Die Moderatorin, Schauspielerin, Synchronsprecherin und prämierte Dokumentarfilmerin Mo Asumang wurde 1963 als Tochter einer Deutschen und eines Ghanaers in Kassel geboren. Bis zu ihrer Einschulung lebte sie im Kinderheim, bei Pflegefamilien und bei der Großmutter, die – wie sie erst nach deren Tod erfuhr – bei der SS gearbeitet hatte.

»Meine Mutter hat mich mit 21 bekommen und war eben sehr jung. Meine Oma und sie haben natürlich gearbeitet, der Vater war nicht so involviert, deshalb war ich mein erstes Lebensjahr im Kinderheim. Als man rote Striemen am Rücken entdeckt hat, die aber von einer Art Hospitalismus resultierten, haben sie mich bei Pflegeeltern untergebracht. Die waren sehr gut zu mir, da gab’s Kaninchen und Katzen. Und der Opa hatte ein Feld, da durfte ich immer hinten mit auf dem Heuwagen sitzen. Am Wochenende war ich dann immer zu Hause bei der Oma. Meine Mutter wohnte gegenüber.«

Schon als Kind hat Mo Asumang leidenschaftlich gerne und »ganz viel Musik gemacht. Ab der 7. Klasse bin ich immer mit Gitarre in die Schule gegangen und hab die Leute als Alleinunterhalterin auf dem Schulhof bespaßt. Ich hatte auch eine Band namens ›Second Proof‹, da war ich sogar einmal im HR-Fernsehen.« Nach dem Abi wussten sie und ihre Freundin nicht so genau, was sie studieren wollten, so wurde es erst mal Lehramt mit Kunst als Fach. »An der Uni in Kassel habe ich gemerkt, dass die Künstler und auch die Profs total cool sind. Künstler*innen muss man jetzt natürlich sagen. Und Professor*innen. – Das hat mir einfach total viel Spaß gemacht dort. Dann begann ich mit eigenen Kunstwerken und bewarb mich für visuelle Kommunikation. So bin ich eigentlich erstmals in dem Bereich gelandet, in dem ich ja jetzt auch tätig bin, nämlich beim Film.«

»Nebenbei« fing sie an, klassischen Gesang in Berlin zu studieren, und um ihr Studium zu finanzieren, jobbte sie als Taxifahrerin. »Ich wollte etwas mit Stimme und Sprache machen.« Beim Taxifahren fiel sie Tobias Meister auf, einem der bekanntesten Synchronregisseure und -sprecher unter anderem von Brad Pitt. Er war von ihrer Stimme begeistert und lud sie ins Studio ein. Einige Jahre arbeitete Mo Asumang dann als Synchronsprecherin, ergatterte eine Rolle in Roman Polanskis Film »Ghostwriter« und moderierte schließlich als erste Afrodeutsche im Fernsehen das Magazin »Liebe Sünde« für ProSieben.

Aufmerksam auf sie war man durch die Sendung »Classic Clips« für rbb geworden, in der sie als singende Taxifahrerin ihre prominenten Fahrgäste interviewte und moderierte. »Das war so eine Art MTV für Klassik.« Ihre zweite rbb-Sendung hieß »Logenplatz«.

Ihr Prominentenstatus als ProSieben-Aushängeschild brachte ihr nicht nur Gutes ein: »Die Kugel ist für dich, Mo Asumang« hieß es da: »Und der Song ist bis jetzt da draußen.« Auf der CD »Noten des Hasses« der Neonaziband White Aryan Rebels wurde ihr zusammen mit Rita Süssmuth, Michel Friedman, Alfred Biolek, Stefan Heym und Hella von Sinnen der Tod gewünscht. »Da weiß man eben nicht, wer dann plötzlich bei einem vor der Haustür steht. Ich musste da irgendwie reagieren und hab angefangen, mir Gedanken zu machen. Ich habe bei einem Theaterprojekt für Inhaftierte in Brandenburg mitgemacht, weil ich dort mal einen echten Nazi treffen wollte. Den Tag vorher habe ich mir ›Das Schweigen der Lämmer‹ angeschaut, um mich vorzubereiten. Bin dann todesmutig hin und hab tatsächlich mit dem ersten Neonazi so face-to-face gesprochen. Das war sehr interessant, weil ich gemerkt habe, das ist ja für die andere Seite auch gar nicht so einfach. Die kann dann nicht nur ihre Informationen runterleiern. Sie hat plötzlich ein Gegenüber, das Fragen stellt, das neugierig ist und offen und im Zweifel lächelt. Auch vielleicht sympathisch ist. All das, was sie gar nicht will, weil sie ja eigentlich den Dialog ablehnt. Das hat dann dazu geführt, einen Dokumentarfilm darüber anzugehen.«

