Vor einem Jahr fand im Weinort Deidesheim eine zweitägige Klausurtagung der Rundfunkkommission statt, die entscheidende Weichen für eine tiefgreifende Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks stellen und durch eine Veränderung des Auftrages auch Beitragsstabilität ermöglichen sollte. Viele Medienpolitiker hatten im Vorfeld der Klausur selbstkritisch eingeräumt, dass durch die Missstände bei einigen ARD-Anstalten verloren gegangenes Vertrauen nur durch tiefgreifende strukturelle Veränderungen wiederhergestellt werden kann. So hatten die für Medienpolitik Verantwortlichen der 16 Bundesländer beschlossen, dass die digitale Transformation beschleunigt, die Strukturen verschlankt und die Anstalten enger zusammenarbeiten sollten. Zudem würden künftig einheitliche Transparenz- und Compliance-Regeln gelten. Die Rundfunkkommission hatte sich zudem verständigt, einen Zukunftsrat aus Experten als zeitweiliges Gremium einzusetzen.

Was ist nach einem Jahr aus diesen Vorsätzen geworden? Es liegt kein Entwurf für einen weiteren Reformstaatsvertrag vor, die Anstalten haben eine Reihe von Reformen beschlossen, aber welche wirtschaftlichen Effekte diese Veränderungen bedeuten, wurde nicht gesagt. Zudem hat die Beitragskommission KEF im November bekanntgegeben, dass nach ihren Berechnungen der Rundfunkbeitrag ab 1. Januar 2025 um 58 Cent auf 18,94 Euro steigen soll. Sechs Ministerpräsidenten unterschiedlicher Parteizugehörigkeit lehnen nach wie vor eine Beitragserhöhung ab.

Öffentlichkeit erwartet substanzielle Reformen bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten

Der von der Gesellschaft erhoffte Umbau des öffentlich-rechtlichen Systems lässt weiter auf sich warten. Gleichzeitig hat der Druck der Öffentlichkeit auf die Länder zugenommen, ARD, ZDF und Deutschlandradio endlich substanziell zu modernisieren und den Auftrag der veränderten Mediennutzung und Medienlandschaft anzupassen. So hat die Grundsatzkommission der CDU im Januar ein Positionspapier, das von einer Kommission unter Leitung von Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, entstanden ist, verabschiedet. Die CDU erwarte, dass sich ARD, ZDF und Deutschlandradio stärker auf Information, Bildung, Beratung, Kultur und Unterhaltung, die einem öffentlich-rechtlichen Profil entspreche, konzentrierten. Dabei hätten sie die Bedürfnisse aller Bevölkerungsgruppen gleichermaßen in den Blick zu nehmen. Erforderlich sei ein stärker kooperativ arbeitendes Korrespondenten- und Reporternetz von ARD und ZDF im In- und Ausland, die Ausweitung und Intensivierung der EU-Berichterstattung, eine starke regionale Verankerung und regionale Vielfalt, mehr Dokumentationen und mehr Ereignisberichterstattung. Die Grenzen des Wachstums seien erreicht, wird im CDU-Grundsatzpapier betont. Neuentwicklungen müssten durch Einsparungen in anderen Bereichen gegenfinanziert werden. Die CDU lehnt jedoch Beitragserhöhungen nicht grundsätzlich ab und bekennt sich zur Rolle der Gebührenkommission KEF. Eine Anhebung der Beiträge komme für sie jedoch nur in Betracht, »wenn und soweit es nach den Feststellungen der KEF und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Austauschentwicklung zur Erfüllung seines gesetzlichen Auftrags wirklich erforderlich ist«.

