Kleine Spielfiguren, die mittels eines Knopfdrucks Fußball spielen: ein Gespräch mit dem Geschäftsführer der Tipp-Kick GmbH, die in dritter Generation in Familienhand ist.

 

Barbara Haack: Tipp-Kick ist eine Marke, die es seit 100 Jahren gibt. 2024 haben Sie 100-jähriges Jubiläum gefeiert. Sie produzieren und vertreiben ein Spielzeug, das sich, abgesehen von einigen Varianten, nicht verändert hat. Die Idee, die hinter diesem Spielzeug steckt, ist immer die gleiche geblieben. Wie erklären Sie sich, dass es trotz der vielen Veränderungen, die wir im letzten Jahrhundert gesehen haben, immer noch ein Erfolgsmodell ist?

Mathias Mieg: Das liegt an der einfachen Spielidee, die aber dennoch so reizvoll ist, dass man immer wieder neue Situationen erlebt. Wenn ich Tipp-Kick spiele und trainiere, werde ich besser. Je öfter ich spiele, umso besser werde ich. Die Regeln sind einfach und überschaubar. Man kann einfach loslegen und spielen. Und dann hat es diesen Wettbewerbscharakter im Duell. Diese Mischung aus Geschick und ein bisschen Glück macht das Spiel so interessant.

 

Es geht um Fußball. Es geht darum, kleine Figuren mittels eines Knopfdrucks auf den Kopf zu bewegen und über ein Spielfeld zu schicken, einen Fußball zu treten und ins Tor zu schießen. Das ganze mit zwei Mannschaften – wie im »echten Leben«.

Das Wichtigste ist der zweifarbige Ball. Die Farbe des Balles zeigt an, wer kicken darf. Und mit ein bisschen Geschick schaffe ich es, dass meine Farbe meistens oben liegt und dass ich dann weiterspielen darf.

 

Welche Varianten der ursprünglichen Spielidee haben Sie in diesen 100 Jahren entwickelt?

Mit Start der Fußball Bundesliga in den 1960er Jahren haben wir angefangen, die Tipp-Kick-Männchen in den Farben der Mannschaften zu malen, sodass jeder mit seinem eigenen Verein spielen konnte. Mit der WM 1974 in Deutschland kamen die Nationalmannschaften dazu. Eine große Verbesserung war, dass der Torhüter, der ursprünglich kniete und an einer Stange bewegt wurde, 1954 durch einen fallenden Torwart ersetzt wurde. Das war dann schließlich der Durchbruch für das Tipp-Kick-Spiel. In diesem Jahr wurden mehr als 180.000 Spiele produziert und verkauft. Das hat dazu geführt, dass einige Konkurrenten in den 1950er Jahren aufgehört haben. In den 1970er Jahren wurde der Torwart noch beweglicher. Man muss immer wieder etwas Neues entwickeln, damit das Spiel weiter interessant bleibt.

 

Reagieren Sie auf Erfolge und Misserfolge in der Fußballwelt? Wirken sich diese auf das Geschäft aus?

Das tun sie.

 

Wie können Sie Ihre Produktion vorab auf solche Entwicklungen einstellen?

Das ist äußerst schwierig. Wir haben normalerweise unsere besten Jahre, wenn eine Fußball-EM oder -WM stattfindet. Ende der 1960er Jahre gab es den Bundesligaskandal in Deutschland, den haben wir bei den Umsätzen zu spüren bekommen. Als die Fußball-WM 1974 nach Deutschland vergeben wurde, brachte das wieder einen Schub. Auch die WM im eigenen Land 2006 haben wir mit der Vergabe 2002 schon gespürt. Da hat dann Jahr für Jahr das Fußballfieber zugenommen und unsere Umsätze gingen hoch. Als Deutschland jetzt nicht so gut gespielt hat, haben wir das gespürt. Und die derzeit guten Ergebnisse der Nationalmannschaft merken wir wieder: Unser Weihnachtsgeschäft ist im Moment 20 Prozent besser als im letzten Jahr.

 

Wenn zum Beispiel Borussia Dortmund plötzlich auf Platz 17 der Liga landet, kauft dann keiner mehr Borussiaspieler? Wie planen Sie solche Entwicklungen voraus?

Die Traditionsmannschaften haben treue Fans. Das merken wir auch in der zweiten Bundesliga, auch ein Hamburger SV oder ein Hamburger Kicker läuft bei uns sehr gut.

Schlechter für den Absatz ist eine Weltmeisterschaft, die in Katar stattfindet oder – wenn man in die Zukunft blickt – in Saudi-Arabien. Vor Katar lief das Geschäft äußert schlecht, weil die ganze WM unter keinem guten Stern stand. Ähnlich wird es wahrscheinlich bei Saudi-Arabien werden. Da wissen wir schon, in welche Richtung es geht, und planen entsprechend.

 

Inzwischen haben Sie auch den Frauenfußball im Programm. Seit wann?

Frauenfußball haben wir seit 2010, seit der WM in Deutschland. Wenn es jetzt in Richtung WM in der Schweiz geht, werden wir wieder verstärkt die Kickerinnen zeigen.

 

Wie ist das Verhältnis im Absatz zwischen Frauen- und Männermannschaften?

Das können Sie vergessen. Leider!

 

Liegt das vielleicht daran, dass weniger Mädchen Tipp-Kick spielen?

Das ist nicht der Fall. Es sind immer mehr Mädchen, die auch spielen. Aber komischerweise wollen alle die männlichen Kicker. Als wir das Spiel »Ladies Competition« zur WM in Deutschland rausgebracht haben, kam das in den Feuilletons sehr gut an. Die ZEIT hat mit einer ganzen Seite über uns berichtet. Auf den Umsatz hatte das leider keine Auswirkungen.

