Am 13. April 1994 erschien die erste Ausgabe der Zeitschrift »Gala«. Seit Jahrzehnten unterhält diese wöchentlich ein Millionenpublikum. Theresa Brüheim spricht mit Doris Brückner, seit Mai 2022 Chefredakteurin und zuvor Digital-Chefredakteurin der »Gala«, über die Arbeit, die Themensuche und die Bedeutung von Deutschlands wohl bekanntestem People-Magazin.

Theresa Brüheim: Frau Brückner, wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen als »Gala«-Chefredakteurin aus – wenn es diesen gibt?

Doris Brückner: Das Schöne ist, es gibt keinen typischen Arbeitstag. Aber es gibt Konstanten. Morgens schaue ich mir als Erstes die Zahlen an – und zwar alle Digitalzahlen für alle Marken in meinem Zuständigkeitsbereich. Neben »Gala« und gala.de bin ich auch verantwortlich für die Digitalangebote von »Brigitte«, »Eltern«, »Guido« und »Barbara«. Mein erster Griff am Tag ist zum Telefon oder Laptop. Es ist auch mein letzter Griff. Bevor ich ins Bett gehe, blicke ich noch mal auf die Zahlen, um zu sehen, was lief gut und was nicht so gut. Am Tag geht es mit Konferenzen weiter: Digital zuerst, danach Print.

Wir arbeiten bei gala.de im Schichtdienst und fast rund um die Uhr, daher haben wir ganz frühmorgens schon aktuelle Themen und News auf der Webseite. Der Vormittag ist entsprechend geprägt von Aktualität, und nachmittags geht es in die Strategiethemen. Wir haben regelmäßige Treffen mit unserem Businessteam, in denen es inhaltlich um Leuchtturmprojekte, die wir starten wollen, aber auch um Personalthemen etc. geht.

Und dann gibt es Ausnahmetage – immer dann, wenn Dinge passieren, die man nicht planen kann, auf die man aber trotzdem vorbereitet sein muss – z. B. als die Queen starb. Dann geht eine ganze Maschinerie an, und der Tag muss sich komplett der Aktualität beugen. Da haben wir sofort entschieden, ein Sonderheft herauszubringen, um es neben der normalen Ausgabe der »Gala« zu produzieren. Ein weiteres aktuelles Beispiel ist die Erscheinung von Harrys Buch. Das interessiert unsere Leserinnen, Userinnen und Zuschauerinnen.

An welchen Themen arbeiten Sie gerade? Was wollen Sie 2023 umsetzen?

Es gibt zwei große Themen für »Gala«. Für das Digitale haben wir uns die Frage gestellt: Würden wir uns heute genauso aufstellen? Im Januar nehmen wir uns die Zeit, diese Frage zu beantworten. Und für das Heft haben wir uns vorgenommen, es optisch und inhaltlich aufzufrischen. Gemäß dem Satz: »Glam up your life«. Eventuell gehen wir an Farben und Schriften, außerdem prüfen wir, wie wir unsere eigenen Modeproduktionen noch mal aufwerten können. Das Ergebnis wird man in unserer »Fashion Issue« in Heft 10 sehen.

Wofür steht »Gala«?

Für gute Unterhaltung. Unsere Zielgruppe ist hauptsächlich weiblich. Ich freue mich natürlich, wenn ich von Männern höre, dass sie »Gala« lesen, aber primär ist es ein Magazin, das sich an eine weibliche Zielgruppe richtet. Wir sind ein People-Magazin und haben auch einen großen Lifestyle-Bereich sowie Schwerpunkte in Beauty und Fashion. Für alle Menschen, die sich für diese Themen interessieren, ist »Gala« auf allen Kanälen präsent. Besonders groß ist bei »Gala« der Promi-Aspekt. Ob wir nun zu »Gala« im TV einen Prominenten einladen und dieser mit unserer Moderatorin Annika Lau einen spannenden Talk führt oder ob wir Prominente – wie z. B. aus dem britischen Königshaus – im Heft zum Hauptthema machen.

Seit fast 30 Jahren unterhält »Gala« wöchentlich ein Millionenpublikum. Welche Rolle und welche Bedeutung kommen dem Magazin, aber natürlich auch den anderen »Gala«-Kanälen, als Unterhaltungsmedien zu?

Wir wollen Spaß machen und zum Träumen anregen. Heute hat es den ganzen Vormittag geregnet. Es ist nass, kalt, ungemütlich. Ich möchte mich einfach mal wegträumen. Unsere kommende Titelgeschichte erzählt, dass sich im Januar die Promis im Sonnenurlaub auf St. Barth tummeln. Das wird ein Riesenthema sein: Wer ist wo, wer macht was? Wir zeigen regelmäßig It-Places wie Mallorca oder Mykonos, und natürlich soll das auch die Leserinnen anregen, vielleicht selbst dorthin zu reisen.

