Im Auftrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben die Länder im Medienstaatsvertrag bereits seit 2020 formuliert: »Die öffentlich-rechtlichen Angebote haben der Kultur, Bildung, Information und Beratung zu dienen. Unterhaltung, die einem öffentlich-rechtlichen Profil entspricht, ist Teil des Auftrags.« Man sollte meinen, der öffentlich-rechtliche Rundfunk würde nun ein Kulturfeuerwerk entfachen. Doch spätestens seit Tom Buhrow im Jahr 2022 seine berühmte, fast schon berüchtigte Rede im Hamburger Überseeclub gehalten hat, in der er die Rundfunkklangkörper in Frage stellte, und seit bekannt geworden ist, dass die ARD-Sender eine Konzentration im Bereich Jazz und Hörspiele umsetzen, steht der öffentlich-rechtliche Rundfunk und insbesondere sein Kulturangebot in der Diskussion. Die Regierungschefinnen und -chefs der Länder haben in der letzten Ministerpräsidentenkonferenz vom 23.10. bis 25.10.2024 den sogenannten Reformstaatsvertrag (Staatsvertrag zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks) beschlossen, der nun in den Landtagen diskutiert und verabschiedet werden muss.

 

Simulation von Beteiligung

Der Entwurf des Reformstaatsvertrags wurde nach zweijähriger Diskussion und unter Auswertung der Ergebnisse des von den Ländern eingesetzten Zukunftsrats am 26.09.2024 auf den Seiten der Rundfunkkommission der Länder öffentlich zugänglich gemacht. Jedermann wurde eingeladen, bis zum 11.10.2024 seine Meinung zu diesem Reformwerk auf der Seite kundzutun. Es ist an sich schon fragwürdig, wenn keine Unterscheidung getroffen wird zwischen Meinungen, die eine Privatperson äußert, und Positionen, die von Verbänden unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Belange der Mitglieder erarbeitet werden. Letzteres gilt insbesondere für Dachverbände wie den Deutschen Kulturrat, die sehr verschiedene Verbände unter ihrem Dach vereinen. Die Frist von zwei Wochen war denkbar knapp bemessen, insbesondere wenn, wie in Verbänden unabdingbar, ein Kompromiss aus verschiedenen Positionen gesucht werden muss.

Dennoch sind immerhin rund 16.000 Positionierungen bei der Rundfunkkommission der Länder eingegangen, wie deren Vorsitzender, der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer, stolz verkündete. Es ist aber schier unmöglich, dass diese 16.000 Rückmeldungen adäquat für die Entscheidungsfindung der Ministerpräsidentenkonferenz ausgewertet wurden. Ein solches Vorgehen ist die Simulation von Beteiligung, kein echtes Interesse an den eingereichten Positionen. Der Demokratie hat die Rundfunkkommission damit einen Bärendienst geleistet und wahrscheinlich wäre es ehrlicher gewesen, auf eine Beteiligung ganz zu verzichten, statt diese Scheinveranstaltung zu initiieren.

 

Finanzierung offen

Ebenso unbefriedigend ist, dass das Thema Finanzierung verschoben wurde. An sich besteht ein klar geregeltes Verfahren: Die Rundfunkanstalten melden ihren Finanzbedarf bei der KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten) an, diese überprüft ihn und spricht dann eine Empfehlung für den Rundfunkbeitrag aus. Dieser muss schließlich von den Landtagen verabschiedet werden. Wie in der jüngeren Vergangenheit üblich, ist die KEF auch bei ihrer diesjährigen Empfehlung für den Rundfunkbeitrag unter den angemeldeten Bedarfen geblieben. Dennoch haben die Regierungschefinnen und -chefs das Thema Finanzierung ausgeklammert und wollen sich erst in ihrer Dezembersitzung damit befassen. In der Zwischenzeit soll die Rundfunkkommission der Länder Vorschläge für ein Finanzierungssystem vorlegen.

Am 12.12.2024 findet die nächste Ministerpräsidentenkonferenz statt. D. h., innerhalb von gut sechs Wochen soll ein neues Finanzierungssystem entwickelt und unter den Ländern abgestimmt werden. Selbst wenn dies gelingen sollte – entsprechende Vorarbeiten, die allerdings alle nicht konsensfähig sind, liegen vor – steht nach der Beschlussfassung durch die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten die Befassung in den Landtagen an.

Die aktuelle Bemessung des Rundfunkbeitrags läuft allerdings zum 01.01.2025 aus. D. h., erneut ist es nicht gelungen, innerhalb der bestehenden Fristen die Rundfunkbeitragsanpassung zu regeln und sich schlicht und einfach an Recht und Gesetz zu halten. Vermutlich werden die Rundfunkanstalten wiederum das Bundesverfassungsgericht anrufen, das wahrscheinlich in Fortführung seiner ständigen Rechtsprechung die Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks noch einmal untermauert und auf die angemessene Finanzierung hinweist.