 

Es gibt auch eine Profi-Bundesliga der Tipp-Kick-Spieler. Wie funktioniert das? Wer organisiert diese Liga?

Das ist ein Tipp-Kick-Verband, unabhängig von uns, mit ganz eigenen Strukturen. Der Verband organisiert den Spielbetrieb in vier unterschiedlichen Ligen. Da gibt es einen regulären Spielbetrieb wie in der Bundesliga auch. Der Verband arbeitet ehrenamtlich. In kleinem Rahmen sponsern wir sie, aber eigentlich sind sie unabhängig. Normalerweise legen sie mehrere Spieltage zusammen und machen einen Spielort aus. In der Bundesliga kommen sie aus ganz Deutschland.

 

Auf Ihrer Webseite bezeichnen Sie sich als »kleinste Spielwarenfirma Deutschlands«. Wie klein oder groß sind Sie?

Im Büro sind wir drei Miegs, mein Sohn ist seit Mitte des letzten Jahres dabei, mein Cousin und ich als Geschäftsführer. Dann haben wir eine Sekretärin, die halbtags arbeitet. In der Fertigung haben wir noch zwei Damen, die den Versand machen, und etwa zehn Heimarbeiter, die die Figuren bemalen. Das Gros der Produktion haben wir mittlerweile in Fernost.

 

Das ist ja eine grundsätzliche Frage: Wie viel wird noch bei uns produziert, wie viel und vor allem zu welchen Bedingungen in anderen Ländern, auch in Billiglohnländern? Wie sieht das bei Ihnen aus?

Wir sind ein kleines Familienunternehmen, und wir achten von Anfang an sehr darauf, dass unsere Arbeiter zu vernünftigen Bedingungen arbeiten. Wir haben in den 1990er Jahren angefangen, Teile in Fernost zu produzieren. Ich bin dann immer runtergeflogen und habe mir das angeschaut. Mittlerweile haben wir einen Agenten, der sich für uns darum kümmert. Der Betrieb, der für uns arbeitet, ist zertifiziert. Die Arbeitsbedingungen sind dort auf einem ebenso hohen Niveau wie bei unserer Produktion in Deutschland.

 

Wie sind Ihre Vertriebswege?

Dadurch, dass Tipp-Kick so bekannt ist, haben wir zum Glück das Internet als Vertriebskanal. Als kleine Firma kommen wir bei den großen Vertriebsketten gar nicht mehr rein. Früher war man bei Kaufhof, Karstadt, aber die gibt es ja alle nicht mehr. Die Spielwarenabteilungen sind weg, der Fachhandel ist weg, und die Ketten, die es noch gibt, werden immer größer und können dann auch nur noch Marken führen, die ein bestimmtes Umsatzvolumen hergeben, damit sich die Listung lohnt.

Es gibt noch Spielwarenfachhändler, die uns seit Jahren treu sind. Das werden aber immer weniger. Und dann haben wir noch den Drogeriemarkt Müller. Der ist mittlerweile, denke ich, der größte Spielwarenhändler Deutschlands.

 

Tipp-Kick ist ein Familienunternehmen, mittlerweile mit Ihrem Sohn in der vierten Generation. Wie schafft man das?

Es hängt unheimlich viel Herzblut in dem Produkt. Ich habe in meiner Berufslaufbahn erlebt, dass man unwahrscheinlich viel positives Feedback bekommt: »Euch gibt es ja noch.« Und: »Weiter so.« Oder: »Die einzige Möglichkeit, wie ich mein Kind vom Smartphone wegkriege, ist Tipp-Kick.«

 

Und dieses Herzblut vererbt sich von Generation zu Generation?

Vor ein paar Jahren sind wir von einer größeren Spielzeugfirma angesprochen worden, ob wir nicht verkaufen wollen. Wir haben das familienintern diskutiert und gefragt: Wie sieht es aus mit der Nachfolge? Mein Sohn und der Sohn meines Cousins haben gesagt: »Das wollen wir uns nicht nehmen lassen, das Familienunternehmen fortzuführen. Es ist einfach schön.«

Unsere Väter waren Brüder. Sie haben, weil die Firma so klein ist, festgelegt, dass aus jedem Familienzweig höchstens ein Nachfolger reinkommt. Vor zwei Jahren haben wir die Firma als Tipp-Kick GmbH neu organisiert. Aus jedem Zweig darf immer ein neuer Inhaber rein. Aber in die GmbH kann man auch einen externen Geschäftsführer reinholen, wenn es irgendwann mal nötig wäre. Im Moment sind mein Cousin und ich die Geschäftsführer. Irgendwann übergeben wir dann an die nächste Generation.

 

Sie engagieren sich auch bei der Aktion »Spielen macht Schule«. Sie gehen also mit Tipp-Kick in die Schulen. Wie läuft das?

»Spielen macht Schule« ist vom Deutschen Verband der Spielwarenindustrie organisiert, zusammen mit dem Verein »Mehr Zeit für Kinder«. Es geht darum, in den Schulen Spielzimmer einzurichten. Die Schulen bewerben sich mit einem Konzept. Die Schulen mit den besten Konzepten gewinnen dieses Spielzimmer. Das unterstützen wir seit Jahren, indem wir immer 200 Spiele zur Verfügung stellen. Die Schulen können aus dem Katalog aussuchen, welche Spiele sie sich wünschen. Und da ist Tipp-Kick immer auf Platz eins.

 

Vielen Dank.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 2/2025.