Viele Menschen leben heute – aus den unterschiedlichsten Gründen – im Ausland. Viele von ihnen möchten ihren Glauben und ihre Spiritualität in ihrer Muttersprache praktizieren. Schon seit mehr als 100 Jahren koordiniert daher das Katholische Auslandssekretariat der Deutschen Bischofskonferenz die deutschsprachige Auslandsseelsorge und unterstützt deutschsprachige katholische Gemeinden weltweit mit Priestern, Diakonen oder Pastoralreferentinnen, finanziellen Mitteln und pastoralem Knowhow. Während im letzten Jahrhundert die Mehrzahl der deutschsprachigen Gemeinden in den Auswanderungsländern Süd- und Nordamerikas, im südlichen Afrika und in Australien beheimatet waren, haben sich die Schwerpunkte heute in die politischen Zentren Europas und die Wirtschaftsmetropolen Asiens verlagert. An rund 90 Orten weltweit gibt es heute eine lebendige deutschsprachige katholische Seelsorge – für alle, die ihren Glauben in der deutschen Sprache leben wollen.

In der Muttersprache betet es sich leichter. Genau wie das Ausdrücken von Gefühlen gehen den meisten Menschen Gebete, Lieder und Gesänge in ihrer Erstsprache leichter von den Lippen. Viele möchten ihre eigene Religiosität, ihre spirituelle Praxis in ihrer Muttersprache leben. Auch in Deutschland wird längst nicht mehr nur auf Deutsch Gottesdienst gefeiert: Rund 16 Prozent der Katholikinnen und Katholiken in Deutschland haben eine nicht-deutsche Staatsangehörigkeit – und gehören damit einer wachsenden Gruppe an. In den letzten Jahrzehnten haben sich für Gläubige der großen Sprachgruppen an vielen Orten in Deutschland »muttersprachliche Gemeinden« etabliert, die ihre Gottesdienste auf Englisch, Polnisch, Französisch, Spanisch, Kroatisch oder gar Japanisch feiern. Genauso wie die katholische Kirche in Deutschland heute die Vielsprachigkeit unterstützt, so ist der katholische Glaube in den migrantisch geprägten Großstädten der Welt heute mehrsprachig. Deutschsprachige Gemeinden sind auf allen Kontinenten Teil dieser vielsprachigen Weltkirche. Sie bilden kulturelle Brücken zwischen Deutschland und vielen Ländern der Erde.

Das Katholische Auslandssekretariat begleitet alle deutschsprachigen Gemeinden und Pfarreien im Ausland. Neben der Entsendung von hauptamtlichem Seelsorgepersonal aus Deutschland gibt es Möglichkeiten der finanziellen Bezuschussung von Gemeinden, Vernetzungstreffen für Seelsorgende, Fortbildungen und die Versorgung mit Fachliteratur. Dass auch heute noch, obwohl Deutschland kein Auswanderungsland mehr ist, Wert auf eine Seelsorge für Deutschsprachige im Ausland gelegt wird, liegt an der Bedeutung der Muttersprache. In einer von Globalisierung und Migration geprägten Welt tragen die Kenntnis der eigenen kulturellen und spirituellen Wurzeln zur Beheimatung bei. Die verschiedenen fremdsprachigen Gemeinden in Deutschland helfen dabei ebenso wie die deutschsprachigen Gemeinden im Ausland. Besonders für Migrantinnen und Migranten oder für Menschen, die für längere Zeit im Ausland leben, ist es oft eine große Herausforderung, sich in einer fremden Kultur und Sprache zurechtzufinden. Schon in der Vergangenheit waren religiöse Gemeinden häufig die ersten Anlaufstellen für Neuzugewanderte. Die deutschsprachigen Auslandsgemeinden sind nicht nur spirituelle Zentren für Deutschsprachige, sondern erleichtern das Ankommen im Gastland. Sie ermöglichen das Knüpfen erster Kontakte, helfen bei der religiösen Beheimatung und bewahren Traditionen und Bräuche aus der alten Heimat. Neben den sonntäglichen Gottesdiensten und dem daran anschließenden Gemeindetreffen bei Kaffee und Kuchen gibt es die Möglichkeit, kirchlich zu heiraten, seine Kinder taufen zu lassen und gemeinsam mit der Familie und Freunden Traditionen wie St. Martinsumzüge, Weihnachtsbasare, Oktoberfeste und ähnliches zu begehen. Gerade für deutschsprachige Expat-Familien werden die Gemeinden so zur Heimat in der Ferne.

In den deutschsprachigen Auslandsgemeinden versammeln sich Menschen unterschiedlicher Hintergründe und Altersklassen: Da trifft das Expat-Kind mit deutschem Pass auf ein älteres Mitglied der deutschsprachigen Minderheit, eine Germanistik-Studentin trifft auf jemanden, der vor vielen Jahrzehnten als Stipendiat in Deutschland studiert hat und dort katholisch geworden ist. Der neu aus Deutschland ausgewanderte Handwerker knüpft erste Kontakte zu einem älteren Ordensmann, der fast sein ganzes Leben im Gastland verbracht hat. Unsere Gemeinden eröffnen Begegnungsräume. In Zeiten von Fake News, Populismus und der Verschiebung des Sagbaren in vielen Bereichen feiern unsere Auslandsgemeinden Gemeinschaft, Vielfalt und Weltoffenheit über Grenzen hinweg.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 9/2025.