Mo Asumang gründete 2004 ihre eigene Filmproduktionsfirma, ihre erste Arbeit hieß »Roots Germania« (2007/ZDF). In dem Dokumentarfilm setzt sie sich mit ihren eigenen Wurzeln auseinander, spricht erstmals in Afrika mit ihrem Vater über Zugehörigkeit und Heimat. Für den 2010 veröffentlichten Dokumentarfilm »Road to Rainbow – Willkommen in Südafrika« war Asumang mit dem afrikanischen Comedian Kagiso Lediga in den Townships von Kapstadt und Südafrika unterwegs und porträtierte den zwölfjährigen HIV-infizierten Inganathi, der Fußballer werden wollte. Im Dokumentarfilm »Die Arier« (2014/ZDF) konfrontierte Mo Asumang Rassisten mit scheinbar arglosen Fragen: Was sie eigentlich gegen Schwarze haben, was sie ihnen getan hätten? Die Ergebnisse sind immer wieder überraschend und unerwartet.

In ihrem 2016 veröffentlichten Buch »Mo und die Arier. Allein unter Rassisten und Neonazis« beschreibt Mo Asumang, welche Wirkung Rassismus auf sie als Betroffene hat. Sie trifft weltweit Neonazis, PEGIDA-Mitläufer und Angehörige des Ku-Klux-Klans und chattet sogar auf Nazi-Datingplattformen. Und zuletzt interviewte sie 2022 für die Serie »Mo Asumang und …« für 3sat homophobe Menschen, extreme Linke, Männerrechtler, fundamentalistische Christen, Querdenker und Rassisten. Ihr Buch erreichte Platz 18 der Spiegel-Bestsellerliste. Mit ihren Filmen hält sie in Schulen und Universitäten weltweit Vorträge zum Thema Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.

Mo Asumang erhielt 2016 den Verdienstorden des Landes Berlin und 2019 das Bundesverdienstkreuz am Bande, 2018 den Alfred-Müller-Felsenburg-Preis für aufrechte Literatur. Sie engagiert sich seit Jahren auch gegen Antisemitismus und zeigt sich angesichts der Situation in Nahost und in Deutschland entsetzt: »Ich frage mich, warum es so weit gekommen ist, warum wir nicht frühzeitig in den Dialog gegangen sind. Mein Thema als Afrodeutsche hinsichtlich Rassisten und Antisemiten ist immer der Dialog. Da habe ich mich hin entwickelt, weil ich gemerkt habe: Es reicht nicht, einfach nur ›Nazis raus‹ zu brüllen, sondern es ist wichtig, dass ich meine Menschlichkeit behalte und vorlebe. Und das ist das, was im Moment ja gar nicht mehr stattfindet. Es fliegen Bomben, Menschen sterben. Ich glaube, es ist jetzt einfach sehr wichtig, dass wir viele Stimmen laut werden lassen in den Medien, die sich wirklich für ein Miteinander aussprechen. Dass der Blick auf einzelne Menschen nicht in diesem Konflikt untergeht. Wir könnten zeigen, wie Israelis mit Palästinensern, Juden mit Muslimen reden. Dialog gegenseitig vorleben: Erzählt eure Geschichten. Wie seid ihr groß geworden? Was habt ihr erlebt? Was macht euch Angst? Wo wollt ihr hin? Wie seht ihr die Zukunft? Hass, Wut und Überbegriffe wie ›Die sind so und so‹ bringen uns nicht weiter. Wir müssen zurück zum einzelnen Menschen. Und der Weg dahin ist die Menschlichkeit.«

2024 wird Mo Asumang als Gastprofessorin an der Hochschule für Film und Fernsehen in München unterrichten, das Fach »hybride Erzählform« ist in der Dokumentarfilmabteilung angesiedelt.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 12/2023-1/2024.