Design ist in unserem Alltag allgegenwärtig, von Logos und Werbung bis hin zu Produkten und digitalen Benutzeroberflächen. Es beeinflusst maßgeblich unser Verhalten, unsere Entscheidungen und unsere Wahrnehmung der Welt. Insbesondere spielt Design eine Schlüsselrolle bei der Schaffung einer visuellen Identität für Marken und Unternehmen, wobei Farben, Schriften und Bilder Emotionen, Werte und Botschaften vermitteln. Gutes Design verbessert die Benutzererfahrung durch intuitive, einfache und angenehme Gestaltung, während es gleichzeitig kulturelle Trends und Normen widerspiegelt.

Trotz seiner allgegenwärtigen Bedeutung ist die heutige Designlandschaft immer noch sehr uneinheitlich. Design manifestiert sich in verschiedenen Bereichen wie Fotografie, Medien, Grafik, Mode und Kommunikation, aber wie in vielen anderen Bereichen sind Frauen im Design oft weniger präsent als ihre männlichen Kollegen.

Kein Design ohne Geschlecht

In der Vergangenheit wurden Designerinnen und ihre Arbeit hauptsächlich aus einer männlichen Perspektive betrachtet, und weibliches Design wurde oft nur als Teil der Arbeit berühmter Männer angesehen. Trotz einiger Ausnahmen wie Aino Aalto, deren Beitrag als Designerin neben Alvar Aalto noch nicht vollständig erforscht ist, ist die Anerkennung von Frauen in der Branche immer noch begrenzt.

»Was haben die Temperaturregelung im Büro, die Breite einer Klaviertastatur oder die Abmessungen unseres Smartphones gemeinsam? Sie alle sind so konzipiert, dass sie perfekt in die Welt eines durchschnittlich 1,75 Meter großen Mannes passen. Dieses Konzept des ›Referenzmannes‹ wird oft als allgemeingültig für die gesamte Menschheit angesehen. Die gestaltete Welt ist aber so viel komplexer und diverser. Gendersensibles oder ›fluides‹ Design muss so konzipiert sein, dass es allen Menschen zugutekommt«, so Uta Brandes.

Das international Gender Design Network (iGDN), initiiert von Uta Brandes und Simone Douglas, macht seit seiner Gründung 2016 darauf aufmerksam, wie wichtig es ist, Genderbewusstsein in den Designprozess zu integrieren, um sowohl Geschlechterblindheit als auch Geschlechterstereotype zu vermeiden. Das iGDN legt daher einen besonderen Schwerpunkt auf Gender im Designprozess: Wie können gendersensible Methoden entwickelt und in den Designprozess implementiert werden? Wie können alle an diesem Thema Interessierten in einem einflussreichen und effektiven Netzwerk zusammengeführt werden?

Alles andere als gleichberechtigt

Die Hälfte der Design-Studierenden sind Frauen. Der Datenreport »Baustelle Geschlechtergerechtigkeit« widmet sich sowohl den Soloselbstständigen als auch den abhängig Beschäftigten und macht deutlich, dass trotz erkennbarer Fortschritte nach wie vor eine deutliche geschlechtsspezifische Segregation der Berufe auf dem Kulturarbeitsmarkt besteht und in einigen Kultursparten ein alarmierender Gender-Pay-Gap zu verzeichnen ist.

Der Datenreport zeigt eine erhebliche Spreizung des Gender-Pay-Gaps bei den in der Künstlersozialkasse Versicherten. Insbesondere im Bereich Industrie- und Modedesign ist der Gender-Pay-Gap am höchsten. Er lag 2013 bei 48 Prozent und sank bis 2023 auf 46 Prozent. Die Daten zeigen eine deutliche Einkommenslücke zwischen Mediendesignerinnen und ihren männlichen Kollegen, wobei Frauen grob geschätzt rund ein Drittel weniger verdienen. Im Bereich Grafik- und Webdesign lag der Gender-Pay-Gap 2013 bei 25 Prozent und stieg bis 2023 auf 27 Prozent an. Im Bereich Mediendesign stieg der Gender-Pay-Gap von 10 Prozent im Jahr 2013 auf 29 Prozent im Jahr 2023. Die Einkommen im Kulturbereich sind im Vergleich zu anderen Branchen teilweise sehr niedrig, in einigen Kultursparten sogar extrem niedrig.

