Um das Jahr 1891 herum beginnt die Zeit der Modellbahn. Märklin präsentiert seine erste Uhrwerkeisenbahn – die Initialzündung auf einem spannenden Weg bis zu den hochtechnisierten Präzisionsmodellen der Gegenwart. Für Modellbahn-Enthusiasten und Einsteiger in dieses facettenreiche Hobby beginnt eine unendliche Geschichte. Unendlich deshalb, weil die Zeit so manches Spielzeug überholt hat. Die Modellbahn gehört nicht dazu. Trotz digitaler Konkurrenz behaupten sich die Unternehmen und kreieren um die Modellbahn herum eine enorme Bandbreite an innovativen Produkten. Das Segment wird in all seinen Teilbereichen – dem rollenden Material ebenso wie dem Zubehör und dem Modellbau – vielseitiger, innovativer und cooler. Marktführer Märklin setzt mit Lizenzkooperationen sowie kindgerechten Themen und attraktiven Umsetzungen Akzente und läutet Seite an Seite mit den Zubehöranbietern eine Renaissance der Modellbahn ein. Sie zieht wieder ihre Kreise. Nicht nur im Hobbyraum – nein, auch in den Kinderzimmern.

 

Modellbahn und Kreativität

Die Modellbahn verbindet Generationen. Väter, Söhne und Enkel pflegen ihre Passion nicht selten gemeinsam. Spätestens bei der Umsetzung einer Modellbahnanlage wird aus der Männerdomäne ein Familienhobby. Weibliche Familienmitglieder kommen ins Spiel und mit ihnen die Leidenschaft für die Gestaltung einer detailverliebten Miniaturwelt. Aus dem Reproduzieren wird ein emotionaler Akt des Gestaltens. Erlebnisse aus der Vergangenheit, Beobachtungen aus der Gegenwart und Visionen einer möglichen Zukunft fließen ein. Keine Anlage gleicht der anderen. Jede erzählt ihre eigene Geschichte. Kulturlandschaften, Industrieanlagen und Alltagsszenen entstehen. Durch aufwändige Recherchen leben vergangene Epochen wieder auf. Für Besitzer und Betrachter entsteht ein einzigartiges Zeit-Dokument.

 

Modellbahn und Kultur

Die Modellbahn ist ein Mikrokosmos im Makrokosmos, die Beschäftigung mit der Welt im kleinen Maßstab. Hingebungsvolle Detailtreue lässt Probleme der realen Welt vergessen. Alles scheint beherrschbar. Eine Weltflucht ist dieses Hobby nicht, vielmehr eine Möglichkeit der Verarbeitung. Auf den Anlagen spielen sich Szenen wie im richtigen Leben ab. Die Zubehörlieferanten haben ein waches Auge auf gesellschaftliche Trends, Moden, Lebensstile, den Zeitgeist und den kulturellen wie technischen Wandel. Sie sorgen en miniature – oft mit kreativem Augenzwinkern – dafür, dass keine Nische unbesetzt bleibt. Die Modellbahn ist zum Kultobjekt avanciert. Sie ist ein Spiegel der Zeit und der Ereignisse in Politik, Kultur und Gesellschaft.

 

Modellbahn und Kinder

Für Kinder hat das Hobby spielerischen Charakter. Und das ist gut so, um den Funken überspringen zu lassen. Aber die Modellbahn kann mehr. Sie bietet ein ganzheitliches Lernumfeld, das Konzentration, Wahrnehmung und soziale Kompetenzen gleichermaßen fördert. Neben dem Spaß am Bauen und der Faszination für die Technik werden handwerkliches und motorisches Geschick sowie Technikverständnis erworben. Beobachtungsgabe, Fantasie und Kreativität werden gefördert. Im jungen Alter bietet die Modellbahn einen wertvollen Ausgleich zum medial geprägten Alltag. Weg vom Smartphone, hin zu einem smarten Erlebnis der besonderen Art.

 

Modellbahn und Marketing

Es gibt kaum ein Segment, das in Sachen Eigen-PR so rührig ist wie dieses. Abseits jeglichen Konkurrenzdenkens riefen die Unternehmen in konzertierter Aktion jüngst die Kampagne »Wir Modellbahner« ins Leben, um mit Hilfe eines emotionalen Auftritts Aufmerksamkeit für dieses schöne Hobby zu generieren. Auf einer gemeinsamen Website und auf Instagram tauschen sich Modellbahner und solche, die es werden wollen, aus und erzählen oder inszenieren ihre Geschichten.

 

Modellbahn und Kunst

Sammler und kunstaffine Zielgruppen finden mit Art Toys Zugang zur Modellbahn. Die ersten beiden Märklin Message Wagons würdigen unter dem Motto »Kunst für jedermann« den Künstler Keith Haring. Die Message Wagons transportieren diese Botschaft erst in die kleine, dann in die große Welt – farbenfroh, karikaturistisch und urban. Das Haus am Horn von Georg Muche markiert mit dem werkgetreu nachempfundenen Modellbausatz der Firma Noch den Beginn der Bauhaus-Architektur. Faller setzt auf Kunst am Bau. Der Fassadenkünstler Carsten Kruse gestaltete ein limitiertes Modell eines DDR-Plattenbaus. Ein Stück deutsche Zeitgeschichte.

 

Modellbahn und Zukunft

Das Hobby war einst dem Bildungsbürgertum vorbehalten und später den »Nietenzählern und Pufferküssern« – so werden Modellbauenthusiasten genannt, die jeden Artikel, jedes Produkt mit äußerster Akribie und höchster Kritikbereitschaft auf Herz und Nieren daraufhin prüfen, ob das Modell auch ganz exakt dem realen Vorbild entspricht.

Inzwischen hat es alle Gesellschaftsschichten erreicht. Max und Maria Normalverbraucher wagen sich aus den eigenen vier Wänden und präsentieren ihre Anlage der Öffentlichkeit. Sie posten Bauweise und Baufortschritte in den sozialen Medien. Die einst analoge, »eingleisige« Modellbahn-Miniaturwelt ist heute global vernetzt, hoch technisiert und digitalisiert. Die unendliche Geschichte wird weitergeschrieben.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 2/2025.