Die ARD-Intendanten haben im vergangenen Jahr einige Veränderungen auf den Weg gebracht, die durch engere Kooperation und die Bündelung von Kompetenzen zu einer Kostensenkung führen könnten. Zudem soll das Angebot in den Mediatheken ausgebaut werden, und das notwendige Geld dafür werde umgeschichtet. Zu möglichen Einspareffekten halten sich die Anstalten der ARD und das ZDF aber weiterhin bedeckt.

rbb-Staatsvertrag als Vorbild für andere Bundesländer

Dagegen haben die Länder Berlin und Brandenburg in relativ kurzer Zeit Schlussfolgerungen aus dem Beitragsmissbrauch beim rbb gezogen, auf die massive Kritik der Beitragszahler reagiert und im November vergangenen Jahres einen novellierten Staatsvertrag für den Rundfunk Berlin-Brandenburg unterzeichnet. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke betonte, dass mit dem überarbeiteten rbb-Staatsvertrag der Weg für eine Neuaufstellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Hauptstadtregion frei gemacht werde. Jedes Jahr flössen aus Brandenburg Rundfunkbeiträge von rund 250 Millionen Euro an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. »Wir sind es den Bürgerinnen und Bürgern schuldig, dass mit ihren Beiträgen sorgsam umgegangen wird«, sagt Woidke. Er sei davon überzeugt, dass das Gesetz den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in seiner Relevanz und Akzeptanz stärke. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner unterstrich, dass die Novelle des neuen rbb-Staatsvertrages vor dem Hintergrund des immensen Vertrauensverlustes betrachtet werden müsse. Die Vorfälle beim rbb dürften sich nach den Worten Wegners nicht wiederholen. Daher habe man »an allen in Betracht kommenden Stellschrauben« gedreht und setze das um, was sich der Berliner Senat im Koalitionsvertrag vorgenommen habe: eine Stärkung der Aufsichtsgremien, mehr Transparenz und eine angemessene Vergütungsstruktur. Die Rechnungshöfe aus Berlin und Brandenburg, deren Empfehlungen sich zu großen Teilen in der Novelle wiederfinden, bezeichneten den Staatsvertragsentwurf als »bahnbrechende Entwicklung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk« und als »Muster für weitere Novellierungen von Mediengesetzen für ARD-Anstalten«. Die Kernpunkte der Reformagenda für den rbb sind eine größere Transparenz, bessere Kontrolle, stärkere Verantwortung des Intendanten, der Direktoren und Gremiumsmitglieder sowie eine relevantere regionale Berichterstattung. Im Oktober hatte auch der Landtag des Saarlandes ein neues Mediengesetz beschlossen, nach dem das Gehalt des Intendanten oder der Intendantin des SR gedeckelt wird. An der Spitze des Senders steht künftig ein Direktorium: Es besteht neben dem Intendanten aus zwei Verantwortlichen für die Bereiche Verwaltung und Technik sowie Programm und Information. Im Falle von Uneinigkeit liege die Entscheidung jedoch beim Intendanten. Der Rundfunkrat wurde derweil von 38 auf 26 stimmberechtigte Mitglieder verkleinert.

Gebührenerhöhung ist wahrscheinlich

Geht es nach der Beitragskommission KEF wird der Rundfunkbeitrag ab 1. Januar 2025 um 58 Cent auf 18,94 Euro steigen. Die Experten des unabhängigen Beitragsempfehlungsgremiums haben sicher mit spitzem Bleistift gerechnet, um einen Anstieg auf über 19 Euro zu verhindern. Dennoch kann es eine Erhöhung geben. Geht damit die Strategie der Intendanten auf, durch ihre Verweigerungshaltung, konkrete Zahlen zu nennen, eine Erhöhung zu erreichen? Es sieht danach aus. Denn die KEF kann nur die Fakten berücksichtigen und keine Hoffnungen. Da ist zum einen die Bedarfsanmeldung von ARD, ZDF und Deutschlandradio, dazu kommen medienspezifische Teuerungen sowie der BIP-Index, der alle im Inland hergestellten Waren und Dienstleistungen berücksichtigt. Diese Zahl liegt bei zwei bis vier Prozent Steigerung. Davon zieht die KEF die möglichen Rationalisierungseffekte und Einsparungen bei Personalkosten ab und berechnet die Kostensteigerung über einen Zeitraum von vier Jahren. Auch die Rücklagen sowie eine Sonderauswertung der Immobilien, die die Kommission vornahm, wirkten sich aus. Alles in allem bleibt so eine Erhöhung von 58 Cent, um den Bedarf für die Auftragserfüllung abzusichern. Das ist laut Bundesverfassungsgericht die Aufgabe der KEF.

