„Wo Wolle ist, ist auch ein Weib, das webt, und sei’s zum Zeitvertreib«, so soll Walter Gropius am später idealisierten Bauhaus in Weimar einst gescherzt haben und fand sich sicherlich äußerst witzig. Beiläufig drückte er damit aus, dass er Frauen in ihrem künstlerischen Wirken nicht ernst nahm und schon längst nicht als den Männern gleichwertig ansah. Erst ein Jahrzehnt zuvor hatten sich Frauen das Recht erkämpft, an Kunstakademien zu studieren statt nur in den freien Malschulen der männlichen Künstler. Dabei waren es später am Bauhaus, das sich teilweise selbst finanzieren musste, vor allem die Arbeiten von Frauen wie Marguerite Friedlaender, Marianne Brandt, Gunta Stölzl und Anni Albers – um nur die bekanntesten zu nennen –, die maßgeblich zu den Einnahmen beitrugen und obendrein den späteren Ruhm durch ihre phänomenalen Ideen wesentlich mitbegründeten.

Immer noch stehen Künstlerinnen, und verstärkt, wenn sie Mütter sind, vor besonderen Herausforderungen in ihrem beruflichen Umfeld. Dies hat unter anderem mit Produktionsbedingungen, Arbeitszeiten und Bezahlung zu tun. Wie sollen die unverzichtbaren Netzwerke in Gesprächen auf Vernissagen geknüpft werden, wenn die Ausstellungseröffnung in den typischen Familienzeiten am Abend oder an den Wochenenden stattfindet und Kinder höchstens als exotische Wesen, häufiger jedoch als Störfaktor wahrgenommen werden? Wie lässt sich die Lebenswirklichkeit so gestalten, dass Eltern sein und gleichzeitig im Kunstbetrieb tätig sein eine Selbstverständlichkeit wird? Wie lassen sich Care-Aufgaben wie Betreuungszeiten für Familienmitglieder und Beruf vereinbaren?

Insbesondere in der Bildenden Kunst wird seit Jahrzehnten hingenommen, dass die meisten Leistungen von selbstständigen Künstlerinnen und Künstlern in Institutionen, Museen und Kunstvereinen nicht bezahlt werden, stattdessen wird auf den ideellen Wert für die nächste Karrierestufe verwiesen. Das zwingt die Künstlerinnen und Künstler, Beschäftigungen in oft mehreren Nebenberufen zum Broterwerb aufzunehmen und drängt insbesondere Künstlerinnen im Falle von Familiengründungen in die Care-Arbeit und damit Kurzarbeit im Beruf – sowohl hinsichtlich der Kunstproduktion als auch der zur Verfügung stehenden Zeitspanne für das Selbstmanagement. So ist die Umsetzung von Honoraruntergrenzen für Leistungen von Künstlerinnen und Künstler längst überfällig, auch wenn das Wie anspruchsvoll wird.

Die herkömmlichen Strukturen des Kunstbetriebs schauen noch argwöhnisch auf künstlerische Unternehmungen von Frauen wie der Künstlerinnengruppe MATERNAL FANTASIES, die sich auf integrative (inklusive ihrer Kinder), auf Gemeinschaft ausgerichtete Experimente als Alternative zum verbreiteten Kunstbetrieb fokussieren. Denn die Erziehungszeiten werden traditionell als Lücken in der Künstlerinnen-Vita gelesen. »Danach« können die meisten Stipendien nicht mehr wahrgenommen werden, z. B. weil eine festgelegte Altersobergrenze nicht überschritten werden darf oder Residencies keine zu betreuenden Mitreisenden zulassen oder die Infrastruktur für eine Mutter mit Kind(ern) fehlt. Wie einfach wäre es, das zu ändern. Positiver Trend: Manche Einrichtung hat damit begonnen.

Weltweit ist in den letzten Jahren zu beobachten, dass Kunst von Frauen im Kunstbetrieb und auf dem Kunstmarkt zunehmend an Sichtbarkeit gewinnt und mehr Frauen Schlüsselpositionen im staatlich geförderten Kunstbetrieb einnehmen. Die Tendenz ist zwar erfreulich, dennoch bestehen weiterhin markante Ungleichheiten, insbesondere in Bezug auf die Bezahlung, den Ankauf von Kunstwerken von Frauen für öffentliche Institutionen und die Präsentation ihrer Kunstwerke. »Die Zahl der dauerhaft präsentierten Kunstwerke von Frauen in der Museumslandschaft bleibt weiterhin gering«, hat die Initiative »fair share! – Sichtbarkeit für Künstlerinnen« in ihrem Manifest 2022 herausgearbeitet: »In den Abteilungen der Kunst bis weit ins letzte Viertel des 20. Jahrhunderts hinein sind kaum Künstlerinnen zu finden. Ein Haus wie die Alte Nationalgalerie Berlin mit ca. 1,5 Prozent Künstlerinnenanteil im Schaubestand steht hier repräsentativ für vergleichbare Sammlungen, doch auch im zeitgenössischen Bereich ist akuter Aufholbedarf. In der Hamburger Kunsthalle sind aktuell im zeitgenössischen Bereich nur 19 Prozent Kunstwerke von Frauen zu finden, im Museum Ludwig in Köln 20 Prozent und dies, obwohl das Gros der Absolventinnen und Absolventen von Kunsthochschulen seit Jahren weiblich ist.

Trotz weitgehend paritätisch aufgestellter Gremien und Jurys, einem Anstieg weiblicher Museumsleitungen und einer Zunahme von Soloausstellungen auch an renommierten Häusern stagnieren die Zahlen seit Jahrzehnten. Ursachen sind u. a. der männlich geprägte Kunstkanon, der an Schulen, Hochschulen, in Verlagshäusern und an Museen und Ausstellungshäusern – auch von weiblichen Verantwortlichen – propagiert und praktiziert wird, während die Aufarbeitung der künstlerischen Biografien und Œuvres von Frauen nur sehr schleppend vorankommt und die Depotbestände oftmals unangetastet bleiben.«

Um diesen Dilemmata entgegenzuwirken und um den Künstlerinnen in Deutschland mehr öffentliche Präsenz zu bieten, haben sich die Künstlerinnen- und Künstlerverbände Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK), Deutscher Künstlerbund und der Verband der Gemeinschaften der Künstlerinnen und Kunstfördernden (GEDOK) zusammengetan, um in 2025 den Gabriele Münter Preis als hochdotierten Kunstpreis zur Würdigung herausragenden Kunstschaffens in den bildkünstlerischen Medien wieder zu vergeben. Wurde der Preis bisher durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Zusammenarbeit mit dem BBK, der GEDOK und dem Frauenmuseum Bonn ausgelobt – seit 1994 insgesamt sieben Mal –, wird die kommende Preisvergabe hauptsächlich Die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien fördern.

Der nach Gabriele Münter (1877 in Berlin bis 1962 in Murnau), einer der bedeutendsten Malerinnen des 20. Jahrhunderts, benannte Preis ist europaweit der einzige Kunstpreis, der sich ausschließlich an Bildende Künstlerinnen ab dem 40. Lebensjahr wendet. Die beteiligten Verbände und Fördernden wollen mit der Preisvergabe strukturelle Veränderungen anstoßen: Die herausragenden Leistungen von zeitgenössischen Künstlerinnen und deren künstlerisches Schaffen sollen öffentlich und repräsentativ sichtbarer gemacht werden – auch als Vorbild für Institutionen, Kunstvereine und Museen, die hier noch viel mehr tun könnten.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 4/2024.