der aufnehmenden Gesellschaft zu besserer Kenntnis der ukrainischen Kultur beizutragen, andererseits um den Geflüchteten weiterhin Zugang zu ihrer eigenen Kultur zu bieten. Durch eine Ausnahmeklausel können deshalb ebenso ukrainische Bücher gedruckt und veröffentlicht werden, auch wenn sie nicht übersetzt wurden. Besonderes Augenmerk angesichts der Zerstörungen wird ferner auf das kulturelle Erbe der Ukraine gelegt, durch gezielten Aufbau von Kapazitäten und Austausch von Best Practice für die Experten in diesem Bereich, sowohl in kurzfristiger wie auch langfristiger Perspektive hinsichtlich eines Wiederaufbaus. Im Rahmen des »Special Call« wurden dafür Mittel reserviert, und eine Unterarbeitsgruppe der Expertenrunde zum kulturellen Erbe soll speziell mit diesem Ziel eingerichtet werden. Ukrainische Kulturschaffende können an der neuen Mobilitätsinitiative »Culture Moves Europe« teilnehmen. Die Startseite der EU-geförderten Plattform »Creatives Unite« ruft explizit zum Austausch über Projekte mit der Ukraine auf.

Auch andere Kommissionsdienste haben sofort nach Kriegsbeginn für konkrete Hilfe in Form von Lieferung wichtiger Ausstattung und Gerätschaften gesorgt, die insbesondere z. B. zum Schutz des kulturellen Erbes nötig waren, ebenso wie Sonderfonds und Projekte im Rahmen des Programms »Horizon Europe« oder eine Partnerschaft mit der Aliph-Stiftung. Andere wie z. B. das laufende Projekt »EU4Culture« trägt durch Unterstützung der Akteure in den Staaten der südlichen EU-Partnerschaft zu Resilienz und Kapazitätsaufbau bei. Besonders bedeutsam ist weiter das durch den Auswärtigen Dienst der EU, den European Union External Action Service (EEAS) getragene »House of Europe« in der Ukraine, das seit 2019 mehr als elf Millionen Euro für die Zivilgesellschaft im Land zur Verfügung stellt. Für alle diese Initiativen gilt, dass nicht nur kurzfristig Hilfe geleistet werden muss, sondern die Zukunft nach dem Krieg nicht aus den Augen gelassen werden darf.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 03/2023.