Der Kosmos Elektromann war mein größter Wunsch. Weihnachten 1973, ich war 12 Jahre alt, wurde mein Wunsch Wirklichkeit. Man konnte mit diesem Experimentierkasten sogar einen 3-T-Anker für einen Elektromotor selbst wickeln. 1930 ist der erste Elektromann erschienen und mein damaliges Weihnachtsgeschenk war schon die 19. Auflage dieses wunderbaren Spielzeugs, das Generationen von Jugendlichen verzauberte.
Wer kann sich nicht an sein Lieblingsspielzeug erinnern, einen Teddy, ohne den an Einschlafen nicht zu denken war; an ein Spiel, bei dem mit Geschwistern, Freundinnen oder Freunden gewetteifert wurde; an eine Spielzeugeisenbahn, einen Puppenwagen oder andere Lieblingsspielzeuge. Und natürlich an die Phase des Lebens, in der der Teddy in der Ecke verstaubte, Spielzeug aus dem Zimmer verbannt wurde und gemeinsame Spieleabende in der Familie das Letzte waren, was lockte. Abschied aus der Kindheit ist oft auch ein erster Abschied vom Spielzeug.
Wer sich mit Fluchtgeschichten befasst, stellt fest, wie wichtig ein Spielzeug sein kann, wie sehr es die Heimat oder gerade den Verlust der Heimat symbolisiert. Judith Kerr erzählt im Buch »Als Hitler das rosa Kaninchen stahl« die Flucht ihrer Familie aus Nazi-Deutschland, ein wichtiger Ankerpunkt ist ein Spielzeug, das zurückgelassen werden musste. In der großartigen Ausstellung über Flucht und Vertreibung in der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung sind Bilder zu sehen und von Geschichten zu lesen, welche Bedeutung das Kuscheltier für Kinder und spätere Erwachsenen zur Bewältigung und Erinnerung an die Flucht hat. Matthias Brandt erzählt in seinem wunderbaren Erzählungsband »Raumpatrouille« von Besuchen bei »Spielzeug König« in Bonn, seiner Faszination für Raumfahrt in den 1960er Jahren, dem entsprechenden Spielzeug und dass der Frotteeschlafanzug doch sehr viel Ähnlichkeit mit Raumanzügen aufwies. Ganz anders setzten sich die Autoren der Romantik mit künstlichen Menschen, Puppen oder auch den Automaten auseinander. Sie übten eine große Faszination aus, hatten aber stets auch etwas Unheimliches, Bedrohliches. Ein Meisterwerk dieser Werkkategorie ist für mich nach wie vor E. T. A. Hoffmanns Novelle »Der Sandmann«.
Aus der Bildenden Kunst sind Genrebilder spätestens ab der Mitte des 17. Jahrhunderts bekannt, auf denen Spielzeug – auch zur Inszenierung bürgerlichen Lebens – dargestellt ist. Viele weitere Beispiele aus anderen Kunstgattungen ließen sich anführen. Die jüngste Auseinandersetzung mit einem geliebten und gehassten Spielzeug, der Barbie-Puppe, war der Film »Barbie« von Greta Gerwig, in dem sich im Genre der Komödie mit Geschlechterklischees im Spielzeug auseinandergesetzt wurde.
Mich haben, wie gesagt, schon als Kind Experimentierkästen begeistert, und diese Leidenschaft hält bis heute an. Es zieht mich in den Bann, in einem Chemielabor chemische Reaktionen im Kleinen zu erkunden, ein Radio oder einen Computer zu basteln. Bedauerlich für mich persönlich ist allerdings, dass die modernen Experimentierkästen längst nicht mehr so gefährlich sind wie die aus meiner Kindheit und Jugend, bei denen es noch ordentlich stank und explodierte. Man musste aufpassen, aber die Experimente waren oft spektakulär. Heute muss alles sicher sein, es darf keine Gefahr von Spielzeug ausgehen.
