»Eines Tages werden wir aufwachen und wissen, Daß wir zuwenig getan haben oder das Falsche, Wir werden uns sagen, daß wir mehr hätten tun sollen. Aber was? Werden wir fragen – und: wann hätten wir es tun sollen, …«, schrieb Walter Bauer 1957. In diesen Tagen muss ich daran denken.

In diesen Tagen hat der russische Präsident Wladimir Putin die Ukraine mit einer neuartigen Mittelstreckenrakete angegriffen. In diesen Tagen stellt der zukünftige amerikanische Präsident Donald Trump seine Regierungsmannschaft auf. Vor einigen fürchtet sich sogar seine eigene Partei. In diesen Tagen hat der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, Ex-Verteidigungsminister Joav Galant sowie den militärischen Hamas-Anführer Mohammed Deif wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit Haftbefehle erlassen. Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 befinden sich immer noch 132 Geiseln in der Gewalt der Terrorgruppe. In diesen Tagen hat sich unsere Regierung zerlegt, unverantwortlich in Anbetracht der Situation in der Welt. Jetzt werden wir am 23. Februar 2025 wählen und hoffentlich einer stabileren Regierung, die durch und durch demokratisch ist, die Verantwortung übergeben. Und in diesen Tagen wird einmal mehr klar, dass wir die Klimakrise nicht in den Griff bekommen.

»Eines Tages werden wir aufwachen und wissen, Daß wir zuwenig getan haben oder das Falsche, …« Nein, nicht irgendwann, diese Träume verfolgen mich schon jetzt, im Schlaf und danach.

Leide ich wie die Romanfigur des Don Quijotes an Wahnvorstellungen und übersteigertem Idealismus, wenn ich finde, dass auch wir im Kulturbereich unsere Hausaufgaben im Angesicht der weltweiten Krisen machen müssen? Müssen wir uns nicht noch stärker für die Demokratie einsetzen und uns schützend vor diejenigen stellen, die Boykotten ausgesetzt sind oder deren Arbeit von Autoritären in Frage gestellt wird? Müssen wir nicht einen Beitrag zur Differenzierung leisten, statt selbst in Schwarz-Weiß-Denken zu verfallen?

Walter Bauer, tief erschüttert von der kollektiven Unwilligkeit seiner Landsleute, aus der Katastrophe des Faschismus etwas lernen zu wollen, wanderte nach Kanada aus. »Wir werden uns erinnern, daß da etwas war voller Verheißung. Aber kaum noch sagen können, was es war und daß es Aussicht gab für uns, Pfade, für uns allein gemacht – Nur: daß da etwas war, dem wir nicht folgten – …«

Heute ist die Welt zu klein, um vor ihrem Wahnsinn fliehen zu können. Und eigentlich ist auch die Verantwortung zu groß. Aber was, was sollen wir tun?