Woran liegt das?

Alexander Haase, der Geschäftsführer von DESIGNERDOCK Frankfurt, einer Personalberatung, die regelmäßig den Designermarkt untersucht und Umfragen durchführt, diagnostiziert: »Die Werbebranche ist sehr weiblich geprägt, da fallen Ungleichheiten umso mehr auf: in den Gehältern, aber auch wie wenig Frauen es in Führungspositionen gibt. Ein Grund ist sicherlich die Tatsache, dass Werbung lange Zeit ein ›boys club‹ war. Ein weiterer, dass Frauen, unserer Erfahrung nach, sich in Gehaltsverhandlungen oft viel defensiver verhalten als Männer. Beides hängt zusammen: Wo Frauen als Führungsfiguren und Vorbilder fehlen, fällt es anderen Frauen vermutlich schwerer, selbstbewusst aufzutreten.«

Hier besteht nach wie vor ein erheblicher Nachholbedarf, unabhängig von Familienpausen, Teilzeitbeschäftigung oder anderen Unterbrechungen, die oft als Erklärung für den Gender-Pay-Gap angeführt werden.

»In der Modebranche verdienen ausschließlich Männer. Designerinnen, die in Unternehmen tätig sind, sollten einen respektvollen Umgang genießen und ihre kreative Leistung angemessen anerkannt werden. Es wird oft als selbstverständlich angesehen, dass Designerinnen Ideen liefern. Allerdings liegt die Entscheidung darüber, ob diese kreative Leistung umgesetzt wird, in den Händen anderer, wie Vertriebler und Controller. In großen Modeunternehmen werden Designerinnen häufig lediglich als Ideenlieferantinnen betrachtet, während wirkliche Kreativität nicht ausreichend gewürdigt wird«, so Mara Michel, Geschäftsführerin des VDMD, des Netzwerks Deutscher Mode- und Textildesigner, und Vizepräsidentin des Designtages.

Der Gender-Pay-Gap: Ein komplexes Phänomen

In vielen Designagenturen und Unternehmen gibt es trotz gleicher Arbeit und Qualifikation noch immer keine Lohngleichheit. Daneben spielen strukturelle Probleme wie Arbeitszeitmodelle und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine entscheidende Rolle. Die Frage nach dem Gender-Pay-Gap und seinen Ursachen ist von großer Bedeutung.

In Deutschland verdienen Frauen im Durchschnitt 18 Prozent weniger als Männer. Dieser Gender-Pay-Gap spiegelt nicht nur direkte Diskriminierung wider, sondern ist das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels verschiedener Faktoren.

Überwindung von Lohnungleichheit und Förderung weiblicher Karrieren

Um dieses Problem anzugehen, sind strukturelle Veränderungen notwendig. Neben der Transparenz in Gehaltsfragen sollten Agenturen und Unternehmen neue Strukturen schaffen, um die Lohnungleichheit zu überwinden. Dazu gehören ein Umdenken in der Unternehmenskultur und eine stärkere Präsenz von Frauen in Führungspositionen. Alexander Haase, der Geschäftsführer von DESIGNERDOCK Frankfurt, ergänzt: »Mehr Flexibilität in Sachen Arbeitsmodelle ist notwendig, da es nicht nur einen Gender-Pay-Gap, sondern auch einen Gender-Care-Gap gibt: Es sind zumeist immer noch die Frauen, die für Kinder oder die Pflege von Angehörigen ihre Karriere pausieren und später in Teilzeit arbeiten. Vielversprechende weibliche Karrieren enden daher oftmals, sobald die Mitarbeiterinnen ein Kind bekommen. Die traditionelle Argumentation: Teilzeitjobs und der hohe persönliche Einsatz, den Werbung braucht, um erfolgreich zu sein, passen nicht zusammen. Wir glauben nicht, dass das so stimmt. Vor allem beraubt sich die Branche auf diese Weise auch zahlreicher weiblicher Talente, indem sie diese weit unter ihren Möglichkeiten einsetzt. Von einem Umdenken würden also tatsächlich alle profitieren.«

