Eine der größten Stärken des Spielens ist zugleich eine seiner größten Schwächen: Spielen macht Spaß, ist kurzweilig und bereitet Freude. Es fällt niemandem schwer sich an glückliche Kindheitsmomente zurückzuerinnern, in denen man mit großer Begeisterung einer Spieltätigkeit nachging. In den Köpfen vieler Erwachsener ist aber das das Problem: Wie kann etwas, das so viel Spaß macht, gleichzeitig etwas Ernstes und Wichtiges sein? Für sie ist das Spielen ein schöner, aber eben oft nur ein Zeitvertreib. Für Kinder ist es der Moment, die Welt zu begreifen. In der ernsten Welt der Erwachsenen ist Spielen daher meist verdrängt in Randbereiche des Freizeit- und Familienlebens. In den Sphären der Schule oder Arbeit beispielsweise spielt es hingegen kaum eine Rolle.
Genau hier liegt die Fehleinschätzung in der Wahrnehmung und der kulturellen, ökonomischen und damit auch politischen Bewertung des Spielens. Spielen ist allem voran zentraler Motor des Lernens und der menschlichen Entwicklung. Es ist der Dialog mit der Welt.
Bereits im ersten Lebensjahr beginnt das explorierende Spielen, bei dem Kinder die Welt um sich herum, aber auch sich selbst und die eigenen Fähigkeiten kennenlernen. Es folgen weitere Spielformen wie das Fantasie- und Rollenspiel, das Konstruktionsspiel und nicht zuletzt die Regelspiele, zu denen auch Brett- und Gesellschaftsspiele sowie Sportspiele gehören.
In jeder dieser Spielformen gibt es zentrale Entwicklungs- und Lernmomente, wie beispielsweise das Erlernen sozialer Interaktionen im Rollenspiel oder das Üben von strategischem Denken, Ehrgeiz und Frustrationstoleranz im Regelspiel. Dieses vielseitige spielerische Lernen reicht weit über die Kindheit hinaus. Jugendliche und Erwachsene können ebenso von diesen positiven Effekten des Spielens profitieren. Dies wird beispielsweise am aktuellen Trend der Gamification deutlich. Gamification bedeutet, spielerische Momente in nicht spielerische Kontexte zu übertragen. So kann im Berufsleben durch eine spielerische Herangehensweise für mehr Motivation gesorgt werden. Selbst im hohen Alter kann das Spielen dabei helfen, körperlich und geistig fit zu bleiben. Immer häufiger werden zu diesem Zweck spielpädagogische Fördermaßnahmen in Altenheimen angeboten, z. B. zur Demenzprävention.
In diesen Entwicklungen zeigen sich vielleicht erste Anzeichen eines gesellschaftlichen Umdenkens in der Bewertung des Spielens. Immer häufiger fällt in diesem Zusammenhang der Begriff Kidults, um Erwachsene zu beschreiben, die vermeintlich kindlichen Tätigkeiten wie dem Spielen nachgehen. Auf der Spielwarenmesse 2025 wird es sogar einen eigenen Bereich unter dem Titel »Toys for Kidults« geben, in dem Spielzeuge präsentiert werden, die sich gezielt an Erwachsene richten. Und doch wird das Spielen auch im Begriff Kidult weiterhin als eine kindliche Tätigkeit aufgefasst, die außerhalb des Lebensernstes der Erwachsenenwelt steht. Der niederländische Kulturhistoriker Johan Huizinga hat bereits 1938 in seinem Buch »Homo ludens« über den spielenden Menschen, entgegengehalten, dass Spielen und Ernst sich nicht gegenseitig ausschließen. Im Gegenteil. Für ihn sind beide untrennbar miteinander verbunden. Denn Spielen kann mit größtem Ernst angegangen werden. Man betrachte allein Kinder, die so stolz das Ergebnis ihres Lego-Bauprojekts präsentieren, als wäre es das Endresultat einer langwierigen Ingenieurs- oder Architektentätigkeit. Umso verständlicher ist die tiefe Enttäuschung der Kinder, wenn Eltern nicht angemessen deren Bauleistung wertschätzen oder andere Tätigkeiten wie Essen, Schularbeiten oder Schlafengehen für wichtiger als ihre Spieltätigkeiten halten.
Huizinga sieht aber nicht nur Ernst im Spielen, auch umgekehrt ist für ihn Spielen fester Bestandteil des ernsten Lebens der Erwachsenen. Er geht sogar so weit zu behaupten, dass menschliche Kultur dem Spielen entspringt und ohne das Spielerische nicht denkbar wäre.
