Die Klischees sind eindeutig: Games werden von Männern entwickelt und im Wesentlichen auch von ihnen gespielt. Frauen kommen in der Games-Branche nur als Randerscheinung vor – beispielsweise als sexualisierte Frauenfiguren innerhalb der Spiele. Doch wie das mit Klischees so ist, sagen sie häufig mehr über die Vorurteile gegenüber einer Kultur aus als über die Realität. Denn diese ist deutlich bunter als viele erwarten würden. Und dennoch: In vielen Klischees steckt auch ein Quäntchen Wahrheit. So ist das – leider – auch bei Games und Männern. Sie standen in den ersten Jahrzehnten der Games-Kultur häufig im Fokus: ob als Game-Designer oder als Zielgruppe. Eine Kombination, die sich letztendlich gegenseitig verstärkte: Je stärker Jungen und Männer als kaufwillige Zielgruppe im Fokus standen, desto stärker wurde versucht, diese Zielgruppe zu erreichen – über die Auswahl der Spielszenarien, in der Vermarktung und über die Protagonisten der Spiele. Und je stärker diese Zielgruppe als der tatsächliche Kern der Spielerschaft wahrgenommen wurde, desto mehr fühlten sich alle, die nicht den klischeehaften Zielgruppenvorstellungen entsprachen, ausgeschlossen.

Heute wissen wir es besser – zumindest meistens. Dennoch kämpfen wir weiterhin mit den Spätfolgen dieser ersten Jahre. So ist der Anteil von Mitarbeiterinnen in den deutschen Games-Unternehmen noch nicht da, wo er eigentlich sein müsste: Rund ein Viertel sind derzeit Frauen. Damit liegen wir zwar vor vielen anderen Branchen, etwa der Digitalwirtschaft. Ein Grund, um in Jubel auszubrechen, ist es aber sicherlich noch nicht. Da stimmen die Beobachtungen aus deutschen Hörsälen zuversichtlich: Je nach Studiengang ist hier die Geschlechterverteilung viel ausgeglichener. Und auch ein Blick zu unseren nordischen Nachbarn stützt die Hoffnung, dass es weiter vorangeht: Mit 44 Prozent ist knapp jede zweite neue Stelle bei schwedischen Games-Unternehmen im vergangenen Jahr mit einer Frau besetzt worden.

Das ist kein Zufall: Die Games-Unternehmen – nicht nur in Schweden, sondern weltweit – haben längst erkannt, wie wichtig eine diversere Belegschaft für ihren Unternehmenserfolg ist. Dafür gibt es mehrere Gründe. Menschen unterschiedlicher Hintergründe waren schon immer ein wichtiger Teil der Games-Kultur und Games-Branche. Frauen und nicht binäre Menschen zum Beispiel waren in den ersten Jahren weniger sichtbar, auch wenn sie ganz entscheidend zur Entwicklung beigetragen haben. Gleichzeitig trägt eine diversere Belegschaft aber auch zu neuen Perspektiven in der Spiele-Entwicklung bei. Und die werden immer wichtiger, denn auf dem internationalen Games-Markt erscheinen heute ungleich mehr Spiele als noch vor wenigen Jahren. Die Demokratisierung der Entwicklungswerkzeuge und die Möglichkeit, Games weltweit digital zu vertreiben, haben zu einem starken Anstieg der veröffentlichten Titel geführt. Um von den Spielerinnen und Spielern gefunden zu werden, braucht es neue Ansätze, Perspektiven und Szenarien. So gibt es heute längst Games-Unternehmen, die sich auf spitzere Zielgruppen fokussiert haben, beispielsweise Frauen ab 50 Jahren, und damit sehr erfolgreich sind.

Rund die Hälfte aller Spielenden sind Frauen und damit sind Gamerinnen eine der wichtigsten Zielgruppen überhaupt. Diese Faustformel gilt für nahezu alle entwickelten Games-Märkte weltweit. Und niemand kann es sich erlauben, die Hälfte der potenziellen Zielgruppe einfach außen vor zu lassen. Games-Unternehmen haben ihre Anstrengungen in den vergangenen Jahren daher massiv gesteigert, diversere Teams aufzubauen. Gesucht werden dringend Frauen und diverse Talente, die die eigenen Teams verstärken sollen.

Als Verband der deutschen Games-Branche engagieren wir uns dafür, diese Entwicklungen größer und sichtbarer zu machen. So sind wir längst zu einer Plattform geworden, die von unseren Mitgliedern zum Erfahrungsaustausch genutzt wird. Unser Diversity-Guide, der kostenfrei auf unserer Website zu finden ist, ist hierfür das beste Beispiel. Er enthält eine Sammlung aus Erfahrungen und Strategien unserer Mitglieder, wie mit dem Thema Diversität in unterschiedlichen Bereichen umgegangen werden kann: von der Einstellung neuer Mitarbeitenden über ein offeneres Arbeitsklima bis hin zur Community-Arbeit. Auf Events, an denen wir direkt beteiligt sind, achten wir auf Safer-Space-Policys ebenso wie auf möglichst ausgeglichene Panels und Jurys. Wie wichtig der deutschen Games-Branche das Thema Diversität ist, zeigt auch die Initiative »Hier spielt Vielfalt«. Mittlerweile bekennen sich über 1.600 Einzelpersonen und Unternehmen zu der gemeinsamen Erklärung.

Die Klischees über die Games-Branche und die Gamer haben wir lange hinter uns gelassen. Und auch wenn wir noch nicht am Ziel angekommen sind, gilt doch: Es gab noch nie einen besseren Zeitpunkt, um als Talent – ganz unabhängig vom Geschlecht oder Hintergrund – in der Games-Branche zu arbeiten oder dort eine Karriere zu starten.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 4/2024.