Am 13. Dezember hat die KEF ihren Berichtsentwurf den Intendanten und der Rundfunkkommission vorgestellt und erläutert. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass sie von der Notwendigkeit einer Beitragsanhebung abrücken wird. Die vorgesehene Erhöhung von 58 Cent beträgt ca. drei Prozent des bisherigen Beitrages. ARD, ZDF und Deutschlandradio erzielten 2022 laut Aussagen der Beitragszentrale Einnahmen aus dem Rundfunkbeitrag von 8,5 Milliarden Euro. Auf eine Beitragsperiode hochgerechnet sind das 34 Milliarden Euro. Diese drei Prozent Steigerung entsprechen damit etwa 1,1 Milliarden Euro an Mehreinnahmen von 2025 bis 2028. Um eine Erhöhung ab 2025 zu verhindern, müssten in den nächsten Wochen noch Fakten geschaffen werden, um Einsparungen innerhalb von vier Jahren in dieser Größenordnung zu garantieren, oder der Auftrag müsste in dieser Größenordnung reduziert werden. Das ist nicht realistisch.

Rudi Hoogvliet, Staatssekretär für Medienpolitik und Bevollmächtigter des Landes Baden-Württemberg beim Bund, hat in weiser Voraussicht gegenüber der FAZ erklärt, dass er es für eine Illusion halte, dass konkrete Einsparziele der Sender bei der Ermittlung des Beitrages ab 2025 durch die KEF noch berücksichtigt werden könnten. »Die Forderung nach ›Preisschildern‹ kommt zu früh. Die Reformen, die sowohl die Länder als auch die Anstalten jetzt auf den Weg bringen, benötigen einige Jahre Zeit, bis sie wirken können. Erst 2030, also zur übernächsten Beitragsperiode, werden die Erfolge sichtbar und messbar sein, aber nicht innerhalb von zwölf Monaten. Zudem haben die Anstalten erhebliche Kostensteigerungen zu verkraften. Auch für die digitale Transformation sind Investitionen erforderlich. Deshalb betrachte ich, ohne mich in die Angelegenheiten der KEF einmischen zu wollen, eine geringe Beitragserhöhung auf dem Niveau eines Inflationsausgleichs als Mindestanforderung. Wenn einige Ministerpräsidenten gegenwärtig eine Beitragsstabilität und damit keine Erhöhung fordern, geht das nach meiner Meinung an der Realität vorbei«, sagt Hoogvliet.

Zukunftsrat präferiert tiefgreifende Strukturreform

Am 18. Januar hatte der achtköpfige Zukunftsrat, der von den Ländern im März vergangenen Jahres berufen worden war, seinen Bericht öffentlich vorgestellt. Die Experten aus Medienunternehmen, der Medienforschung und des Medienrechts empfehlen der Rundfunkkommission eine Neubestimmung des Auftrages, tiefgreifende strukturelle Umbauten und Veränderungen an der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und eine Neubesetzung der Gebührenkommission KEF. »Erforderlich sind nicht bloß Veränderungen im System, sondern Umbauten des Systems«, heißt es in dem Bericht.

