In Architekturbüros erlebt man selten Diskriminierung. Aber der Frauenanteil in Führungspositionen ist immer noch zu niedrig – der Gender-Pay-Gap zu groß. Susanne Wartzeck im Gespräch.

Barbara Haack: Im Bereich Architektur gibt es an deutschen Hochschulen viele ausländische Studierende. Woran liegt das? Ist das Studium hier besonders attraktiv?

Susanne Wartzeck: Im Wintersemester 2022/2023 waren 18,6 Prozent ausländische Studierende in der Architektur eingeschrieben. Das ist tatsächlich mehr als der Durchschnitt aller Studiengänge, der bei 15,7 Prozent liegt. Die Ausbildung in Deutschland ist sicher interessant, weil sie sehr vielfältig ist und die Möglichkeit bietet, sich zu spezialisieren. Und es gibt viele Möglichkeiten, einen Studienplatz zu bekommen. Die Hochschule in Dessau wirbt zum Beispiel ganz gezielt um ausländische Studierende und bietet den gesamten Studiengang auf Englisch an.

Wird die Zahl ausländischer Studierender grundsätzlich positiv bewertet? Oder gibt es auch Stimmen, die sagen, dass diese ausländischen Studierenden den deutschen Studierenden die Studienplätze wegnehmen?

Das glaube ich nicht. Ich beobachte aber, dass die Studierenden, die aus Dessau kommen, gar kein Deutsch können. Viele von ihnen haben aber die Hoffnung, auf dem deutschen Markt eine Stelle zu finden. Es ist ja auch völlig in Ordnung, wenn gut ausgebildete Leute im Land bleiben. Im Job ist jedoch im Umgang mit Bauherren oder Ämtern eine gewisse Deutschkenntnis notwendig.

Verändert sich die Arbeit in den Büros dadurch, dass auch Menschen aus dem Ausland dort kreativ arbeiten und andere Kulturen mitbringen?

Ich denke schon. Wir machen umgekehrt ja auch Exkursionen in andere Länder, um deren Auffassung von Architektur kennenzulernen und daraus Inspiration zu schöpfen. Genauso ist es, wenn kulturell anders geprägte Menschen mit uns arbeiten. Natürlich bedarf es immer einer gewissen Anstrengung, wenn man viele verschiedene Leute im Team zusammenführen will. Aber man kommt dadurch auch zu neuen, progressiveren Lösungen.

Diversität bezieht sich auch auf das Genderthema. Wie steht es um den Frauenanteil in den Büros?

Ich bin die erste Präsidentin des BDA – seit dessen Gründung 1903. Ich kümmere mich schon lange um die Frauenquote. Fast 60 Prozent der Studierenden sind mittlerweile Frauen; aber noch immer kommen weniger als 30 Prozent in führende Positionen in Architektur büros. Wir bieten jetzt allerdings verstärkt Workshops an zu Themen wie »Keine Angst vor der Selbstständigkeit«, um gezielt auf junge Frauen zuzugehen, mit ihnen die Problematik zu diskutieren oder auch Role Models vorzustellen und zu zeigen, dass es tolle Frauen gibt, die ein eigenes Büro und eine Familie unter einen Hut kriegen. Und sich trotzdem nicht komplett selbst ausbeuten. Aber es ist ein langer Weg.

Liegt es daran, dass die Frauen sich tatsächlich seltener trauen oder auch an der Übernahme von Aufgaben in der Familie?

Der Beruf hat immer noch den Ruf, eine Männerdomäne zu sein, obwohl das schon lange nicht mehr so ist. Das kommt natürlich aus der Umsetzungsphase; auf dem Bau arbeiten naturgemäß viel mehr Männer als Frauen. Und es ist ja nicht nur bei den Architektinnen so, dass der Entschluss, sich als Frau selbstständig zu machen, nicht so leicht getroffen wird. Da müssen wir gesellschaftlich noch ordentlich was tun. Dazu kommt das Familienthema. Die Frauen arbeiten dann vielleicht erstmal in Teilzeit, damit sie beides miteinander vereinen können. Und dann stehen Frauen für Führungspositionen eben eher nicht zur Verfügung.

Wenn mehr Frauen in den Büros arbeiten: Ändert sich etwas, in der Architektur, im Denken, in der Kreativität?

Nein, es ist eine gute Mischung notwendig. Wir verwahren uns alle gegen die Behauptung, dass da eine andere Architektur herauskommt. Vielmehr kämpfen wir immer für eine gute Lösung und wünschen uns deshalb auch keine Sonderpreise für Frauen.

Spielt das Thema Diskriminierung in den Architekturbüros, auch im Verband, eine Rolle? Wird diskutiert, wie man damit umgeht? Gibt es eine Art Code of Conduct?

Wir haben im Verband ein Bekenntnis zur offenen Gesellschaft formuliert und ein Logo »Bauen auf Vielfalt – Architek turbüros für Diversität« entwickelt. Aber ich habe bis jetzt nicht mitbekommen, dass Menschen in den Büros aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, ihres Geschlechts oder ihrer Herkunft diskriminiert würden. Ich glaube auch nicht, dass es weggedrückt wird. Wir sind sehr durchmischt, und das ist eine Kultur, die es schon so lange gibt.

Der 6. März war Equal Pay Day. Wie sieht es aus mit dem Gender-Pay-Gap in der Architektur?

Wir haben einen Gender-Pay-Gap – wie alle Berufssparten. Da fallen vielleicht auch andere diskriminierte Gruppen drunter, das will ich nicht ausschließen. Wer nicht vehement genug seine Interessen vertritt, ist in vielen Büros immer gleich ein bisschen schlechter gestellt. Der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten BDA ist ein Verband, der die freien und selbstständigen Architekten vereint. Wir sind alle in führenden Positionen in großen Büros oder Inhaber der Büros. In anderen Verbänden oder Vereinigungen, in denen sich auch angestellte Architektinnen und Architekten zusammenschließen, wird vielleicht mehr über Bezahlung geredet und darüber, dass man das besser lösen müsste. Das finde ich auch richtig.

Es gibt in der Architektur viele Wettbewerbe und Ausschreibungen. Ist es ein Thema, wie man die Jurys besetzt, damit hier vielleicht noch mehr Diversität entstehen kann?

Das war lange Zeit ein ganz großes Thema, natürlich auch angesichts der prozentualen Verteilung von Männern und Frauen. Da gibt es immer noch eine Problematik bei der Besetzung einer Jury. Ich werde oft angerufen und angefragt. Und wenn ich dann sage: »Ich habe keine Zeit. Sie müssen mal meinen Mann fragen«, dann drucksen sie herum. Meine Reaktion ist dann: »Ach so, Sie wollen wieder nur eine Quotenfrau. Dann haben Sie Pech gehabt.«

Vielen Dank.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 4/2024.