Der Kaffee ist mit Abstand die Nr. 1, das Lieblingsgetränk der Deutschen. 166 Liter Kaffee trinken die Deutschen pro Kopf im Jahr. Während an Ursprung, Verarbeitung und Ökobilanz anderer Lebensmittel, allen voran aus der Milch- und Fleischindustrie, in den letzten Jahren viel Kritik geübt wurde, blieb es eher still um den Kaffee. Diese Lücke schließt nun »Kaffee. Eine Geschichte von Genuss und Gewalt«. Der Lateinamerikaexperte Toni Keppeler und die Klima- und Umweltwissenschaftlerin Laura Nadolski aus Deutschland haben sich hierfür mit der Journalistin und Kaffeesommelière Cecibel Romero aus San Salvador zusammengetan. Herausgekommen ist ein höchst lesenswertes, gut geschriebenes Buch, das ein breites Themenspektrum bietet. Der weite Weg von der Kaffeebohne bis zum Latte macchiato in den hippen Zentren der Welt, die Situation der indigenen Bevölkerung in Lateinamerika, Landraub, gewalttätige Kaffeeoligarchien, der Aufstieg Brasiliens zur Kaffeeweltmacht, Regenwaldvernichtung, die Ökobilanz verschiedener Kaffeesorten und die wachsende Armut, die der Klimawandel mit sich bringt, sind nur einige der Themen. Die Unterschiede zwischen Massenware, Bio und Fair Trade werden erklärt. Im zweiten Kapitel wird die Geschichte des Kaffees vom Kolonialismus bis zum Neokolonialismus, von der Sklaverei bis zur Ausbeutung heute nachgezeichnet.

Dabei wird immer interdisziplinär argumentiert, biologische, ökologische, soziale und politische und nicht zuletzt kulinarische Fragestellungen greifen ineinander. Kaffee-Fans erfahren hierbei auch etwas über Sorten und Arten, über Geschmacksnoten und die Kunst der Zubereitung, und darüber, was heute einen empfehlenswerten Kaffee ausmacht.

Einen guten Ausblick bietet das letzte Kapitel: wie die wachsende Anzahl an kleinen unabhängigen Kaffeeröstereien (in Deutschland bereits 600) einen Ausweg aus der Krise bedeuten könnten.

Toni Keppeler, Laura Nadolski, Cecibel Romero. Kaffee. Eine Geschichte von Genuss und Gewalt. Zürich 2023

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2023.