Schon heute werden am kulturellen Erbe Auswirkungen des Klimawandels sichtbar. Entsprechend haben zwischen November 2022 und Mai 2023 ICOMOS Deutschland und Partner ein Positionspapier zum Thema Kulturerbe und Klimawandel erarbeitet. Politik & Kultur fragt nach, welche klimabedingten Herausforderungen bestehen und wie sich das Kulturerbe vorsorglich schützen lässt.
Welche Gefährdungen stellen sich für Baudenkmäler, Monumente und grünes Erbe in Zeiten des Klimawandels?
Der Klimawandel betrifft bereits heute viele Bereiche der Baudenkmalpflege, des grünen Erbes sowie der Denkmallandschaften. Während die Sommer in Mitteleuropa in den vergangenen Jahren zunehmend wärmer und trockener wurden, nahm die Zahl der Extremwetterereignisse zu. Diese derzeitigen und kommenden Veränderungen haben massive Auswirkungen auf das kulturelle Erbe.
Die größten Gefährdungen drohen durch langanhaltende Wetterlagen wie Trockenheit, Hitze und Starkregen bzw. Stürme. Durch die geringen Niederschläge sinken Grundwasserspiegel, wodurch Untergründe austrocknen und es vermehrt zu Setzungen und Rissen an Baudenkmalen kommen kann. Im Denkmalinneren werden z. B. an hygroskopischen Materialien, wie Holz, Rissbildungen oder generell die Schimmelbildung begünstigt. Vor allem in der Gartendenkmalpflege kommt es aufgrund der geringen Niederschlagsmengen zu Baumsterben, Schädlingsbefall und zu einer zunehmenden Brandgefahr. Langanhaltende Wetterlagen mit Regen können zur Durchfeuchtung des Mauerwerks und zu einer längeren Vegetationsperiode von Moosen und Ähnlichem führen. Starkregenereignisse stellen für die Gebäudehülle zunehmende Herausforderungen dar. Das Risiko für massive Schäden durch Hochwasserereignisse nimmt zu.
Welche Herausforderungen ergeben sich daraus für die Denkmalpflege?
Für die Denkmalpflege sind ein nachhaltiger und klimagerechter Anspruch und somit die Kultur des Erhaltens selbstverständlich. Obwohl Denkmalschutz häufig als Klimaschutz und das Streben nach Erhaltung als schützende und nachhaltige Maßnahmen tituliert werden, bedeutet dies nicht, dass die Denkmalpflege nicht auch mit negativen Klimafolgen zu rechnen hat. Aktuell gilt es insbesondere, auf Gefährdungen von Baudenkmalen, Monumenten und dem grünen Erbe infolge des Klimawandels zu reagieren. Etwa stellen sich für das denkmalgeschützte Grün einerseits Fragen von neuen Konzepten für Bewässerungssysteme, andererseits ist durch herabfallende trockene Äste auf die Wegesicherung zu achten. Für Baudenkmale werden Abwägungen zwischen den konservatorischen Anforderungen und Nutzungsplänen, z. B. hinsichtlich der Raumtempera turen und relativen Luftfeuchten, zunehmend schwieriger.
Welche notwendigen Anpassungsstrategien und Handlungsempfehlungen schlägt das Deutsche Nationalkomitee von ICOMOS vor?
Um Anpassungsstrategien entwickeln zu können, sind zahlreiche Maßnahmen erforderlich: Die Denkmalpflegepraxis muss sich von nachsorgenden Konzepten abwenden und stattdessen vorsorgend, langfristig und damit nachhaltig ausgelegt agieren. Einen Lösungsansatz bietet das technische Monitoring, welches mit KI-gestützter Auswertung kombiniert werden könnte. Eine verstärkte Partizipation der Gesellschaft, z. B. im Rahmen von Citizen-Science-Projekten, ist von grundlegender Bedeutung für die Zukunft der Denkmalpflege. Zudem sind in Ausbildung und Gesetzgebung Klimaschutz- und Nachhaltigkeits fragen fest zu verankern.
Neben den technischen Maßnahmen in der Denkmalpflegepraxis müssen Denkmaleigentümer gezielt unterstützt werden, um ein Risikobewusstsein für die potenzielle Gefährdung ihrer Denkmale als negative Folge des Klimawandels zu entwickeln – etwa durch finanzielle Unterstützung, Fort- und Weiterbildungen, Sensibilisierungsprojekte und Handreichungen. Strategien erfordern konkrete Anpassungsmaßnahmen, wie statische Analyse und Ertüchtigung, Maßnahmen zum Fassadenschutz, z. B. wasserabweisende Putzsysteme, Offenheit bei Materialauswahl. Regelmäßige Wartungen und Pflege, wie es an den Welterbestätten bereits heute praktiziert wird, sind dringend auch in der Fläche notwendig. Die Nutzung von Denkmalen ist mit den technischen Erfordernissen in Herausforderung des Klimawandels in Einklang zu bringen. Hierfür ist die Vermittlungsarbeit unabdinglich.
Für Stadtteile und Quartiere sind grundsätzlich sorgfältige Analysen – etwa ganzheitliche Anamnese, hydrodynamische Untersuchungen – notwendig, um ganzheitlich Defizite und Stärken sowie den Denkmalwert eines Stadtraums zu eruieren. Gleichzeitig sind denkmalverträglich die blau-grüne Infrastruktur zu stärken und lokale Möglichkeiten für regenerative Energieerzeugung und -speicherung zu berücksichtigen.
In der Gartendenkmalpflege konnten sich längst kreative Ansätze zum Erhalt des urbanen Grüns etablieren, um den Herausforderungen durch klimatische Veränderungen besser begegnen zu können. So werden etwa nachhaltige Bewässerungsmethoden, Nachpflanzungen im historischen Kontext mittels autochthoner Sämlinge, die Einbringung von resistenteren Pflanzen oder wasserspeichernde Pflanzsubstrate genutzt.
Was fordern Sie zudem von der Politik?
Bislang ist das kulturelle Erbe hinsichtlich seiner Gefährdungslage noch völlig unzureichend in das Bewusstsein von Gesellschaft und Poli tik gerückt. Bezeichnend hierfür ist, dass das Kulturerbe im 2019 von der Europäischen Union beschlossenen Green Deal keine Berücksichtigung findet. Um dies zu ändern, ist zügig eine Datengrundlage zu schaffen, für die sich ICOMOS seit 2021 gemeinsam mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) engagiert. Als ein erstes Ergebnis entstand das gemeinsame Positionspapier »Das kulturelle Erbe im Klimawandel«, das von ICOMOS, dem Deutschen Natio nalkomitee für Denkmalschutz (DNK), der Deutschen UNESCO-Kommission, dem GERICS Climate Service Center Germany sowie der Vereinigung der Denkmalfachämter in den Ländern (VDL) unterzeichnet wurde. ICOMOS und das Climate Heritage Network (CHN) bündeln die internationalen Aktivitäten zu Klima- bzw. Naturerbe und Klimawandel. Die Vernetzung ist als unabdingbar anzusehen und aktiv durch die Politik zu fördern. Eine flächendeckende Bewusstseinsbildung für das Kulturerbe und konkrete Maßnahmen – etwa durch das Schaffen von Koordinierungsstellen, finanz- und steuerpolitischen Anreizen sowie von Fördermaßnahmen für Denkmaleigentümer – sind dringend umzusetzen.