Beim Besuch des Nürnberger Spielzeugmuseums wird man seit einigen Jahren von einer ungewöhnlichen Szene empfangen: Spielpupen halten Schilder mit Fragen hoch wie »Wer stellt uns her?«, »Wer spielt mit uns?« und »Wer kauft uns?«. Ein genauer Blick offenbart, dass diese Puppen heute vielfältiger sind und gesellschaftliche Realitäten – zumindest im globalen Norden – besser widerspiegeln. Spielzeug ist ein Abbild kultureller Vielfalt oder eben deren Fehlen. Über Jahrzehnte hinweg waren Puppen fast ausschließlich weiß, blond und entsprachen einem eurozentrischen Frauenbild. Erst in den letzten Jahren setzte ein Wandel ein. Heute gibt es Puppen mit unterschiedlichen Hautfarben, körperlichen Merkmalen und kulturellen Hintergründen. Diese Entwicklung hin zu mehr Vielfalt resultiert nicht nur aus Marketingstrategien und der Anpassung an neue Käuferschichten, sondern ist auch ein Ergebnis politischer und gesellschaftlicher Debatten zu Themen wie Diversität und Inklusion.

 

Wer stellt uns her?

Spätestens die Frage »Wer stellt uns her – und unter welchen Bedingungen?« lenkt den Blick auf die globalen Lieferketten und wirft Fragen zu den Arbeitsbedingungen in der Spielzeugproduktion auf. Ein Großteil des Spielzeugs wird weiterhin in Fernost gefertigt – oft unter prekären Bedingungen. Besonders das Saisongeschäft Spielzeug, bei dem rund 40 Prozent des Jahresumsatzes zu Weihnachten erzielt werden, kann schwerwiegende Auswirkungen auf die meist weiblichen Arbeiterinnen in den Produktionsstätten haben. Überstunden, Sieben-Tage-Wochen und Schichten von bis zu 14 Stunden sind keine Seltenheit – und das bei nicht existenzsichernden Löhnen. Der jährlich veröffentlichte Toys Report der Romero Initiative (CIR) dokumentiert diese Missstände und stützt sich auf Berichte verdeckter Ermittler. Diese decken regelmäßig gravierende Probleme auf: fehlender Arbeitsschutz, mangelnde Schutzkleidung, unwürdige Unterbringung, gesundheitliche Belastungen oder fehlender Mutterschutz. Diese Arbeitsrechtsverletzungen wurden seitens der Zivilgesellschaft immer wieder angemahnt, und es wurde darauf hingewiesen, dass diese Produktionsbedingungen ganz im Gegensatz zu dem stehen, was Spielzeug bei Kindern bewirken soll – nämlich Freude und ein Lächeln.

 

Von der Konfrontation zur Kooperation

Um die Bedingungen in den globalen Lieferketten der Spielwarenproduktion zu verbessern, wurde 2020 die Fair Toys Organisation (FTO) als Multistakeholder-Initiative gegründet. Mitglieder aus der Spielwarenbranche, der Zivilgesellschaft und den Kommunen arbeiten hier gemeinsam an einem Ziel: der Förderung fairer Herstellungsbedingungen und der Übernahme sozialer und ökologischer Verantwortung durch Unternehmen. »Während andere Branchen wie etwa die Textilindustrie längst ein Siegel erfolgreich etabliert haben, ist es für die Spielwarenbranche, deren Produkte sich an die sensibelste Zielgruppe – nämlich Kinder – richten, höchste Zeit nachzuziehen«, betont Thomas Eichhorn, Vorstand der MGA Zapf Creation GmbH und ebenfalls Vorstandsmitglied der FTO. Hinzu kommt, dass es in der Spielwarenbranche häufig an Transparenz mangelt. Kunden wissen oft nicht, wo und unter welchen Bedingungen ein Spielzeug produziert wurde, und können nur schwer beurteilen, ob ein Unternehmen tatsächlich soziale und ökologische Verantwortung in seinen Lieferketten übernimmt.

 

Transparenz und Glaubwürdigkeit

Die FTO sieht in den Unternehmen der Spielwarenbranche den Schlüssel zur Verbesserung der Produktionsbedingungen. Als Dachinstanz bewertet und verifiziert sie die Strukturen und Verfahren ihrer Mitgliedsunternehmen in Bezug auf Sozial- und Umweltstandards. Das zentrale Werkzeug dafür ist der Fair Performance Check, mit dem alle Mitgliedsunternehmen jährlich überprüft werden. Die Grundlagen des Fair Performance Checks bilden, neben dem FTO-Kodex, unter anderem folgende nationale und internationale Rahmenwerke und Gesetze: die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), die VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, die OECD Due Diligence Guidance for Responsible Business Conduct sowie das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz.

Unternehmen, die die Kriterien der Überprüfung in hohem Maße erfüllen, erhalten das Fair-Toys-Siegel und dürfen es für circa ein Jahr auf ihren Produkten anbringen. Zusätzlich veröffentlicht die FTO in einem öffentlichen Ergebnisbericht detaillierte Informationen über das soziale und ökologische Engagement jedes geprüften Unternehmens – unabhängig von der erreichten Punktzahl. Mit aktuell rund 30 Mitgliedern strebt die FTO ein kontinuierliches und nachhaltiges Wachstum an. Ende des Jahres 2023 wurden die ersten Unternehmenssiegel vergeben, so dass Verbraucherinnen und Verbraucher nun erkennen können, unter welchen Bedingungen das gekaufte Spielzeug hergestellt wurde.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 2/2025.