Lasst uns spielen – mit allen Sinnen, so lautet das Motto des Internationalen Spieltages 2025. Ein Appell, den der Deutsche Verband der Spielwarenindustrie e. V., kurz DVSI, in seinem Positionspapier Value of Play fest verankert hat. Denn Spielen gehört zu den wichtigsten Kulturtechniken der Menschheit.
Die Gelegenheit, in dieser Publikation mit einem Schwerpunktthema auf die Bedeutung des Spielens aufmerksam zu machen, möchten wir nutzen, um den Wert des Spielens in all seinen Facetten darzustellen und zu unterstreichen. Spielen ist nicht nur Teil der Kultur, sondern schafft auch Kultur.
Das zeigt ein Blick in die Geschichte der menschlichen Kultur. Sie ist immer auch eine Geschichte der Spielwaren. Einst dem Adel und Großbürgertum vorbehalten galten Spielwaren als Repräsentationsfunktion und Mittel, Kinder zu einem standesgemäßen Verhalten hinzuführen. Mit der industriellen Revolution wurden sie in Serie hergestellt und damit Allgemeingut. Die Grundmuster kindlichen Spielverhaltens sind nahezu unverändert geblieben, aber sich ändernde Erziehungsideale, Zeitgeisteinflüsse sowie neue Materialien und Herstellungsformen beeinflussen die Produktion von Spielwaren und die Entwicklung der Spielwarenbranche bis heute.
Deutschland erreichte bei Design, Herstellung und Vertrieb von Spielwaren frühzeitig eine Vormachtstellung in Europa. Nürnberg wurde zum Zentrum der Spielwarenindustrie. Erst mit den Jahren entwickelte sich in anderen Ländern ein vergleichbarer Markt. Ökonomisch zählt die deutsche Spielwarenindustrie heute zwar nicht zu den Schlüsselindustrien, aber Spielwaren »Made in Germany« sind weltweit begehrt. Sie stehen nicht nur für Spaß und Unterhaltung, sondern für herausragende Qualität, einen hohen Bildungswert und exzellente Sicherheits- und Sozialstandards.
Mit 606 mittelständischen Unternehmen und zirka 10.000 Beschäftigen, die für zirka 3,79 Milliarden Euro Spielwaren exportieren, stellen deutsche Spielwarenhersteller einen wichtigen Wirtschaftsfaktor dar. Kaum eine andere Branche ist so vielfältig und adressiert Menschen jeden Alters. Rund 2.500 Spielwareneinzelhändler garantieren eine bundesweite Nahversorgung. Der Umsatz der Spielwarenbranche in Deutschland lag 2024 bei rund 4,4 Milliarden Euro.
Höher zu bewerten als volks- und betriebswirtschaftliche Kennziffern ist jedoch der immaterielle Mehrwert, den Spielwaren zu einer funktionierenden Gesellschaft beitragen. Das zeigte sich in der Pandemie, als Spielwaren und Spiele einen Nachfrage-Boom erlebten. In der Pandemie verspielten wir uns die Zeit – und haben viele Learnings erfahren. Lange vor den Coronajahren genossen Kinder-, Gesellschafts- und Familienspiele sowie die so genannten German Board Games bereits Weltruf. Dank renommierter Spieleverlage, bekannter Spielemarken und namhafter Spieledesigner sowie Veranstaltungen wie der SPIEL in Essen, einer der größten Spielemessen der Welt, bleibt die Tradition der Entwicklung innovativer und spannender Brettspiele lebendig.
Aber auch Experimentieren und Forschen sind zentrale Elemente beim Spielen. Als Folge des PISA-Schocks wurde ein Fokus auf naturwissenschaftliche Bildung gelegt. Spielwaren, die Lernen und Entdecken vermitteln, machen MINT-Fächer für Kinder, vor allem auch für Mädchen, zugänglicher und spannender. Die Welt von morgen gestalten heißt: Innovationskraft gezielt fördern.
Gerade im schulischen Bildungsangebot bekommt das Spielen als wichtiger und grundlegender Lernantrieb jedoch zu wenig Aufmerksamkeit. Der DVSI wünscht sich mehr Unterstützung bei der Schaffung von Spielexpertise für Pädagogen. Ziel wäre es, Lehrkräfte dahingehend zu qualifizieren, spielerische Elemente gezielt in den Unterricht zu integrieren. Das beginnt bereits bei der Ausbildung der Lehrkräfte. Spielwaren-Knowhow in der Pädagogik sollte einen hohen Stellenwert haben.
Auch Integration beginnt beim Spielen. Deutschland ist heute ein Einwanderungsland. 2023 hatten rund 30 Prozent der Bevölkerung einen Migrationshintergrund. In einer multikulturellen Gesellschaft wirken Spielwaren als verbindendes Element. Die Vielfalt, die in Spielwaren abgebildet wird, spiegelt die Lebenswirklichkeiten der unterschiedlichen Kulturen. Gemeinsam spielen eröffnet einen Dialog und fördert gegenseitiges Verstehen und Wertschätzen. Die bunte Welt im Kinderzimmer ist vorurteilsfrei. Inklusive Spielwaren spiegeln die Vielfalt der realen Welt wider und fördern frühzeitig Akzeptanz, Toleranz und gegenseitiges Verständnis.