Wir wollen immer die Geschichte hinter der Geschichte erzählen – auf Augenhöhe und nachvollziehbar, sodass wir die Stars nahbar machen. Sie leben in Villen, aber haben die gleichen Themen wie wir: Sie verlieben sich, sie entlieben sich, sie heiraten, sie bekommen Babys, sie haben mal Probleme mit dem Nachwuchs … all diese Dinge. Irgendwie ist es für die Leserinnen schön zu sehen, dass es den Promis auch so geht wie ihnen. Nur mit ein bisschen mehr Geld und Glamour.

Wir wollen Türen zu Orten öffnen, an die die Leserinnen sonst nicht kommen – hinter die Palastmauer oder das große Tor. Bis hin zum Tor zum Herzen eines Prominenten: Wenn wir mit dieser Person sprechen und sie sich öffnet, sodass sie etwas sehr Privates erzählt. Jeder hat geheime Wünsche, träumt von etwas oder ist einfach mal ehrlich und sagt, es ist z. B. gar nicht so einfach mit dem zweiten Baby.

Oder was waren die guten Momente im Leben? Welche Rituale gönnt man sich, um es sich gutgehen zu lassen? Das, finde ich persönlich, ist immer inspirierend.

Das heißt nicht, dass wir die Augen verschließen wollen vor dem, was sonst in der Welt los ist. Die Krisen betreffen uns alle, ob nun der Krieg in der Ukraine, aber auch die finanziellen Folgen. Es gibt viele Menschen, die Sorgen haben. Es ist aber auch wichtig, mal einen guten Moment zu haben, abzuschalten und zu genießen. Das, was unsere Leserinnen mitnehmen sollen, ist auch »Me-Time«. Ob es kurz an der Bushaltestelle ist, in der Bahn auf dem Weg zur Arbeit, im Schaumbad oder gemütlich auf dem Sofa. Wir wollen einfach Spaß machen, aber eben auch ein bisschen tiefer gehen und die Prominenten anders zeigen. Sehr menschlich, sehr nah.

Das ist eine lange Antwort auf Ihre Frage. Zusammengefasst: Wir stehen für gut recherchierte Unterhaltung und machen kein »Fingerpointing«. Wir wollen viele große schöne Bilder zeigen. Das grenzt uns von anderen People-Magazinen ab.

Wie finden Sie die News, über die Sie berichten? Wie setzen Sie die Themen?

Erst mal scannen wir alles – und zwar wirklich alle Promigeschichten weltweit. Wir versuchen natürlich selbst spannende Personen vor die Kamera, vors Mikrofon oder vor den Stift und Block zu bekommen, um sie zu interviewen.

Dabei ist ein guter Gradmesser, dass wir sehr schnell sehen, welche Themen ankommen. Digital können wir sogar sekündlich sehen, ob eine Geschichte oder eine Person die Menschen interessiert. Je emotionaler etwas ist, umso besser funktioniert es in der Regel. Der Star muss dafür nicht immer ganz, ganz groß sein. Im TV haben wir am nächsten Tag die Quote: Im Schnitt haben wir bislang einen Marktanteil von 8,5 Prozent erzielt. Das ist eine schöne stabile Quote. Insgesamt verfolgen bis zu 1,3 Millionen Zuschauerinnen das Magazin mit Annika Lau. Beim Heft dauert es eine gute Woche, bis wir Feedback haben. Erst dann können wir sehen, ob wir auf die richtigen Themen gesetzt und die Herzen unserer Leserinnen mit unseren Geschichten erreicht haben. Aber wir bekommen auch viel persönliches Feedback in Form von Leserbriefen und -Mails.

Mit der Zeit entwickelt man ein Gespür dafür, was ein gutes Thema ist, was die Leute interessiert, wann es abebbt. Es gibt Prominente, die eine Zeit lang aktuell und interessant sind – und dann flaut das Interesse an ihnen wieder ab. Es kommt oft auch auf die Promis selbst an: Wie präsent sind sie im Fernsehen? Wie aktiv sind sie auf Social Media?

Was ist mittlerweile Ihr Zugpferd? Ist es der digitale Auftritt von »Gala«, die TV-Sendung oder noch das Magazin?