Der Gender-Pay-Gap ist nicht nur das Ergebnis direkter Diskriminierung, sondern auch ein Produkt des gesellschaftlich verankerten Sexismus. Es bedarf gemeinsamer Anstrengungen, um ein besseres Miteinander zu schaffen. Möglicherweise kann die Werbebranche hier langfristig zum Vorbild für andere Branchen werden, da ihre kommunikative Kraft für Veränderungen bekannt ist.

Erfolgsgeschichten

In den letzten Jahren sind vermehrt Ansätze zur Förderung der Geschlechtergerechtigkeit zu beobachten. Der von Isabel Gabor und Lisa Eppel im Jahr 2020 initiierte Ad Girls Club strukturiert sich und wandelt sich zum Kollektiv. Er setzt sich aktiv für Veränderungen in der etablierten Struktur der Agenturbranche ein. Sexismus, Gender-Pay-Gap und eingeschränkte Aufstiegschancen für Frauen sind nach wie vor große Herausforderungen in der Werbebranche. Trotz der Vielfalt an kleinen und großen Kreativagenturen mit unterschiedlichen Ausrichtungen gewinnt das Manifest des Ad Girls Club kontinuierlich neue Unterstützer. Der jüngste Beitritt von GroupM und anderen großen Gruppen wie OMG, IPG Mediabrands, Dentsu, Havas Media und Publicis Media mit ihren Agenturen MediaCom, Mindshare, Wavemaker und Essence ist ein weiterer Schritt in Richtung struktureller Veränderungen in der Werbebranche.

Karin Ross, CEO von GroupM, sagte am 19. März 2024 gegenüber Meedia: »Wir schätzen die Arbeit des Ad Girls Clubs sehr. Die Ziele matchen perfekt mit unserem aktiven und langjährigen Engagement für eine vielfältigere Branche.«

Der Blick über den Tellerrand

Designerinnen sind in der EU unterrepräsentiert und verdienen weniger, so eine Studie des Europäischen Amts für geistiges Eigentum (EUIPO). Die anlässlich des Welttags des geistigen Eigentums veröffentlichte Studie zeigt, dass nur 24 Prozent der Designer in der EU Frauen sind. Bei gleichbleibendem Tempo würde es mehr als 50 Jahre dauern, um diese Lücke zu schließen. Darüber hinaus verdienen Designerinnen im Durchschnitt 12,8 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Dabei gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den EU-Mitgliedstaaten.

Obwohl Faktoren wie Alter und Arbeitsbedingungen zu diesem Lohn gefälle beitragen können, bleibt ein unerklärtes Lohngefälle von 8 Prozent.

Der Exekutivdirektor des EUIPO, Christian Archambeau, betonte die Bedeutung der Geschlechtergleichstellung in allen Bereichen, einschließlich des geistigen Eigentums: »Geschlechtergleichstellung ist eines der grundlegenden Ziele der EU. Sie ist auch ein Gebot in allen Lebensbereichen, einschließlich im Bereich des geistigen Eigentums. Die meisten bisher durchgeführten geschlechterbezogenen Studien konzentrierten sich auf Erfinder und Patente. Mit dieser neuen EUIPO-Studie, die sich auf Designerinnen und ihre Beteiligung am System des Gemeinschaftsgeschmacksmusters des EUIPO konzentriert, hoffen wir, auf die bestehende Geschlechterkluft aufmerksam zu machen und mehr Frauen dazu zu inspirieren, eine Karriere im Bereich Design anzustreben, um eine vielfältigere und inklusivere Berufsgruppe zu fördern.«

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 4/2024.