Schillers häufig zitierter Satz aus dem Jahre 1795, »Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt«, kann auch in diesem Verständnis gelesen werden. Wenn wir genau hinsehen, können wir beispielsweise soziale Interaktionen erlernen, Demokratieverständnis mit Kompromissbereitschaft und Empathie entwickeln, für das berufliche Handeln variabler denken. Im kreativen Schaffen und selbst im religiösen Leben sind spielerische Momente zu entdecken, die sich dann bis hin zum Ritual entwickeln können. Ohne, dass es uns bewusst wäre, zieht sich das Spielerische wie ein roter Faden durch unseren Alltag, hält Familien, soziale Gruppen und ganze Gesellschaften zusammen und bringt kulturellen Wandel hervor. Der Wert des Spielens geht also weit über den Stellenwert als netter, kindlicher Zeitvertreib hinaus.
Spielzeugen und Spielen kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu. Bereits Friedrich Fröbel, im Jahr 1826 Erfinder des Kindergartens, war sich nicht nur des Wertes des Spielens für die Bildung des Menschen bewusst, er erkannte auch die besondere Bedeutung der Spielzeuge. Spielzeuge und Spiele bilden die Brücke zwischen dem Individuum auf der einen Seite und der Welt auf der anderen Seite, die das Kind zu erkunden und in die es hineinzuwachsen hat. Nicht zufällig sind Spielzeuge und Spiele daher ein Spiegel der Gesellschaft. Technische Innovationen wie Autos, Roboter oder Smartphones finden sich innerhalb kurzer Zeit als Spielzeugvarianten wieder, ebenso wie sich gesellschaftliche Diskurse auf die Spielzeuglandschaft auswirken. Mit der Friedensbewegung kamen beispielsweise kritische Diskussionen über Kriegsspielzeug auf, und mit den aktuellen gesellschaftlichen Debatten um das Thema Diversität gehen Überlegungen zur Notwendigkeit und Gestaltung eines vielseitigen und inklusiven Spielwarenangebots einher. Entlang von Spielzeugen können Zeitreisen in unterschiedliche historische Epochen unternommen werden, und das aktuelle Spielwarenangebot verrät uns viel über die Gesellschaft, in der wir leben. Spielzeug ist immer auch politisch. Am wichtigsten ist allerdings, wie (gutes) Spielzeug uns auf die Zukunft vorbereiten kann, in dem es Bildungsräume eröffnet und den Erwerb von Kompetenzen ermöglichen kann, und das nicht nur für das Kindesalter.
Um den hier angedeuteten Wert des Spielens und des Spielzeugs für Individuum und Gesellschaft genauer verstehen und bemessen zu können, muss genau hingesehen werden. Dieses genaue Hinsehen, Beschreiben und Erklären fällt allen voran der Wissenschaft als Aufgabe zu. Doch die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Spielen und mit Spielzeug spiegelt das bereits geschilderte Verhältnis von Erwachsenen zum Spielen meist wider.
Unterhaltsam, bestenfalls interessant, aber von keiner zentralen Relevanz ließe sich die gängige Einschätzung wohl am besten auf den Punkt bringen. Forschungsarbeiten zu den Themen Spielen und Spielzeug finden sich punktuell in unterschiedlichen Disziplinen wieder und reichen historisch weit zurück. Zudem handelt es sich um ein internationales Forschungsfeld, das sich nicht auf ein zentrales Land festlegen lässt. Dabei sind eine Reihe bedeutender Studien und Theorien entstanden, die unsere Sichtweise auf das Spielen und dessen Wert nachhaltig verändert und geprägt haben. Und dennoch ist all diesen Forschungsbemühungen gemein, dass sie sich vorwiegend in Randgebieten des Forschungsbetriebs bewegen. Sei es bei der Forschungsförderung, bei der Einführung spezifischer Studienprogramme oder der Einrichtung von Forschungsinstituten. Bis heute kann nur schwerlich von einer kohärenten Spielwissenschaft bzw. von ›der‹ Spiel- oder Spielzeugforschung die Rede sein. Dies liegt nicht am Mangel an Begeisterung und Einsatz der Forschenden auf diesem Gebiet, sondern an einem strukturellen Problem in der Wertzuschreibung des Spielens. Denn auch in der Wissenschaft gilt mit Blick auf das Spielen leider noch viel zu oft: Wie kann etwas, das so viel Spaß macht, gleichzeitig etwas Ernstes und Wichtiges sein!
In Deutschland haben sich 2024 über 50 engagierte Spielforscherinnen und Spielforscher aus über 30 Universitäten und Hochschulen zusammengetan, um das Bewusstsein für eine eigene Disziplin zu entwickeln und zu schärfen; eine Gesellschaft für Spielwissenschaften soll 2025 gegründet werden, in denen die analogen Grundlagen ebenso wie auch die digitalen Games zum Gegenstand werden. Politisch wäre zu wünschen, dass eine nächste Bundesregierung ein Bundesinstitut für Spielwissenschaften, ähnlich dem für die Sportwissenschaft, gründet, um darüber gezielt dieses wichtige Zukunftsthema für unseren gesellschaftlichen Fortschritt fördern zu können.