Das Deutsche Panzermuseum Munster (DPM) in der Lüneburger Heide zeigt als zentralen Sammlungsinhalt Exponate, die sich in den Augen vieler Menschen nicht als Objekte der Kulturförderung aufdrängen: Gewaltmaschinen und Tötungsinstrumente aus ca. 100 Jahren. Kulturbetrieb allgemein und Museumsbetrieb im Besonderen sind für die meisten Menschen mit schönen und/oder heiteren Themen konnotiert. Das ist auch gut so, aber die dunklen Seiten der Geschichte brauchen ebenfalls ihre Objektspeicher und Kompetenzzentren – lest we forget.

Die Praxis der Gewalt als eine dieser dunklen Seiten ist – zumindest bisher – eine Konstante der menschlichen Geschichte seit der Sesshaftwerdung. Sie hat viele Formen angenommen und sich vieler Instrumente bedient. Das DPM zeigt aus dieser breiten und langen Linie mit der Panzerei des 20. und 21. Jahrhunderts einen spezifischen Ausschnitt, und zwar als genau das: als eine Praxis der Gewalt. Zentrale Objekte sind natürlich die gepanzerten Fahrzeuge mit ihren technischen Eigenheiten, die erforscht, gesammelt und vermittelt werden. Aber die Erzählung des Museums geht weit darüber hinaus: Sie beleuchtet, wer diese Fahrzeuge warum und wie entwickelt, produziert, ver- und gekauft und eingesetzt hat, bzw. wie Menschen all diese Prozesse als Beteiligte oder als Opfer erlebt haben. Die Erzählung des Hauses ist also ausdrücklich multiperspektivisch: Sie vereint Technik- und Taktikgeschichte mit Wirtschafts- und Sozialgeschichte, mit Politik- und Kulturgeschichte, mit Mentalitäts- und Alltagsgeschichte. Großer Wert wird auf die Dekonstruktion von Mythen gelegt, die besonders im deutschsprachigen Raum durch das jahrzehntelange Fehlen einer akademisch-kritischen Militärgeschichte und befeuert durch den popkulturellen Appeal des Themas weitverbreitet sind. Die Tonalität der Ausstellung ist dabei um besondere Kühle und Sachlichkeit bemüht: Militärgeschichte gehört zu den Subgenres der allgemeinen Geschichte, die für besonders große emotionale Aufwallungen sorgen können, sei es in rein persönlicher Perspektive und/oder politisch konnotiert. Eine Ausstellung, die betont sine ira et studio ist, nimmt die Hitze aus den vielen Diskussionen, die im Haus glücklicherweise immer wieder entstehen.

Dies gelingt auch dadurch, dass das erkennbar wichtigste Querschnittsthema der Ausstellung die konkrete Gewalt selbst ist: Das Töten und Sterben, das Verwunden und Leiden begegnet den Besucherinnen und Besucher nicht in milden Dosen oder in abgeschirmten Bereichen, sondern durch die gesamte Ausstellung immer und immer wieder in Wort und Bild. Das DPM sieht es gemäß dem Zitat von Walter Benjamin an seiner Gebäudefront – »Wer aber den Frieden will, der rede vom Krieg« – als seine zentrale Aufgabe, die Gewalt, für die die Panzer gebaut wurden, ehrlich und schonungslos zu zeigen. Diese Zentrierung auf die Opfer der Maschinen ist wichtig für eine empathisch unterfütterte Erinnerungskultur. Nur wer neben technischen Höchstleistungen und historischen Kontexten auch diese Dimension des Panzers wahrgenommen hat, kann beginnen, wirklich umfassend über den Panzer als Gewaltmaschine und seine Rolle in Geschichte, Gegenwart und Zukunft nachzudenken und den Frieden dabei in den Mittelpunkt zu rücken.

All diese Arbeit versteht das zivil-militärische Team des Panzermuseums als einen Beitrag zur Stärkung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Das Panzermuseum gehört zu den Häusern, die Museumsarbeit als ausdrücklich politisch verstehen, und zögert nicht, meinungsstark an die Öffentlichkeit zu gehen, wenn gesellschaftlich Themen verhandelt werden, die einen Konnex zum Hausthema haben. Dies kann mit dem Blick auf Gegenwart und Zukunft bedeuten, dass das Panzermuseum sich in Debatten zu Waffenlieferungen in die Ukraine öffentlich zu Wort meldet, wenn Begrifflichkeiten in Medien und Politik willentlich oder aus Unkenntnis verschleiernd und verharmlosend benutzt werden, wie es mit dem Begriff der »Defensivwaffen« der Fall war.

Mit dem Blick auf die Vergangenheit war dies etwa der Fall, als das DPM öffentlich Stellung gegen politische Statements bezog, die die Wehrmacht und ihre Panzer von der mörderischen Zwangs- und Sklavenarbeit entkoppeln wollten, die zur Produktion genau dieser Fahrzeuge nötig waren.

Es ist diese immer wieder versuchte Entkoppelung von Panzern und Wehrmacht einerseits und dem Nationalsozialismus andererseits, die unsere spezifische, doch alltägliche erinnerungspolitische Aufgabe ist. Panzer in dieser Periode werden von vielen Menschen als eine Art »Wohlfühlrefugium der deutschen Militärgeschichte« betrachtet. »Ja, es gab Verbrechen, aber die Panzer hatten damit nichts zu tun; die waren ja immer vorne an der Front«, so eine gängige Rationalisierung, um den Panzern weiter unkritische Begeisterung entgegenbringen zu können. Das Panzermuseum bekämpft diese Entkoppelung bewusst und beschreibt dazu wiederholt und ausführlich, auf welch vielfältige Arten die Panzer untrennbar Teil der mörderischen Praktiken des Nationalsozialismus waren: Sie wurden zu einem großen Anteil mit Zwangs- und Sklavenarbeit gebaut; sie waren ein zentrales Mittel der deutschen Eroberungskriege im Allgemeinen und des Vernichtungskrieges im Besonderen; sie waren Werkzeuge für rassistische Kriegsverbrechen, und ihre Kampfkraft erzeugte mit der Front den Schleier, hinter dem die Genozide des Nationalsozialismus ausgeführt werden konnten.

Die seit 1. Februar 2023 neu eröffnete Dauerausstellung des Panzermuseums hat den Anspruch, all diese Ansätze zu verbinden, und die Eindrücke der letzten Monate bestätigen, dass dies gelungen ist. Nach viel Kritik im Vorfeld ist es in den Monaten seit der Eröffnung ruhiger geworden. Die Menschen lesen die Texttafeln intensiv, und sie kommen immer wieder in Diskussionen – miteinander, mit fremden Besucherinnen und Besuchern sowie mit uns.

Das Panzermuseum hat es geschafft, das zu werden, was andere Museen zumindest in Theorie immer sein wollen, aber in der Praxis oft nicht sind: ein Forum der Meinungen, ein Ort der Debatte und der kritischen Begegnung.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2023.