Wie bringt man Menschen zum Lachen? Welcher Anspruch steht dahinter? Und wie viel Arbeit macht das? Der Schauspieler und Stand-up-Kabarettist Simon Pearce gibt im Gespräch mit Theresa Brüheim Antworten auf diese Fragen und mehr.

Theresa Brüheim: Seit dem Kindesalter stehen Sie auf der Bühne. Später haben Sie ein Schauspielstudium abgeschlossen und arbeiten heute sehr erfolgreich als Schauspieler und Stand-up-Kabarettist. Das heißt, Ihr Beruf ist es, Menschen zu unterhalten. Wie gelingt Ihnen das immer wieder?

Simon Pearce: Man muss sich immer wieder erneuern. Das heißt nicht, dass man sich unbedingt neu erfinden muss, aber ich finde es wichtig, mit der Zeit mitzuwachsen. Mein Beruf hat so viele verschiedene Spektren, dass nichts langweilig wird. Denn wenn man sich als Künstler langweilt, wird es für das Publikum auch langweilig. Ich unterhalte auch mich selbst auf der Bühne. Manchmal muss ich über meine Witze lachen – nicht aus narzisstischen Gründen, sondern weil es schön ist, wenn man die Leute unterhält.

Was macht für Sie gute Unterhaltung aus?

Wenn man die Leute fesselt, auf welche Art auch immer, dann ist es für mich gute Unterhaltung. Die kann auch traurig sein. Das kann auch langsame Musik sein. Unterhalten heißt nicht immer automatisch Spaß, sondern auch Zerstreuung und Aufmerksamkeit bei den Rezipientinnen und Rezipienten zu generieren.

Wo finden Sie Inspiration?

Für meine Comedy tatsächlich im Leben, wie es so schön heißt. Ich laufe durch die Gegend, beobachte Situationen oder sehe ein Schild. Dann mache ich mir im Kopf, im Telefon oder im Notizbüchlein eine Notiz und spinne den Gedanken dazu weiter. Die Kunst ist es, die lustige oder absurde Situation, die sogenannte Prämisse, in eine »Punch Line« zu verwandeln. Das ist die komische Überhöhung. In meiner Comedy verarbeite ich viele Alltagsgeschichten und Erlebnisse, die sind per se noch gar nicht lustig, sondern die Reaktion oder die Gedanken, auf die ich mich dann begebe, sind das Komische, das Witzige, was ich dem Publikum erzähle.

Wie gelingt es Ihnen dann, die Menschen zum Lachen zu bringen?

Wenn ich das so genau wüsste, hätte ich die Urformel gelöst. Mir ist irgendwann klar geworden, das Wichtigste ist, dass ich etwas lustig und interessant finde. Natürlich macht man das fürs Publikum, aber es bringt nichts, zu versuchen, Witze zu schreiben, um irgendjemandem zu gefallen. Das kann ich dann auch nicht gut vortragen. Und natürlich wird es immer Leute im Publikum geben, die etwas nicht lustig finden, die mich nicht lustig finden. Aber davon muss man sich als Künstler freimachen und checken, dass das eben so ist.

Zum Glück passiert es mir selten, dass Leute aus dem Publikum aufstehen und gehen, weil es einfach nicht ihr Ding ist. Aber man neigt dazu, diesen ablehnenden Menschen gefallen zu wollen. So ist es auch bei negativen Kommentaren bei Instagram oder Facebook. Man beschäftigt sich viel zu viel damit. Doch letztlich kann ich nur so lustig sein, wie ich etwas lustig finde. Natürlich passt man manches an. Es ist ja ein Spektrum.

Wie viel Arbeit steckt dahinter, jemanden professionell, von Beruf aus zum Lachen zu bringen?

