In den letzten Jahren hat sich der Spielwarenmarkt deutlich verändert. Die zwei größten Veränderungen, die in Zusammenhang miteinander stehen, sind der Einzug neuer Produktarten und das zunehmende Alter der Kundinnen.
In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts landeten im Kielwasser von »Die Siedler von Catan« immer mehr Spiele in den Regalen der Händler, die für ein deutlich älteres Zielpublikum gedacht und vorher nur in spezialisierten Läden erhältlich waren. Außerdem erfreuten sich Rollenspiele wie »Dungeons & Dragons« bzw. Miniaturenspiele wie »Warhammer« wachsender Beliebtheit. Die Fans derartiger Spiele wurden schon damals liebevoll als »Nerds« oder »Geeks« bezeichnet, da sie sich in ihrer Leidenschaft vom Großteil der Bevölkerung abhoben und oftmals gerne unter sich blieben.
In den letzten Jahren wurde allerdings der Begriff »Kidults« geprägt, mit dem Erwachsene bezeichnet werden, die Spielwaren für sich selbst kaufen. Dieser Begriff umfasst alle erwachsenen Kunden im Spielwarenbereich, seien es Sammler, Modellbauer, Brettspieler, Rollenspieler, Miniaturenspieler bis hin zu Modelleisenbahnern, die gewissermaßen die ersten »Kidults« waren.
Diese Entwicklung ist damit zu begründen, dass die Jugendlichen der 80er und 90er Jahre des letzten Jahrhunderts mittlerweile berufstätige Erwachsene sind, aber die Leidenschaft und Begeisterungsfähigkeit für die Helden ihrer Kindheit nicht verloren haben. Jetzt haben sie die finanziellen Mittel, um sich Produkte zu leisten, für die das Taschengeld bei weitem nicht ausgereicht hat. Sie erlauben es sich, Geld nur zu ihrem Vergnügen auszugeben, im Gegensatz zu ihren Eltern, deren Leben noch sehr durch die Mühen der Nachkriegszeit geprägt war.
Einige Hersteller, wie zum Beispiel »Games Workshop« wuchsen mit der zunehmenden Zahl an zahlungskräftigen Kunden bzw. es entstanden neue Firmen, die es sich direkt zum Ziel machten, die Nachfrage dieser Zielgruppe zu bedienen. Aber auch bei den Vertretern der klassischen Spielwaren kam es vermehrt zu einer Erweiterung des Sortiments mit Blick auf die finanzstarke Zielgruppe der »Kidults«. Die Firma »Lego« ist hier ein Paradebeispiel mit ihren hochwertigen, aber auch höherpreisigen Sets zu zahlreichen Themen der medialen Welten.
Wie ist jetzt der Spielwarenmarkt im Hinblick auf diese Zielgruppen zu sehen?
»Nerds« und »Geeks« – falls diese Begrifflichkeiten überhaupt noch greifen, denn sie sind mittlerweile deutlich in der Mitte der Gesellschaft angekommen, nicht zuletzt dank Serien, wie »The Big Bang Theory« – interessieren sich hauptsächlich für anspruchsvolle und außergewöhnliche Spiele, hochwertige Sammlerstücke und Accessoires bis hin zu aufwändigen Kostümen.
Die »Kidults« an sich mögen auch gerne Brettspiele, aber bevorzugen hauptsächlich Memorabilien zu den Helden ihrer Kindheit und Jugend. Etliche Hersteller haben das mittlerweile verstanden, was zur andauernden Versorgung mit Produkten zu bekannten Franchises wie »Star Wars« oder »Harry Potter« führt, aber auch lange vergessene Spielzeugreihen erleben hierdurch eine imposante Wiederbelebung, sowohl in den Medien als auch in den Regalen der Geschäfte. Allen voran wäre hier »Masters of the Universe« anzuführen.
Mittlerweile gibt es ein sehr großes Angebot an Produkten für »Kidults«. Die Zahl der Spieleneuerscheinungen ist so groß wie noch nie, und etliche dieser Titel sind speziell für ein erwachsenes Publikum entworfen und produziert. Ebenso gibt es mehrere Verlage für Fantasy- und Rollenspiele, wie auch für Kampfspiele mit Miniaturen, welche die stetig wachsende Anzahl an Fans mit neuem Material füttern. Sogar die Anzahl der Sammelkartenspiele auf dem Markt nahm in den letzten Jahren wieder deutlich zu und auch hier erschlossen die Themen neue (Fantasie-)Welten.
Die wahrscheinlich größte Produktvielfalt für die Zielgruppe der »Kidults« liefern die sogenannten »Collectibles«: Sammlerstücke verschiedenster Art und Preiskategorien. Dies beginnt mit verschiedenen Figuren zu zahlreichen aktuellen bzw. dauerhaft angesagten Franchisethemen im eher niedrigpreisigen Segment, wie sie beispielsweise die Firma »Funko« seit vielen Jahren erfolgreich herstellt und vertreibt. Es geht weiter mit hochpreisigen Klemmbausteinsets, welche mehr als Schaustück denn als Spielzeug gedacht sind und endet bei schier unbezahlbaren Statuen und lebensgroßen Figuren, von denen oft nur limitierte Mengen hergestellt werden.
Es finden sich also in jedem Bereich des Spielwarenhandels zahlreiche Produkte für erwachsene Kunden, und eben dies stellt mittlerweile eine nicht unerhebliche Einnahmequelle für den engagierten Händler dar. Denn wer bereit ist, Geld für die nachträgliche Erfüllung seiner Kindheitsträume auszugeben, ist auch viel empfänglicher für Sammlerstücke neuerer Franchises und versteht mit Sicherheit auch die Wünsche seiner Kinder besser. Somit ist dies eine ständig wachsende Kundengruppe, und der Handel muss sich lediglich deren Bedürfnissen anpassen, wobei natürlich ein fundiertes Interesse für die nachgefragten Themen hilfreich ist.