Der Zukunftsrat empfiehlt die Errichtung einer ARD-Anstalt mit zentraler Leitung, die die Arbeitsgemeinschaft ersetzt. Diese ARD-Anstalt soll Dachorganisation der Landesrundfunkanstalten sein. Sie hat die alleinige Strategie-, Steuerungs-, Finanz- und Organisationskompetenz für die bundesweiten Angebote der ARD und für alle zentralen Aufgaben und Dienstleistungen. Die Landesrundfunkanstalten, von zentralem Abstimmungsaufwand befreit, könnten sich, so die Erwartung, stärker auf ihre Aufgabe konzentrieren: die regionale Grundversorgung und regionale Perspektive. Das Modell folgt dem Gedanken der organisierten Regionalität: Zentrales zentral, Regionales regional. Für die zukünftige ARD-Anstalt, ZDF und Deutschlandradio schlägt der Zukunftsrat jeweils einen pluralistisch besetzten Medienrat als Hüter der Auftragserfüllung, einen überwiegend nach Fachexpertise besetzten Verwaltungsrat zur Stärkung von Strategiefähigkeit und Kontrolle und eine kollegiale Geschäftsleitung vor. Um die Digitalisierung rasch, erfolgreich und zu vernünftigen Kosten voranzutreiben, empfiehlt der Zukunftsrat, eine Gesellschaft für die Entwicklung und den Betrieb einer gemeinsamen technologischen Plattform zu gründen.

Klausurtagung der Rundfunkkommission in Bingen

Auf einer erneuten Klausurtagung, dieses Mal in Bingen am Rhein, sollen, wie es die Medienstaatssekretärin in Rheinland-Pfalz und Koordinatorin der Medienpolitik der Länder, Heike Raab, der FAZ sagte, die vier Reformstränge zusammengeführt werden. Neben den Überlegungen der Länder, des Zukunftsrates und der Sender habe auch die KEF konkrete Forderungen. Ziel der Länder sei es, zu den drei großen Themenfeldern Digitalisierung, Stärkung der Qualität, effizienterer Einsatz der Beitragsmittel und Good Governance konkrete Vorschläge zu unterbreiten. Dabei wollen die Länder auch in den Blick nehmen, wie künftig die Jüngeren besser erreicht werden. So zeige eine neue Studie der Landesmedienanstalten, dass die unter 30-Jährigen bereits heute das Internet zu 52 Prozent für ihren Medienkonsum nutzten. Die Anstalten müssten den Wandel von der linearen Verbreitung hin zu Onlineangeboten viel stärker vorantreiben. Außerdem soll das »Gemeinsame« bei ARD und ZDF zur Regel werden, das »Nicht-Gemeinsame« die Ausnahme. Das bedeute, stärker als bisher Doppelstrukturen abzubauen. Dazu werde es von den Ländern bei der Klausurtagung konkrete Vorschläge geben. Im Vorfeld sind bereits einige Überlegungen bekannt geworden, die Eingang in einen neuen Reformstaatsvertrag finden könnten: Zu den diskutierten Vorgaben gehörten Kriterien für außertarifliche Gehälter, auch der Intendanten, und ein mögliches Abrücken vom bisherigen Intendantenprinzip. Zwar wollen die meisten Länder nicht so weit gehen, wie Rainer Robra, Kultur- und Medienminister in Sachsen-Anhalt, der einen ans Aktienrecht angelehnten Vorstand forderte, aber ein Kompromiss zwischen beiden Konzepten scheint möglich. Zu den Vorgaben, die ernsthaft erwogen werden, gehören eine gemeinsame Onlineplattform mit einer einheitlichen Organisation, die Pflicht zur engeren Zusammenarbeit und die Schaffung von Kompetenzzentren. Zudem soll ein Mantelprogramm für alle Dritten Programme festgeschrieben werden. Die Telemedien der öffentlich-rechtlichen Sender sollen weiterhin werbefrei sein. Aber auch eine zentrale Steuerungseinheit für Verwaltung und Technik oder eine Deckelung der Sportrechte werden ins Auge gefasst. Bei allen Landesregierungen besteht die Hoffnung, dass noch in diesem Jahr der Entwurf eines Medienstaatsvertrages mit weitreichenden Reformschritten vorliegen wird.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 2/2024.