Es gibt nicht den einen wichtigen Kanal. Es ist vielmehr der Mehrklang der verschiedenen Kanäle, denn alle sorgen dafür, dass die Marke »Gala« eine große Reichweite hat und viele Menschen erreicht. Uns gibt es 360 Grad – Print, Digital, TV und Social. Wir sind jetzt z. B. frisch auf Snapchat gestartet. Das ist besonders, denn unsere Userinnen sind in der Regel nicht ganz jung. Die »Gala«-interessierte Frau ist zwischen 29 bis 59 Jahre. Aber wir suchen immer nach Möglichkeiten, auch eine jüngere Zielgruppe zu erreichen.

Digital wird sehr viel mobil gelesen. Zwar werden die Endgeräte wieder größer, aber natürlich hat ein Foto auf einem Smartphone nicht so eine Wucht. Trotzdem versuchen wir, die Fotos so zu schneiden und zu animieren, dass die Kraft der Bilder rüberkommt. Das Heft spiegelt ein anderes Nutzungsverhalten wider. Früher haben wir gesagt, das ist der Schaumbadmoment. Sie schlagen die Zeitschrift auf, und man taucht in die Bilder auf einer Doppelseite ein. Wir zeigen oft und gern Fotos auch aus anderen Perspektiven, sodass man das Gefühl hat: »Wow, ich bin dabei«. Es hat also viel mit der Situation des Konsumierens zu tun: An der Bushaltestelle möchte ich z. B. einen schnellen »Snack« haben und mich eine Sekunde wegträumen, wenn ich gemütlich auf dem Sofa sitze, möchte ich mehr in Ruhe genießen und tiefer einsteigen. Und die TV-Zuschauerin, die samstags um 17.45 Uhr »Gala« schaut, kommt vielleicht gerade vom Einkaufen und will noch bügeln.

People-Magazine werden oft abwertend als »leichte Unterhaltung« betitelt. Wie viel schwere Arbeit steckt hinter vermeintlich leichter Unterhaltung?

Genauso viel schwere Arbeit wie für jedes andere Magazin. Wenn man es ernst nimmt, muss man ordentlich recherchieren. Wir haben uns als »Gala« einen Ruf erarbeitet, den wir nicht leichtfertig aufs Spiel setzen wollen. Das heißt, eine gut recherchierte Geschichte erfordert Arbeit. Man muss tiefer eintauchen und verstehen, wer die Person ist, über die man schreibt. Man muss viele Telefonate führen, Dinge in Erfahrung bringen, Interviews vereinbaren und die Person treffen.

Vertrauen bzw. Vertrauensbildung spielen auch eine zentrale Rolle. Die Prominenten müssen vorher überlegen, ob sie über ein bestimmtes Thema mit uns sprechen möchten. Im vergangenen Jahr haben wir eine tolle Serie zum Thema Mental Health gemacht, für die wir viele Prominente interviewt haben. Das Thema ist nicht einfach, denn niemand sagt: »Klar, ich erzähle mal, dass ich Depressionen habe.« Sondern, man muss sich kennenlernen und schauen, ob Vertrauen aufgebaut werden kann und man sich wohlfühlt.

Es gibt natürlich auch leichtere Themen. In unserer Weihnachtsausgabe ist Sarah Connor z. B. in andere Kleider geschlüpft. Wir wollten in einem Shooting diese tolle Frau mal anders zeigen. Da gibt es eine schöne Anekdote: Ihr Stylist war verhindert, was zu einer Riesenaufregung führte, denn alles war ja schon organisiert. Unser großartiges Fashion-Ressort hat dann übernommen, und Sarah Connor war begeistert und hat sich so wohlgefühlt, dass sie später unseren Stylisten noch einmal buchen wollte! Das ist einfach ein schönes Kompliment.

Und genau darauf kommt es an: Wir sprechen mit den Prominenten auf Augenhöhe. Auch bei heiklen Themen sollen sich prominente Personen mit uns wohlfühlen. Und wir stellen sicher, dass sie richtig wiedergegeben werden.

Gute Unterhaltung ist viel Arbeit. Nachricht ist Nachricht. Ich war früher Nachrichtenchefin bei Axel Springer, ich weiß, wovon ich spreche. Für mich ist Unterhaltung die Königsklasse. Man muss sich überlegen, welche Geschichte erzähle ich, wie schaffe ich es, dass sich alle wohlfühlen, es aber auch nicht langweilig wird.

Unsere tollen Produkte sind das Ergebnis von großartigem Teamwork. Bei jeder Kollegin und jedem einzelnen Kollegen liegt eine große Verantwortung. Das und das Engagement und die Lust, mit der gearbeitet wird, sind nicht selbstverständlich. Das wertschätze ich sehr.

Vielen Dank.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 02/2023.