Wir sind uns als Branche unserer besonderen Verantwortung bewusst. Die herstellenden Unternehmen sorgen mit bemerkenswerter Innovationskraft dafür, dass möglichst allen Kindern gutes Spielzeug zur Verfügung steht. Bereits im Jahr 2016 hat beispielsweise die Lego Gruppe die 21st Century Skills wie folgt definiert: Die Komplexität unserer Welt nimmt stetig zu. Daraus resultiert, dass Kinder in der Zukunft vor Herausforderungen stehen werden, von denen wir jetzt noch nicht wissen, wie sie aussehen. Um diesen Challenges zu begegnen, bedarf es Kreativität, Lösungs- und Kommunikationskompetenz sowie Teamfähigkeit und Empathie.
Kindern verleiht Spielzeug eine Superkraft, sie wirkt über Generationen hinweg. Es ist die Vielfalt der Produktkategorien, die jedes Kind genau da abholt, wo es Bedürfnisse hat. Die Spielwarenbranche ist bunt und sorgt für den Dialog unter den Kulturen.
Nichts wirkt integrativer als Spielware. Auch wenn in einer Gruppe kein Kind die Sprache des anderen spricht – ein Ball wird haptisch verstanden. Ebenso ein Teddy, eine Puppe, eine Spielzeugeisenbahn. Playmobil Figuren wecken den Spieltrieb überall auf der Welt. Ein passionierter Sammler gewährt in seinem Beitrag spannende Einblicke. Und so hat jeder der Autorinnen und Autoren seinen persönlichen Bezug zur Spielware und ermöglicht aus dieser Perspektive Einblicke in einen faszinierenden Mikrokosmos im Makrokosmos.
Ein kleiner Vorgeschmack auf die Inhalte des folgenden Schwerpunkts soll Lust machen, mehr über die schönsten und wichtigsten Produkte der Welt zu erfahren – und über die Menschen und Unternehmen, die hinter diesen Produkten stehen.
Von der Theorie in die Praxis
Wenn wir spielen, drücken wir die Schulbank fürs Leben – auch in reiferen Jahren. Als »Kidults« gewinnen wir Erkenntnisse über uns selbst – oder nehmen eine Auszeit vom Alltag. Vielleicht sind wir designverliebt und fasziniert von schönen Spielobjekten. Vielleicht sind wir TIPP-KICK-Fans – ein Spiel, das seit über 100 Jahren auf dem Markt ist. Und das nichts von seiner Faszination verloren hat.
Apropos Faszination: Kommen wir zur Modellbahn. Als Spielzeug, Zeitzeuge, Kultobjekt und Sammlerartikel verbindet sie Familien und Generationen. Lukas der Lokomotivführer beweist Zugkraft in diesem Segment und belegt, dass die Bedeutung von Lizenzen für die Spielwarenbranche erheblich ist. Und galt die Modellbahn lange Zeit als das Weihnachtsgeschenk schlechthin, so hat sie längst den Sprung zum Ganzjahresartikel geschafft. Nicht zuletzt dank der medialen Aufmerksamkeit, die ihr zuteilwird. Saisonware war gestern – die Aufmerksamkeitskurve der Spielwarenbranche in den Medien ist heute gleichbleibend hoch. Auch dank der Messen, die als Motor für die Gesamtbranche wirken. Allen voran die Spielwarenmesse in Nürnberg. Sie gibt alljährlich wichtige Inspiration für Trends und ist internationaler Branchentreffpunkt der großen Spielwarenfamilie.
Ich habe es eingangs erwähnt: Wenn wir spielen, drücken wir die Schulbank fürs Leben. Lehrkräfte suchen nach Produkten, die Technik oder physikalische Zusammenhänge begreifbar machen, die komplexe Vorgänge anschaulicher erklären als sie es je könnten. Ein Experimentierkasten sorgt für lebendigen Unterricht. Spielzeug als »Transportmittel« für eine lebendige Pädagogik wird in Deutschland unterschätzt. Wir tendieren dazu, Spielen und Lernen miteinander zu kontrastieren und im Spielen eine reine Freizeitbeschäftigung zu sehen. Vielleicht wird gerade in Schulen der Grundstein dafür gelegt, die Zukunft des Spielens mitzugestalten? Eine Ausbildung in der Spielwarenbranche am Beispiel des Spielzeugherstellers hat wieder Zukunft.
Lassen Sie mich zusammenfassen: Wir haben Kindern und dem Spielen viele »Feiertage« gewidmet. Den Internationalen Spieltag oder den Weltkindertag, der im September 2024 zum 70. Mal gefeiert wurde. Für die Unternehmen der Spielwarenbranche ist jeder Tag ein Kindertag.
Die Gelegenheit zur Vorstellung unserer Branche in der Zeitung Politik & Kultur sehe ich als wichtigen Schritt für unsere Branche, stärker wahrgenommen zu werden. In Politik, Gesellschaft und als Kulturgut.