Es woked, smasht, diggert – bodenlos. Papatastische Geringverdiener wie ich sind cringey. Meine Diggahs haben mir am Mittwoch eingedarmt, mir Clear-Babble ranzuschaffen. Meine Staub-Zunge riecht nämlich nach Tagesschau. Jajaja, ich geb mir Mühe, ein neues verständliches Deutsch zu lernen. Ehrlich. (Demächst). Dem Neusprech voraus ging, dass sich der gesellschaftliche Paradigmenwechsel im Sprachgebrauch schon niederschlug: Wurde noch vor 30 Jahren das Adjektiv »geil« flüsternd nur hinter prüde vorgehaltener Hand eindeutig situationsbezogen verwendet, dient es heute als gemeingültige Kurzform jeder superlativen Kritik. Die Parole »Wir sind das Volk«, seinerzeit Ausdruck des Selbstwertes unterdrückter deutscher Bürger, geriet zum Schlachtruf dumpfer Demokratieverleugner – ängstlich um Hab und Gut, ihre »Identität« besorgt. Leicht können sich so rechte Terroristen in ihrem Tun von einer zunehmend sichtbaren Öffentlichkeit bestärkt und bestätigt fühlen, wenn sie mit Feuerzeug und Benzinkanister gegen Asylbewerberheime oder auch mal in den Bundesstag marschieren. Und dann der einst in Sachen gesellschaftlicher Verkrustung als Gegenpol höchst positiv besetzte Begriff »Alternative«. Seinerzeit noch mental bewegliche »Grüne«, auch viele engagierte Kulturschaffende, sahen sich als eine solche – im Verhältnis zur Scholzschen verbalen Null-Diät-Regierung und dem fossilen Fünfhundert-PS-Intellekt eines Lindner oder Wissing – progressive Gegenbewegung. Und heute: Als »Alternative für Deutschland« hat sich eine rechtspopulistisch-nationalistische, fremdenfeindliche und rückwärtsgewandte Partei eingebürgert, für die bei der nächsten Bundestagswahl ein zweistelliges Prozentergebnis wahrscheinlich ist. Ihr dereinst verabschiedetes Grundsatzprogramm enthält neben Hirnrissen wie dem Ausstieg aus der EU, der Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der innigen Liebe zu Putin auch noch eine Pädagogik des Grauens. Bei aller Beteuerung – Zitat – »humboldtscher Bildungsideale« sind wohl eher wehrmachtsfundierte Vorstellungen für Schule und Weiterbildung festgeschrieben: Im Vordergrund steht Leistungsdruck, Transport von effizienzgetriebener Technik- und Wirtschafts-»Kompetenz«. Im damaligen Grundlagenpapier der »Alternative« heißt das heutzutage unwidersprochen: »Die AfD begrüßt die zentrale Rolle der MINT‐ Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) für die Wettbewerbs‐ und Innovationsfähigkeit unseres Landes. Es soll Aufnahmeprüfungen insbesondere für technische, naturwissenschaftliche und medizinische Studienfächer geben … Eine Politik, die eine nach unten nivellierende Einheitsschule anstrebt und dabei einen Qualitätsverlust in Kauf nimmt, bedroht die Zukunftsfähigkeit junger Menschen und die Konkurrenzfähigkeit unserer Wirtschaft … Schulverweigerung, Null‐Bock‐Mentalität, Disziplinlosigkeit, Mobbing und Gewalt in der Schule sind nicht zu tolerieren und unter Einbeziehung der Erziehungsberechtigten angemessen zu ahnden …«

Also: »Humanistische« Bildung – getragen von strenger Disziplin in guter alt-teutscher Tradition – im Sinne rein ökonomischer Effizienz. Wiedereinführung der Prügelstrafe? Soll man sich da freuen, wenn das Partei-Führungs-Duo allenfalls für den Erhalt unserer Opernhäuser plädiert? Im Alptraum sieht man sie doch schon, erbsengrün bejackt zur Siegfried-Premiere Bayreuths grünen Hügel hochwallen. Bis in Anne Wills ARD-Schwafelrunde haben sie es mit ihren Phrasen schon geschafft. Überhaupt ist die deutsche Leitkultur für die AfD ein zentrales Bollwerk gegen die unmittelbar anstehende Überfremdung unserer Heimat. Im Parteiprogramm heißt es wörtlich: »Die AfD will den Einfluss der Parteien auf das Kulturleben zurückdrängen, gemeinnützige private Kulturstiftungen und bürgerschaftliche Kulturinitiativen stärken und die Kulturpolitik generell an fachlichen Qualitätskriterien und ökonomischer Vernunft anstatt an politischen Opportunitäten ausrichten. Die aktuelle Verengung der deutschen Erinnerungskultur auf die Zeit des Nationalsozialismus ist zugunsten einer erweiterten Geschichtsbetrachtung aufzubrechen, die auch die positiven, identitätsstiftenden Aspekte deutscher Geschichte mit umfasst. … Wir halten ein gewisses Minimum an staatlichen Kultursubventionen für unumgänglich, die jedoch an die selbst erwirtschafteten Einnahmen der Kulturbetriebe zu koppeln sind … Die Ideologie des Multikulturalismus, die importierte kulturelle Strömungen auf geschichtsblinde Weise der einheimischen Kultur gleichstellt und deren Werte damit zutiefst relativiert, betrachtet die AfD als ernste Bedrohung für den sozialen Frieden und für den Fortbestand der Nation als kulturelle Einheit. Ihr gegenüber müssen der Staat und die Zivilgesellschaft die deutsche kulturelle Identität als Leitkultur selbstbewusst verteidigen.«

Weg also mit der Weicheier-Erinnerungskultur an die Nazi-Zeit. Die Hand auf angeblich geraubte Kulturgüter. Das Minimum an ohnedies dürftiger staatlicher Förderung der Künste sollte dann Institutionen zufallen, die den »Freischütz«, die »Meistersinger« oder »Die lustige Witwe« teutonisch-naturalistisch inszenieren lassen. Die Operette verdrängt endlich wieder das dekadent-amerikanische Musical. Johnny hat ausgespielt. Sogenannte neue, atonale Musik gilt künftig dann als »artfremd« und darf vielleicht nur noch mit kostenpflichtiger Sondergenehmigung erlesenen Maso-Kreisen dargeboten werden.

All diese Spekulationen lässt die Grundhaltung der AfD zu. Bedrohliche Realität ist, dass es dieser Partei gelungen scheint, sich als bedeutsamer Faktor eines rechts bis mittig definierten Demokratieverständnisses hierzulande einzunisten. Dabei hat sie sehr intelligente Paten: Marc Jongen, Philosophiedozent an der Karlsruher Hochschule für Gestaltung, den Berliner Professor an der Freien Universität Rüdiger Safranski, hoch gehandelter Autor und ebenfalls Philosoph. Nicht zu vergessen Peter Sloterdijk, gern verwendeter, scheinbar allwissender Promi-Talkshow-Gast auf vielen Kanälen.

Da werden sich vermeintlich edelkonservative Volksvertreter wie Alexander Dobrindt, Jens Spahn oder Volksschauspieler Markus Söder kräftig anstrengen müssen, solche Spin-Doctors rechts zu überholen.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 7-8/2023.