Für unsere Stadt und die gesamte Region ist 2025 ein ganz besonderes Jahr: Chemnitz ist Kulturhauptstadt Europas – gemeinsam mit 38 Kommunen aus Mittelsachsen, dem Erzgebirge und dem Zwickauer Land. Diese Auszeichnung ist für uns eine einzigartige Gelegenheit, die kulturelle Vielfalt, die industrielle Prägung und die kreativen Potenziale der Stadt in den Mittelpunkt zu stellen. Unser Ziel ist es, neue Perspektiven auf Chemnitz und die Region zu eröffnen – für Einheimische genauso wie für unsere Gäste aus ganz Europa.

Das Motto »C the Unseen – das Ungesehene sichtbar machen« ist Leitgedanke unseres Programms. Mit rund 150 Projekten und mehr als 1.000 Veranstaltungen rücken wir Menschen, Orte und Geschichten in den Fokus, die bisher oft übersehen wurden. Wir verbinden lokale Perspektiven mit europäischen Narrativen und bringen bekannte wie neue Stimmen zusammen.

Der große Zuspruch, den unser Vorhaben bereits jetzt erfährt, wurde eindrucksvoll bei der Eröffnungsveranstaltung am 18. Januar sichtbar: 80.000 Menschen feierten gemeinsam den Auftakt in dieses besondere Jahr.

Chemnitz und die Region haben die industrielle Entwicklung Deutschlands entscheidend mitgeprägt – vom Textil- und Maschinenbau bis zur Automobilproduktion. Die Ausstellung »Tales of Transformation« im Industriemuseum Chemnitz wird von April bis November diese Geschichte im europäischen Kontext beleuchten: Boomzeiten, Wohlstand, soziale Herausforderungen, aber auch Brüche und Neuanfänge.

Der Blick auf andere europäische Städte wie Mulhouse, Tampere, Gabrovo oder Łódź hilft uns, eigene Entwicklungen besser zu verstehen und neue Perspektiven zu gewinnen.

Auch der Erzbergbau hat unser kulturelles Erbe geprägt. Seit 2019 ist die Montanregion Erzgebirge/Krušnohorí UNESCO-Weltkulturerbe. Die Ausstellung »Silberglanz & Kumpeltod« im Staatlichen Museum für Archäologie Chemnitz wirft bis Juni einen faszinierenden Blick auf diese Geschichte. Sie zeigt, wie der Bergbau Wohlstand brachte, zugleich aber mit harten Lebensbedingungen für die Menschen verbunden war – und wie dieses Erbe bis heute nachwirkt.

Wir laden unsere Besucherinnen und Besucher ein, Chemnitz und die Region neu zu entdecken. Unsere Stadt liegt im Herzen Europas – und 2025 nutzen wir diese Lage, um kulturelle Schätze und Innovationen gleichermaßen zu präsentieren.

Ein besonderes Beispiel dafür ist das Projekt #3000Garagen. In der DDR entstanden in Chemnitz rund 30.000 Garagen in Gemeinschaftsarbeit. Sie waren mehr als nur Abstellräume – sie wurden zu Treffpunkten, zu Werkstätten und kreativen Räumen. Heute greifen wir dieses Erbe auf: Mit Künstlerinnen und Künstlern, Architektinnen und Architekten sowie Kulturwissenschaftlerinnen und Kulturwissenschaftlern erforschen wir die Geschichte und Zukunft dieser Orte. Workshops, Kunstaktionen und Festivals werden Garagenhöfe in Orte der Begegnung verwandeln – und damit ein einzigartiges Kulturgut sichtbar machen.

Auch Innovation spielt eine zentrale Rolle in unserem Programm. »Makers, Business & Arts« bringt Unternehmer, Ingenieure und Kreative zusammen, um neue Ideen und Prozesse zu entwickeln. Neun »Makerhubs« in Chemnitz und der Kulturhauptstadtregion schaffen Räume für interdisziplinäre Zusammenarbeit mit offenen Werkstätten für Handwerk, Kunst, Technologie, Kochen und Gärtnern. Ein internationales Residenzprogramm wird kreative Köpfe nach Chemnitz bringen, während der Maker-Advent mit über 100 Mitmachangeboten in der Weihnachtszeit das Jahr abrunden wird.

Unsere großen Chemnitzer Kulturinstitutionen präsentieren sich 2025 mit internationaler Strahlkraft. Die Kunstsammlungen Chemnitz zeigen im Museum Gunzenhauser mit der Ausstellung »European Realities« von April bis August die vielfältigen Realismusbewegungen der 1920er und 1930er Jahre in bislang einzigartigem Umfang. Eine zweite große Schau widmet sich dem norwegischen Maler Edvard Munch und dem Thema Angst in Wechselwirkung mit zeitgenössischen Positionen. Diese Ausstellung wird von August bis November in den Kunstsammlungen am Theaterplatz zu sehen sein.

Die Kulturhauptstadt Europas 2025 ist zugleich ein Stadtentwicklungsprojekt. Im Rahmen des Interventionsflächen-Programms werden 30 Orte in Chemnitz und der Region einer Transformation unterzogen. Ich kann hier nur einige Beispiele hervorheben: Diese reichen von der Umgestaltung historischer Gebäude bis zur Schaffung neuer öffentlicher Plätze. So wurde die traditionsreiche Hartmannfabrik in ein Informations- und Besuchszentrum für das Kulturhauptstadtjahr umgewandelt.

