Es wird viel geklagt darüber, dass der Gesellschaft hier in Deutschland der naturwissenschaftliche Nachwuchs fehlt. Schließlich ist er einer der Erfolgsgaranten Deutschlands. In wirtschaftlicher Hinsicht, um mitzuhalten mit Asien und den USA; vor allem aber auch, um die großen Probleme der Zukunft zu lösen. Hierzulande leben wir von Kreativität und Innovationen. Sie sind unsere eigentliche Ressource. Sie stärken unseren Wirtschaftsstandort wie kaum etwas anderes. Das heißt doch: Man kann nicht früh genug damit anfangen, Kinder für die Naturwissenschaften zu begeistern, Schwellenängste zu überwinden und den Einstieg zu erleichtern. Denn oft gelten die naturwissenschaftlichen Themen als kompliziert, lernintensiv und verschult. Dass das nicht so sein muss, zeigen die Experimentierkästen. Sie führen Kinder und Jugendliche altersgerecht und spielerisch an Naturwissenschaften und neue Technologien heran. Sie wecken verborgene Interessen und Anlagen, lassen die Kinder erste Erfolge erleben und vermitteln ihnen das belohnende Gefühl, etwas bewirkt zu haben. Was ist besser als eine intrinsische Motivation? Manchmal setzen die Experimentierkästen sogar den Impuls für eine spätere Berufswahl. Es gibt nicht wenige Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftler, die berichten, dass sie mit einem Kosmos Experimentierkasten angefangen haben. Zu ihnen zählen zum Beispiel Manfred Eigen oder Walter Bruch, Erfinder des PAL-Fernsehsystems, die beide mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurden.

Dabei geht es inzwischen nicht nur um die klassischen Themen wie Elektronik, Chemie oder Physik. Wissenschaftliche Zukunftsfelder sind beispielsweise Künstliche Intelligenz oder erneuerbare Energien. Denn nur, wer sich ändert, bleibt sich treu. Die Idee des Experimentierkastens war es immer, zeitgemäße naturwissenschaftliche Themen breit und verständlich zu vermitteln.

Das war auch vor 100 Jahren so, als der Experimentierkasten bei Kosmos erfunden wurde. 1922 wendete sich der Schweizer Lehrer Wilhelm Fröhlich an den Kosmos Verlag. Er hatte sich die Frage gestellt, wie Kinder am besten lernen. Durch Erfahren und Erleben intensiver als durch Anlesen, das ist seine Antwort. Nun möchte Fröhlich das nicht nur in seinem eigenen Unterricht umsetzen, sondern zusammen mit dem Kosmos Verlag noch mehr Kindern und Jugendlichen zugänglich machen. Innovativer Unterricht und innovativer »Nachmittagsmarkt« (also nach der Schule) sollen Hand in Hand gehen. Aus diesem Dialog entwickelt sich eine mehr als 40 Jahre dauernde Zusammenarbeit, aus der zahlreiche Experimentierkästen hervorgehen – darunter die legendären Titel »All-Chemist«, »Technikus«, »Optikus«, »Elektromann«, »Photomann« und »Radiomann«. Die Experimentierkästen beinhalten Bauteile sowie verlässliche und verständliche Anleitungen und eröffnen damit völlig neue Möglichkeiten zum Entdecken und Ausprobieren. Nur wenige Jahre nach der Markteinführung wurden die Experimentierkästen in die ganze Welt exportiert und anlässlich der Weltausstellung 1937 in Paris sogar mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Apropos Radio- und Elektromann: Die Namen der Experimentierkästen erzählen viel über den damaligen Zeitgeist. Naturwissenschaften waren ein Jungensthema. Zum Glück hat sich das längst geändert. Schon lange sprechen die Kosmos Experimentierkästen sowohl in Namensgebung als auch in Aufmachung und Anleitung alle Geschlechter an. Immer noch sind Frauen bei den Naturwissenschaften unterrepräsentiert. Dass Mädchen genauso Spaß an MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik)-Themen haben wie die Jungen, beweisen die Kosmos Experimentierkästen.

Die Bandbreite an Themen ist dabei enorm und ständig im Wachstum. Bei der Entwicklung seiner Experimentierkästen greift Kosmos relevante wissenschaftliche Themen auf. Bis heute lassen sich anhand der Modelle die wichtigsten und prägendsten Zukunftstechnologien ablesen: So entstanden zum Beispiel Sets zur Faszination Radio in den 1940er Jahren, zu den ersten Spielecomputern in den 1970ern und zur Solarenergie in den 1990ern. Im digital geprägten 21. Jahrhundert gehören Programmierkenntnisse zu den Grundlagen der Medienkompetenz, daher brachte Kosmos mit »KosmoBits« den ersten Experimentierkasten rund um das Thema Programmierenlernen auf den Markt. Im hundertjährigen Jubiläumsjahr 2022 stellte der Verlag mit »Miika K.I.« ein besonderes Highlight vor: Einen Roboter, der dank künstlicher Intelligenz allein durch Gesten oder Audiobefehle gesteuert werden kann.

Auf der einen Seite gibt es diese »High-end«-Produkte. Auf der anderen Seite des Angebots bieten niederschwellige Einstiegsartikel wie die einfachen sogenannten Mitbring-Experimente bis hin zu den kleinen Ausgrabungssets einen ersten leichten und spielerischen Impuls in die Welt der Naturwissenschaften und Technologie.

Auch die Darbietungsform der Anleitung hat sich verändert: Anstelle von schwer zu lesenden Bleiwüsten animiert heute ein an Zeitschriften und Sachbücher erinnerndes Bild- und Textlayout zum Experimentieren. Teilweise werden auch Comic-Geschichten eingebunden, um einen noch einfacheren Einstieg in Themenwelten zu ermöglichen. Auch die Cover wurden immer zugänglicher wie das Konzept der Didaktik insgesamt. Schließlich leben die Kinder von heute in einem vollkommen anderen Umfeld.

Große Herausforderungen in der Entwicklung von Experimentierkästen ergeben sich aktuell aus den stetig wachsenden Normen und Richtlinien für Spielwarenprodukte, die die Besonderheiten der Experimentierkästen in ihrem breiten Blick nur wenig berücksichtigen können. So schränken manche an anderer Stelle durchaus sinnvolle Anforderungen an die Produktsicherheit den Spielraum für die Experimentierkästen ein. So wird die Entwicklung eines Experimentierkastens immer mehr zu einer Gratwanderung zwischen allgemeinen Spielzeugvorschriften und der Attraktivität des einzelnen Experimentierkastens. Es ist auch ein politisches Interesse, dass wir unseren Kindern weiterhin einen spannenden Zugang in die Welt der Naturwissenschaften ermöglichen und so den Nachwuchs fördern. Denn nie zuvor waren die Herausforderungen an Mensch und Gesellschaft so groß wie heute. Umso wichtiger ist die Rolle der Experimentierkästen in ihrer Funktion als Samenkorn für die Innovation und Kreativität zukünftiger Generationen.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 2/2025.