Mit ihrem Vorgehen leisten die Regierungschefinnen und -chefs leider der weiteren Politikverdrossenheit Vorschub.

 

Reformstaatsvertrag

Was steht nun drin im Reformstaatsvertrag? Das wenig Positive zuerst: Die Rundfunkanstalten sollen enger mit Kultur- und Bildungseinrichtungen zusammenarbeiten. Mit Blick auf Kultur geschieht das vielerorts bereits durch Kulturpartnerschaften zwischen dem Hörfunk und Kulturinstitutionen. Manche dieser Kulturpartnerschaften können auf eine 20-jährige Erfolgsgeschichte zurückblicken. Schön, dass dies von den Ländern nun auch gesehen wird und verstärkt werden soll.

Nun zum Negativen: Beim Fernsehen wurden neben Das Erste, dem ZDF und den Dritten drei Sender-Körbe gebildet. Von Korb 1 »Information« (tagesschau24, Phoenix, ARD-alpha und ZDFinfo) sollen noch zwei Sender übrigbleiben. Von Korb 2 »Junge Menschen« (KiKA, funk, ZDFneo und ARDone) sollen drei fortgeführt werden. In der Pressekonferenz führte Ministerpräsident Alexander Schweitzer aus, dass er vom Fortbestand von KiKA und funk ausgeht. In Korb 3 finden sich die beiden »Kultur«sender 3sat und arte. Im Entwurf des Reformstaatsvertrag war noch davon die Rede, dass 3sat in arte aufgehen und ab 2033 nicht mehr im linearen Programm ausgestrahlt werden soll. Das hörte sich bei der erwähnten Pressekonferenz etwas weicher an, jetzt war die Rede davon, dass Angebote von 3sat perspektivisch bei arte ihren Platz finden sollen. Ob das weiße Salbe auf den vielfach geäußerten Protest an den Fusionsplänen ist, wird sich zeigen, jedenfalls ist dieses Thema noch nicht ausgestanden.

Kaum öffentliche Wahrnehmung erhielt die geplante Reduzierung der Hörfunkprogramme. Im Entwurf des Reformstaatsvertrags stand noch, dass das Angebot um 16 Hörfunkprogramme reduziert werden soll. Nach der Ministerpräsidentenkonferenz machte die Runde, dass 20 Hörfunkprogramme wegfallen sollen. Gerade der Hörfunk ist für den Kulturbereich von herausragender Bedeutung. Dabei geht es nicht nur um rundfunkspezifische Angebote wie Hörspiele. Der Hörfunk ist mit seinen spezifischen Formaten wie Features, Reportagen, Nachrichten, Musiksendungen der unterschiedlichen Genres und anderem mehr ein essenzieller Auftraggeber für Kulturschaffende, ein Multiplikator mit Blick auf das aktuelle Kulturgeschehen, ein Partner für Kultureinrichtungen und für die Kultur- und Kulturpolitikberichterstattung unverzichtbar. Gerade der Hörfunk wird leider vielfach unterschätzt.

Unklar geblieben ist nach der Ministerpräsidentenkonferenz, wie künftig mit Telemedienangeboten und speziell mit Texten umgegangen werden soll. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verfolgen seit einigen Jahren die Strategie, ihre Media- und Audiotheken auszuweiten, um insbesondere jüngere Menschen zu erreichen, die sehr oft weder über ein klassisches Radio- noch Fernsehgerät verfügen. Schon lange besteht zwischen den Zeitungsverlagen und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine Auseinandersetzung, wie viel Text in diesen Angeboten erlaubt ist und ab wann ein Angebot presseähnlich ist. Hier waren Verschärfungen mit Blick auf einen engen Sendungsbezug im Entwurf des Reformstaatsvertrags geplant. Hierzu war von Ministerpräsident Alexander Schweitzer zu hören, dass sich auf 12 Positivpunkte verständigt wurde, die bislang aber nicht öffentlich zugänglich sind. Eines ist klar, wenn auftragsgemäß mit dem öffentlich-rechtlichen Informationsangebot junge Menschen erreicht werden sollen, ist es unverzichtbar, dass er mit Textangeboten auf den einschlägigen Plattformen präsent ist. Ihn hier zu beschneiden, würde seine Wirkungsmöglichkeiten stark einschränken.

 

Fazit

Es ist höchst bedauerlich, dass der unglückliche Entwurf des Reformstaatsvertrags die Zustimmung der Ministerpräsidenten und -präsidentinnen gefunden hat. Die Reduzierung der Rundfunksender, Hörfunk wie Fernsehen, bedeutet: Weniger Kulturberichterstattung, weniger Informationen über Kultur in den Regionen, weniger kultureller Diskurs, kurz noch weniger Kunst und Kultur im öffentlich-rechtlichen Rundfunk als bislang! Mit dieser Entscheidung gefährden die Ministerpräsidenten und -präsidentinnen die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, denn die Kulturberichterstattung ist einer der zentralen Gründe, warum es die ARD und das ZDF überhaupt gibt.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2024.