Die Aufsatzsammlung ist erwachsen aus dem Projekt »Umgekehrte Sammlungsgeschichte« unter Leitung von Albert Gouaffo, Université de Dschang in Kamerun, und Bénédicte Savoy, Technische Universität Berlin. Der weltweit umfassendste Bestand von Artefakten aus der ehemaligen deutschen, in Zentralafrika gelegenen Kolonie Kamerun befindet sich in öffentlichen Museen in Deutschland: über 40.000 Exponate – und diese sind größtenteils unpubliziert. Sie besitzen meist rituelle, symbolische oder magische Bedeutung, etwa Masken, Schmuck, Musikinstrumente, Waffen oder rituelle Statuen. Darüber hinaus muss mit einer hohen Dunkelziffer gerechnet werden. Dieser so bedeutende Bestand wurde nun in Zusammenarbeit mit sieben deutschen Museen wissenschaftlich aufgearbeitet. Und die aufmerksame Leserschaft nimmt daran teil. Dabei wird sie mit der kaum vorstellbaren Brutalität der Kolonialherren im Verlauf der sogenannten »Strafexpeditionen« wie Massenvergewaltigungen und Verbrennungen konfrontiert. Diese Publikation klärt darüber auf, dass die Objektifizierung als Exponate eine extreme Herabwürdigung und zugleich einen Gewaltakt darstellt, und forderteinen sensibleren Umgang mit den angewandten Termini. Zahlreiche Interviews mit deutschen und afrikanischen Wissenschaftlern veranschaulichen Verlauf und Ergebnisse dieses Projektes. Einen breiten Raum nimmt dabei auch die kamerunische Perspektive ein. Selbst hier war das Ausmaß der Verlagerung nicht bekannt. Der Atlas, eine differenzierte geisteswissenschaftliche Grundlagenarbeit, dokumentiert durch Grafiken, Schaubilder und Karten sowie einem Bildteil mit Objektfotografien den Bestand des kamerunischen Kulturerbes in Deutschland. Mit dieser vorbildlichen Publikation beginnt »eine neue Ära« in der Aufarbeitung dieses Kulturerbes: Aus der Abwesenheit erwächst nun eine öffentlich gemachte Präsenz. Zu hoffen bleibt, dass es jetzt zu einer umfassenden Restitution der Bestände kommt.

Andrea Meyer und Bénédicte Savoy mit Kollektiv (Hg.). Atlas der Abwesenheit. Kameruns Kulturerbe in Deutschland. Berlin 2023

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2023.