Dass Archäologie es in die einschlägigen Bestsellerlisten schafft, ist nicht gerade an der Tagesordnung. Pompeji, UNESCO-Weltkulturerbe, und seinem Untergang durch einen dreitägigen Ausbruch des Vesuvs 79 n. Chr. widmet sich nun sein neuer Direktor Gabriel Zuchtriegel, der aus dem Ländle stammt.

Die Leser erleben das tägliche Leben und Arbeiten sowie Freizeit unterschiedlicher Schichten in einer pulsierenden Metropole von etwa 45.000 Bewohnern, wie es so wohl bei keiner anderen Stadt der Antike möglich ist. Dazu zählen Aspekte wie Sklavenarbeit, Erotik und Porno grafie, Garküchen, Thermen, Religion oder Theater. Der Autor schlägt dabei den weiten Bogen bis zu uns in die Moderne. So ergeben sich immer wieder sehr persönliche Eindrücke und Assoziationen.

Zuchtriegel liefert immer wieder philosophische und geschichtstheoretische Denkanstöße. Was können die Befunde und Funde über unsere Gegenwart aussagen, über unsere Vergänglichkeit, über uns selbst? Somit erweist sich sein Werk als sehr viel mehr als ein reiner Führer oder ein Sachbuch. Hilfreich sind die Visualisierungen der Welt von Pompeji in der Mitte des Buches. Damit erwacht eine antike Lebenswelt.

Ohne die seit über drei Jahrhunderten gemachten Entdeckungen und die durchgeführten archäologischen Ausgrabungen sowie modernste Ausgrabungstechniken, die anschaulich erläutert werden, wüssten wir dazu sehr viel weniger. Gestreift wird auch die Geschichte der Archäologie und ihrer Forscherpersönlichkeiten – und auch die öffentlich höchst kontrovers diskutierte Frage, ob ein Deutscher Pompeji leiten sollte. Das sehr persönliche und wissenschaftlich fundierte Buch zu Pompeji fasziniert auf beeindruckende Weise und bringt uns die Antike so nahe, als wenn es unsere Gegenwart wäre.

Selten hat ein Untergang zu so viel Erkenntnisgewinn geführt. Zudem stellt sich der Autor der Frage: Wie gehen wir mit diesem kulturellen Erbe um? Ein Buch das berührt und absolut überzeugt!

Gabriel Zuchtriegel. Vom Zauber des Untergangs. Was Pompeji über uns erzählt. Berlin 2023

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 7-8/2023.