Stellen Sie sich vor, Sie betreten einen Spielzeugladen mit Ihrem Kind und möchten ein Geschenk aussuchen, das Kreativität und Fantasie fördert. Doch statt Vielfalt finden Sie Abteilungen in rosa und blau – Welten, die Kinder früh in festgelegte Kategorien einordnen. Wie sollen Kinder frei sein, wenn sie von Anfang an nur eingeschränkte Wahlmöglichkeiten haben?
Unternehmen haben diese Unterschiede verstärkt – sie können aber auch den Wandel anstoßen. Denn die Geschichte zeigt, dass wir es in der Hand haben: Noch vor wenigen Jahrzehnten galt Rosa (das kleine königliche Rot) für Jungen und Blau (die Farbe der Jungfrau Maria) für Mädchen. Was heute absurd erscheint, zeigt die Willkür der Geschlechterzuschreibungen. Doch diese Zuordnungen sind nicht bloß zwei Farben – sie sind eine Einteilung in zwei Welten mit weitreichenden Konsequenzen: Sie beeinflussen, welche Spielzeuge Kinder erhalten, wie sie sich kleiden und von welchen Berufen sie träumen. Die scheinbare Freiheit im Spielzeuggeschäft ist eine Illusion: Wenn es keine Vielfalt gibt, bleibt keine echte Entscheidung übrig. Eine buntere Spielzeugwelt ist daher nicht nur eine Frage des Designs, sondern auch der Chancengleichheit.
Die Diskussion um Geschlechtergerechtigkeit beginnt also nicht erst in der Arbeitswelt, sondern im Kinderzimmer. Spielzeuge sind ein wichtiges Mittel, um Kinder auf ihre späteren Rollen im Leben vorzubereiten. Wenn Jungen nur mit Baggern und Mädchen nur mit Puppen spielen, verfestigen sich Geschlechterrollen. Hier legen wir die Grundsteine für den späteren Pay- und Care-Gap. Denn Kinder, die mit Puppen spielen, entwickeln häufig mehr Empathie und Fürsorge – Eigenschaften, die in der sogenannten »Care-Arbeit« gefragt sind. Diese Arbeit, sei es die Betreuung von Kindern oder die Pflege älterer Menschen, wird in unserer Gesellschaft oft Frauen zugeschrieben und geringgeschätzt. Indem wir Jungen ermutigen, auch fürsorgliche Rollen zu übernehmen, und Mädchen zeigen, dass Technik und Abenteuer ebenso für sie gemacht sind, schaffen wir die Grundlage für eine gerechtere Verteilung dieser Aufgaben in der Zukunft – denn aktuell haben wir einen viel zu geringen Anteil von Frauen in MINT-Studiengängen, Vorständen und im Handwerk.
Wenn man sich also die Zusammenhänge von Gendermarketing und dem zum großen Teil daraus folgenden Care- sowie Pay-Gap klar macht, wird schnell deutlich: Wir müssen aktiv werden, damit es nicht noch 131 Jahre dauert, bis wir echte Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern erreichen. Denn so viele Jahre benötigt es laut der UN Women Studie aus dem Jahr 2023 noch. Wir können heute schon einen Unterschied für die Generation von morgen machen! Daher stellt sich die Frage, welche unternehmerische und politische Verantwortung es braucht, um Wege aus der sogenannten »Rosa-Hellblau-Falle« zu finden – um Kindern zu ermöglichen, was ihnen laut Grundgesetz zusteht: eine freie Entfaltung der eigenen Persönlichkeit.
Einige Länder wie Spanien, Schweden und Norwegen haben Gesetze eingeführt, um Geschlechterklischees in der Werbung zu verhindern. Diese Maßnahmen setzen ein klares Zeichen für mehr Vielfalt. Auch in Deutschland, wo das Grundgesetz die Gleichberechtigung von Männern und Frauen verankert, könnten ähnliche Initiativen eine offenere (Spielzeug-)Welt fördern. Denn wie frei sind Kinder, wenn ihnen bereits in den ersten Jahren vorgeschrieben wird, welche Farben und Spielsachen »für sie gemacht« sind?
Die gezielte Aufteilung von Spielzeug in rosa für Mädchen und blau für Jungen mag auf den ersten Blick wirtschaftlich sinnvoll erscheinen, weil sie den Eindruck erweckt, den Markt zu segmentieren und mehr Produkte verkaufen zu können. Tatsächlich führt diese Strategie jedoch zunehmend zu einer veralteten Marktentwicklung. Aktuelle Studien zeigen: Immer mehr Eltern, vor allem die jüngeren Generationen, verlangen nach einer inklusiveren und diverseren Produktpalette. Sie wollen, dass Spielzeug die Geschlechtergrenzen überwindet und die Entwicklung ihrer Kinder ohne stereotypische Einschränkungen fördert. Diese Eltern bevorzugen Marken, die eine klare Haltung zeigen und auf eine gendersensible Erziehung setzen – und sind bereit, für diese Haltung auch zu bezahlen. Unternehmen, die sich als »unisex« positionieren, erreichen nicht nur ein breiteres Publikum, sondern bauen langfristig eine loyalere Kundschaft auf. Als Unternehmen, das sich für eine geschlechtergerechte Spielzeugwelt einsetzt, möchten wir von »Kindsgut« die weitreichenden Folgen von Gendermarketing beleuchten und Lösungen aufzeigen, wie wir als Branche gemeinsam zu einer gerechteren und nachhaltigeren Welt beitragen können. Ein wichtiger Baustein dafür ist die neue Bildungsinitiative »Farben sind für alle da«, die ohne erhobenen Zeigefinger wichtige Informationen für verschiedenste Akteurinnen und Akteure zur Verfügung stellt und zum Mitmachen einlädt.
Stellen Sie sich nun nochmal vor, Sie betreten einen Spielzeugladen mit Ihrem Kind. Sie möchten ein Geschenk aussuchen, das Kreativität und Fantasie fördert. Sie finden ein vielfältiges, buntes Angebot vor und sehen das Leuchten in den Augen Ihres Kindes. Guten Gewissens können Sie das Kind loslaufen lassen, denn Sie wissen: Das, was es sich aussuchen wird, ist genau das Richtige für ihn oder sie. Denn Farben sind für alle da – und Gleichberechtigung beginnt genau dort, wo Kinder ihre Welt entdecken: im Kinderzimmer.