Das ist sehr, sehr harte Arbeit. Natürlich kann man das keinem erklären, der richtig körperlich hart arbeitet. Das ist ganz klar ein Unterschied. Aber Arbeit ist Kraft mal Wirkung: Ich muss die Ideen haben, ich muss es schreiben – und dann kommt dieser Moment vor dem Bühnenauftritt. Ich kenne keine Kollegen, keine Kolleginnen, die nicht diese letzte halbe Stunde vor dem Auftritt tausend Tode sterben – auch die erfahrenen. Meine Mama ist 80 Jahre, wenn sie Theaterpremiere hat, sitzt sie immer noch mit Bauchkrämpfen Backstage und denkt: »Warum habe ich nicht was Anständiges gelernt?«

Die Arbeit des Kreierens birgt eine Verletzlichkeit. Es ist dein Werk, das auf der Bühne direkt einer Bewertung unterliegt, in der du als Person immer mit drin bist. Und eine negative Bewertung fühlt sich schlecht an. Wenn alle Leute dein Werk scheiße finden, dann ist das krass. Die Arbeit kann man schwer messen, es sind viele Faktoren – auch psychische, inklusive Versagensängste.

Letzten Sommer habe ich mir drei Monate mehr oder weniger von Auftritten freigeschaufelt, um ein neues Programm zu schreiben. Natürlich habe ich nicht jeden Tag sechs Stunden geschrieben. Zu dieser Kreativität gehört auch rumzusinnlosen, zu prokrastinieren. Ich kann mich selbst nicht anschalten und sagen: »So, binnen vier Stunden schreibe ich eine halbe Stunde Comedy-Programm.« Das geht leider so nicht, weil viel Fantasie dazugehört.

Wie lange arbeiten Sie an einem Programm?

Theoretisch arbeite ich mit der Premiere des aktuellen Programms schon am nächsten. Man beginnt dann, wieder neues Material zu sammeln. Aber ich bin auch ein »Last-Minute-Cowboy«. Vieles kommt erst kurz vor knapp zusammen. Und doch: Wenn ich am 30. September Premiere habe, mache ich mir ab März wahnsinnigen Stress im Kopf und tue alles Private nur noch mit schlechtem Gewissen. Wenn man einen ersten Schwung neuen Materials hat, schreibt man eine Sieben-Minuten-Nummer, geht zu Open Mikes und probiert die aus. Von diesen sieben Minuten bleiben zwei übrig, die man für die Bühne nutzt. Dann schreibt man noch mal. Und irgendwann kommt die Deadline viel näher und dann sitze ich ca. sechs Wochen ganz intensiv dran. Aber das ist alles fließend, weil man immer wieder neue Ideen sammelt und sie immer wieder testet. Manchmal probiere ich auch im bestehenden Programm eine neue Nummer aus – als Zugabe oder einfach ins Programm eingeflochten, z. B. nach der Pause. Sie sehen, es ist schwer messbar.

Wenn man auf Ihren Terminkalender für dieses Jahr blickt, sind Sie das ganze Jahr mit Ihren Programmen »Hybrid« und »Pea(r)ce on Earth« unterwegs. Wie ist das für Sie? Erzählen Sie jeden Abend von Januar bis Dezember dieselben Witze? Oder verändern diese sich mit der Zeit?

Es wird im Dezember ein sehr anderes Programm sein als heute. Und eigentlich ist jeder Abend anders. Natürlich steht das Grundgerüst. Aber es ist kein auswendig gelernter Vortrag. Ich habe Stichpunkte, die ich durchgehe, und ich interagiere mit dem Publikum. Wenn ich zwei Vorstellungen am gleichen Tag spiele, sind diese nicht gleich. Im September hatte ich Premiere, seitdem hat sich so viel verändert. Es sind bestimmt sechs Nummernblöcke rausgeflogen. Wir reden von à Drei-Minuten-Blöcken. Das sind in der Summe fast 20 Minuten, die weg sind. Dafür ist anderes dazugekommen. Das passiert ungeplant. Man merkt mit der Zeit einfach, wo man kürzen muss und der Flow nicht ganz passt.

Thema Ihrer Comedy, vor allem auch Ihres ersten Programms »Allein unter Schwarzen«, ist Ihre Erfahrung als Schwarzer Mann in Bayern. Entsprechend ist Ihre Comedy sehr politisch. Ist Ihnen das ein besonderes Anliegen, mit Lachen einen politischen Moment zu verbinden?

