»Trägt nicht alles, was uns begeistert, die Farbe der Nacht?«, fragte Novalis. Ja, gerade in der Kunst vergangener Zeiten spielt die Dunkelheit eine große Rolle. Gedichte, Texte, Lieder, Bilder beschäftigen sich mit der faszinierenden und gleichzeitig ängstigenden Finsternis. Der sicher berühmteste Psalm im Alten Testament spendet Trost: »Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir.«

Doch offensichtlich hat dieser Trost nicht ausgereicht, wir haben an vielen Orten der Welt die Nacht einfach zum Tag gemacht. Wissenschaftler gehen davon aus, dass heute mehr als 80 Prozent der Weltbevölkerung von Lichtverschmutzung betroffen sind. Das sind nicht nur die Menschen, die in hell beleuchteten Städten wohnen, die Lichtverschmutzung breitet sich wie ein Krebsgeschwür aus.

Straßenlaternen, Werbetafeln und das Anstrahlen von Gebäuden machen die Nacht vielerorts zum Tag. Besonders der Ökonomie hat das genutzt, denn jetzt konnte auch nachts gearbeitet werden.

Die Kehrseite aber ist, dass viele Menschen noch nie in ihrem Leben die Milchstraße oder den Orionnebel gesehen haben. Besonders die Tiere und Pflanzen leiden unter der Lichtverschmutzung. Vögel, Säugetiere, Insekten und sogar Pflanzen werden aus dem biologischen Gleichgewicht gebracht. Das massenhafte Artensterben hängt auch mit dem Lichtsmog zusammen. In den letzten Jahrzehnten hat die LED-Beleuchtung die Situation noch einmal verschärft. Im Zeiss-Großplanetarium in Berlin kann man sich Bilder anschauen, die Berlin aus der Luft bei Nacht zeigen. Ostberlin leuchtet deutlich heller als der Westen, weil nach der Wende dort die alte Straßenbeleuchtung gegen LED-Lampen getauscht wurde.

Die wenigen dunklen Flecken in Deutschland bieten jetzt Sternenparks als touristisches Erlebnis an. An manchen Orten auf den Friesischen Inseln, auf Rügen, im Harz, in der Eifel, Rhön und im Bayerischen Wald kann man die Faszination des Sternenhimmels früherer Zeiten noch erahnen. Hier kann man die Geisterstunde noch erfühlen. Aber richtig dunkel ist es auch hier nicht. Einer der dunkelsten Orte soll im NamibRand Natur Reserve, 300 km von Namibias Hauptstadt Windhoek entfernt, sein. Aber der ist weit weg.

Im vollkommen lichtverschmutzten Berlin nutze ich jetzt eine neue KI-Technik, um Galaxien und Nebel zum ersten Mal von meinem Balkon aus zu sehen. Smart-Teleskope heißt das Wunderwerkzeug aus China. Die astronomischen Ziele werden automatisch gefunden und durch das Anfertigen vieler Einzelbilder, die zu einem Bild kombiniert werden, kann ich auf meinem Handy jetzt das sehen und speichern, was der aufgehellte Nachthimmel normalerweise verwehrt. Immerhin!

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 6/2024.