Das Aufkommen von Experimentierkästen vor rund 100 Jahren stand in engem Zusammenhang mit der Expansion von Naturwissenschaften und dem Bedarf an jungen Menschen – seinerzeit wurde hauptsächlich an Jungen gedacht – für technische und naturwissenschaftliche Berufe. Dies nicht nur mit Blick auf die akademische Ausbildung von Ingenieuren an Technischen Hochschulen und Universitäten, sondern auch hinsichtlich Laboranten und Technikern, die im nicht-akademischen Bereich gebraucht wurden und weiterhin werden.
Die weniger harmlose Seite von Spielzeug wird am Kriegsspielzeug offenbar. Es diente über lange Zeit dazu, den Krieg permanent präsent zu halten und Jungen im Spiel mit dem Krieg vertraut zu machen. Nachdem eine Zeit lang das Kriegsspielzeug eher anrüchig war, ist aktuell wieder ein Aufschwung zu verzeichnen. Vielleicht auch dies ein Zeichen der viel beschworenen »Zeitenwende«. Was für Jungen das Kriegsspielzeug, war und ist für Mädchen die Puppe, der Puppenwagen, die Puppenküche und weiteres Spielzeug, das vor allem mit Haushalt und Sorgearbeit zu tun hat. Mädchen sollten so auf die Rolle als Hausfrau und Mutter vorbereitet werden.
Die Beispiele Kriegsspielzeug und Puppen veranschaulichen, wie sehr damit Stereotypen fortgesetzt werden, welche gesellschaftliche Relevanz sie haben und welche große Kontinuität Spielzeug und Spielzeugherstellung aufweisen. Selbstverständlich ändern sich die Anmutung und die Materialien, die Moden und Vorlieben. Natürlich warten die Spielzeughersteller jährlich zur Spielzeugmesse in Nürnberg mit Neuheiten und Innovationen auf, gleichwohl bestehen Kontinuitäten und Traditionen.
Letzteres gilt auch für die Unternehmen. Viele deutsche Spielzeughersteller sind mittelständische Unternehmen, ein beträchtlicher Teil davon sind Familienbetriebe, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Auch regional gibt es in Deutschland einen deutlich südlichen Schwerpunkt in der Spielzeugherstellung. Viele Firmen sind in Baden-Württemberg, Bayern und Thüringen ansässig. Die Spielzeugmuseen in Nürnberg (Bayern) und Sonneberg (Thüringen) zeugen von dieser Tradition. Sonneberg war die Spielzeugstadt in der DDR und konnte diese Position nur deshalb einnehmen, weil es bereits zuvor eine starke Spielzeugindustrie gab. Die thüringische Spielzeugindustrie zeigt auch die Abbrüche durch die Enteignung von Firmen in der DDR, die Zusammenbrüche von Industrie nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten, aber auch die Aufbrüche von Firmen, die rückübertragen wurden und nun in der Hand der nächsten Generationen sind.
Spielzeug ist eben nicht nur zum Spielen da. Spielzeug ist eine Ware, die hergestellt, gehandelt und verkauft wird. Spielzeughersteller müssen sich in einem eng umkämpften Markt behaupten. Die tatsächliche Herstellung findet zumeist in Asien statt, weshalb Themen wie die Einhaltung von Menschenrechten, das Lieferkettengesetz, der Umgang mit gefährlichen Materialien und anderes mehr für die Spielzeugindustrie, den Handel, aber auch die Verbraucher von großer Bedeutung sind.
Entworfen und entwickelt wird Spielzeug von Designerinnen und Designern. Damit ist dieser Bereich der Spielzeugindustrie ein Kulturarbeitsmarktsegment und so eng mit dem Kulturbereich verbunden. Dies zeigt, dass Spielzeug in der Kulturwelt mehr als ein Motiv ist.
Im Gespräch mit Ulrich Brobeil, dem Geschäftsführer des Deutschen Verbandes der Spielwarenindustrie, ist die Idee für diesen Schwerpunkt entstanden. Ich danke ihm sehr herzlich für die Gespräche und die Unterstützung bei der Planung der Beiträge und das gemeinsame Eintauchen in die Welt des Spielzeugs.
Jetzt zocke ich noch einige Runden des legendären Bubble Bobble auf meinem alten Commodore 64, zum Spielen ist man nie zu alt.