Am renaturierten Pleißenbach entsteht ein neuer Stadtteilpark, und auf dem Festplatz Euba finden Weihnachtsmärkte und Dorffeste statt. Auch das Erbe des weltbekannten Expressionisten Karl Schmidt-Rottluff wird gewürdigt: Sein Elternhaus in Chemnitz wird als Museum wiedereröffnet. Viele dieser Projekte sind das Ergebnis einer intensiven Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in den Stadtteilen und Ortschaften. Sie zeigen, wie sich Chemnitz gemeinsam mit seiner Region weiterentwickelt und langfristig von der Kulturhauptstadt Europas 2025 profitieren wird.

Die Kulturhauptstadtregion umfasst rund eine halbe Million Einwohner. 39 Städte und Gemeinden haben sich zusammengeschlossen, um gemeinsam das Kulturhauptstadtjahr zu gestalten. Sie alle teilen eine Geschichte von Umbrüchen, Traditionen und Neuanfängen.

Ein herausragendes Beispiel für die Zusammenarbeit in der Region ist der Kunst- und Skulpturenweg PURPLE PATH. Dieses Projekt wird bis 2025 zu einem neuen Magneten für kunst- und kulturinteressierte Besucher. Werke renommierter nationaler und internationaler Künstlerinnen und Künstler werden den ländlichen Raum bereichern und zeitgenössische Kunst an unerwarteten Orten erlebbar machen. Künstler wie Alice Aycock, Sean Scully, Bettina Pousttchi, Jay Gard, Tony Cragg, Friedrich Kunath und Nevin Aladağ setzen mit ihren Werken neue Akzente in der Region. Auch in Chemnitz selbst wird PURPLE PATH sichtbar sein, unter anderem mit der markanten Arbeit »7 Farben für einen Schornstein« von Daniel Buren.

Dieses Projekt knüpft ein symbolisches Band zwischen den Kommunen der Region sowie zwischen dem ländlichen Raum und der Stadt Chemnitz und zeigt eindrucksvoll, wie Kunst Verbindungen schafft.

Ein zentrales Anliegen unseres Programms ist es, den gesellschaftlichen Zusammenhalt durch kulturelle Partizipation und Bürgerbeteiligung zu stärken. Wir wollen die Menschen ermutigen, sich aktiv einzubringen, ihre Ideen zu teilen und unsere Stadt gemeinsam zu gestalten. Mit dem Programmfeld »Europäische Macher:innen der Demokratie« schaffen wir genau diese Möglichkeit: Hier können Bürgerinnen und Bürger Chemnitz 2025 mit ihren eigenen Initiativen bereichern.

Ein besonderes Beispiel für dieses Engagement ist das »KOSMOS Festival für Demokratie«. Es wurde 2018 als Reaktion auf rechtsradikale Ausschreitungen in Chemnitz ins Leben gerufen und hat sich zu einem beeindruckenden Symbol für eine offene Gesellschaft entwickelt. Getragen von Vereinen, Unternehmen, Institutionen und vielen engagierten Einzelpersonen, zieht es im Juni mit Konzerten, Lesungen und Diskussionsrunden Zehntausende Besucher an.

Auch der »European Peace Ride« ist ein Projekt, das aus dem Bewerbungsprozess zur Kulturhauptstadt entstanden ist. Dieses Radsportevent knüpft an die Tradition der Internationalen Friedensfahrt an und setzt ein starkes Zeichen für den europäischen Zusammenhalt. Mit besonderem Fokus auf unsere Nachbarländer Polen und Tschechien ist es ein Symbol für grenzüberschreitende Freundschaft und Verständigung.

Die »Europäische Werkstatt für Kultur und Demokratie« ist ein weiterer zentraler Baustein unseres Programms. Durch offene Ausschreibungen konnten über 60 Projekte realisiert werden, die zeigen, wie Kunst und Kultur als Brückenbauer wirken können. Unser Ziel ist es, gemeinsam mit den Menschen vor Ort gesellschaftliche Herausforderungen anzugehen und neue Perspektiven für ein starkes, vernetztes Europa zu schaffen.

Das Jahr 2025 markiert ein besonderes Jubiläum: Seit 40 Jahren gibt es das Kulturhauptstadt-Programm – und Chemnitz hat die Ehre, diesen Meilenstein gemeinsam mit der slowenisch-italienischen Doppelstadt Nova Gorica/Gorizia zu feiern. Unsere enge Verbindung zeigt sich in zahlreichen gemeinsamen Projekten, darunter die Konferenz »40 Jahre Kulturhauptstadt Europas« im April. Dort kommen Vertreterinnen und Vertreter früherer, aktueller und zukünftiger Kulturhauptstädte zusammen, um die Entwicklung des Programms zu reflektieren und wertvolle Erfahrungen auszutauschen. Zudem wollen wir mit dem White Paper »40 Empfehlungen aus 40 Jahren ECoC« Impulse für kommende Kulturhauptstädte setzen.

Für uns in Chemnitz ist die Kulturhauptstadt Europas weit mehr als ein einzelnes Festjahr – sie ist eine Plattform für neue Begegnungen, inspirierende Entdeckungen und nachhaltigen Dialog. Unser Programm macht das bisher Ungesehene sichtbar, stärkt die Identität unserer Region und vernetzt uns noch enger mit Europa. Mit diesem Projekt schlagen wir eine neue Seite für Chemnitz auf, indem wir nicht nur die Kultur von heute präsentieren, sondern auch eine Vision für die Zukunft entwickeln.

Die Zusammenarbeit von 39 Kommunen, die aktive Beteiligung der Menschen vor Ort und unser besonderer Fokus auf Industriekultur und europäische Netzwerke werden Chemnitz 2025 zu einem einzigartigen Kulturprojekt machen, das weit über das Jahr hinaus Bestand haben wird.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 3/2025.