Ich würde es auch ohne machen. Es liegt in der Natur der Sache, dass das immer eine Rolle in meinem Leben spielen wird. Viele absurde Situationen, die mir passieren, sind mit der Hautfarbe verbunden. Bei »Hybrid« ist die Hautfarbe kaum noch Thema, das ist universeller. Aber auch da gibt es ein, zwei Referenzen: Ich hatte mit rechter Gewalt zu tun und thematisiere, wie ich auch als Vater damit umgehe. Auf diese Art und Weise kann man schwerere Themenbereiche den Leuten nahebringen oder auch nur von seinen eigenen Erfahrungen erzählen. Und trotzdem können die Leute primär lachen, aber sie bekommen auch ein »Achtung, die Welt ist übrigens auch so« mit. Ich habe nicht den Anspruch, politisches Kabarett zu machen – überhaupt nicht. Es muss auch nicht gesellschaftskritisch sein. Aber meine Erfahrungen sind ein Teil von mir und fließen in meine Comedy-Shows ein. Möglichst unaufdringlich, so versuche ich es zumindest. Ich frage mich also nicht beim Schreiben des Programms, welche politischen Themen möchte ich reinbringen. Im Gegenteil. Das versuche ich rauszulassen. Aber irgendwie kommt es doch immer mit rein.

Wie hat sich Ihre Comedy seit Ihrem ersten Soloprogramm verändert? Sie erwähnten bereits, dass sich die Themen geändert haben – was noch?

Die Themen haben sich auf jeden Fall verändert. Das erste Programm »Allein unter Schwarzen« war ein Programm, das nur ich hätte spielen können. Im Fokus standen Simon als Kind und als Aufwachsender sowie Simon, der vom Land in die Stadt zieht. Bei »Hybrid« sind es vor allem Nummern, die sich um mein Vaterdasein und dieses hybride Alter 40 – man ist noch nicht alt, aber auch nicht mehr jung – drehen. Das könnte im Prinzip jeder zwischen 38 und 46 spielen. Zu Beginn hatte ich noch keine wirkliche Comedy-Erfahrung, nun weiß ich, wie man Comedy schreibt. Ich kann es zwar niemandem beibringen, aber für mich weiß ich, wie das geht. Heute mache ich mehr Stand-up, das heißt, früher waren die einzelnen Module meines Programms nicht austauschbar, da es eine chronologische Erzählung war. Bei »Hybrid« kann ich einfach mal eine Nummer aus dem ersten Teil weglassen, etwas Aktuelles reinbauen oder in den zweiten Teil verschieben. Die Dramaturgie ist eine andere, sie hat sich weiterentwickelt.

Welche Bedeutung kommt Unterhaltung, kommt Comedy Ihres Erachtens in der Gesellschaft zu?

Eine Riesenbedeutung – ohne meinen Berufsstand hochheben zu wollen. Comedy ist so wichtig. Dieses alte Hofnarrenbeispiel – man kann einfach mal nach oben treten oder den Leuten auf den Schlips treten. Und überhaupt sind Unterhaltung und Zerstreuung – ob es jetzt im Theater ist, ob es die hohe Klassik ist, ob es Comedy ist, ob es Clowns für Kinder sind – essenziell, um den Alltag zu bewältigen. Man braucht das einfach. Wenn die Menschen keine Unterhaltung mehr haben – unvorstellbar. Stellen Sie sich vor, es gibt kein Fernsehen mehr, es gibt keine Radios mehr und, es gibt keine Theater mehr, dann gäbe es uns auch nicht mehr.

Wie reagieren Sie, wenn andere Sparten der Kunst oder einzelne Akteure Comedy abwertend als leichte Unterhaltung abtun?

Das ist mir wurscht, weil ich weiß, dass es nicht so ist. Wenn die bessere Gesellschaft denkt, wir sind nur Clowns, dann bringt es auch nichts, zu versuchen, sie zu überzeugen, dass es nicht so ist. Jeder, der mal in einem Comedy-Programm war – egal, von wem, denn es gibt auch innerhalb der Comedy verschiedene Abgrenzungen und jeder und jede von uns hat eine Berechtigung, weil er/sie eigene Rezipienten hat – merkt, dass das Kunst ist, dass das wichtig ist.

Aber Comedy ist immer live am besten. Das ist tatsächlich auch ein großer Unterschied. Leute, die Comedy nur als Fünf-Minuten-Ausschnitte im Fernsehen kennen, kennen keine richtige Comedy. Comedy muss man live erleben. Es ist wie Theater. Ich kann mir die Aufzeichnung eines Theaterstücks bei Arte anschauen, aber die Atmosphäre kann man nicht einfangen. So ist es auch bei Comedy.

Vielen Dank.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 02/2023.