Am 23. Februar dieses Jahres hatte die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) ihren 24. Bericht vorgestellt. Danach soll der Rundfunkbeitrag ab 2025 um jährlich 0,58 Euro auf 18,94 Euro steigen. Die Sender hatten ihren Bedarf deutlich höher angemeldet, sodass nach ihren Wünschen die monatlichen Zahlungen auf 19,96 Euro gestiegen wären. Die Kommission hat den angemeldeten Bedarf um 1,8 Milliarden Euro und damit um knapp zwei Drittel gekürzt. Mit einem Plus von 0,58 Euro pro Beitragszahler stünden ARD, ZDF und Deutschlandradio für die nächsten vier Jahre fast 3 Milliarden mehr zur Verfügung und die jährlichen Beitragseinnahmen würden sich auf 10,4 Milliarden Euro erhöhen. 2022 lagen sie bei 8,5 Milliarden Euro. Nach der Empfehlung der KEF müssen sich die Länder umgehend auf einen Finanzierungsstaatsvertrag einigen, für den auch die Landesparlamente votieren, damit die Neufestsetzung des Beitrages ab 1. Januar 2025 in Kraft treten kann. Im Medienstaatsvertrag wird die »Handlungspflicht« so beschrieben, dass die Beitragsfestsetzung durch einen Staatsvertrag erfolgt. Bekanntlich haben die Verfassungsrichter ebenfalls geurteilt, dass vom KEF-Vorschlag nur in Ausnahmefällen, fundiert begründet, abgewichen werden darf. »Für das Inkrafttreten der Regelungen des (Rundfunk finanzierungs-)Staatsvertrags über Beitragsanpassungen – auf der Grundlage der Bedarfsfeststellung der KEF – bedarf es derzeit mangels anderer Vereinbarung (…) immer wieder erneut der Zustimmung aller Länder«, so die Karlsruher Richter. Doch danach sieht es gegenwärtig nicht aus. Die Regierungschefinnen und -chefs werden in den nächsten Monaten keinen Vertragsentwurf vorgelegt bekommen und damit wird der Rundfunkbeitrag nicht zu Beginn des nächsten Jahres steigen.

Vorerst kein neuer Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag

Ein solches Vorgehen der Bundesländer hält der renommierte Verfassungsrechtler Prof. Dr. Dieter Dörr gegenüber der FAZ durchaus für möglich: »Wenn der Vorschlag der KEF, den Rundfunkbeitrag ab 2025 zu erhöhen, von den Ländern nicht aufgegriffen, kein neuer Finanzierungsstaatsvertrag geschlossen wird und die Anstalten nicht gegen diese Untätigkeit beim Bundesverfassungsgericht klagen sollten, bleibt der gegenwärtige Beitrag von 18,36 Euro weiter bestehen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung per Vollstreckungsanordnung den Rundfunkbeitrag, wie er im Medienänderungsstaatsvertrag vorgesehen ist, für so lange festgesetzt, bis eine ›staatsvertragliche Neuregelung durch die Länder‹ erfolgt.« Die Länder entgehen durch das »Ignorieren« der KEF-Empfehlung einem Dilemma und die KEF hat zwei Jahre Zeit, um die Bedarfsermittlung zu aktualisieren und für den 25. Bericht 2026 neu zu berechnen.

Diese Strategie bestätigte Heike Raab, Koordinatorin der Medienpolitik der Länder und Medienstaatssekretärin in Rheinland-Pfalz in einem FAZ-Interview am 27. Februar: »Wir werden diese Entscheidung im Herbst treffen. Dazu sollen die finanziellen Auswirkungen der Reformvorschläge der Rundfunkkommission und des Zukunftsrates durch ein Sondergutachten der KEF berechnet werden (…) Im Herbst liegen den Ländern alle drei Dokumente vor und dann werden wir uns über den weiteren Weg verständigen. Wenn sichtbar ist, dass die Länder den Reformstaatsvertrag gemeinsam verabschieden, ist das auch ein wichtiges Signal für die Sender. Damit besteht für eine politische Entscheidung eine zeitliche Elastizität, die die Anstalten nach unserer Meinung verkraften können.« Und Oliver Schenk, Medienminister und Chef der Staatskanzlei in Sachsen, sagte am 6. März: »Die KEF-Empfehlung kommt zu einem Zeitpunkt, an dem sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk in einem großen Reformprozess befindet. Damit ist der KEF-Bericht eine Momentaufnahme, die zeigt, wohin es geht, wenn jetzt nicht zügig gegengesteuert wird. Es geht darum, das öffentlich-rechtliche System kostengünstiger und effizienter zu organisieren und dabei die Chancen und Möglichkeiten der Digitalisierung entschlossener als bisher auch für eine Optimierung der Abläufe zu nutzen. Deshalb halte ich eine Beitragsanhebung derzeit für verfrüht. Wir sollten zunächst die Auswirkungen der Reformen abwarten, bevor ein neuer Finanzierungsstaatsvertrag auf den Weg gebracht wird.«

Öffentlich-rechtliche Anstalten sollen auf die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts verzichten

Die Rechnung der Staatskanzleien geht aber nur auf, wenn ARD, ZDF und Deutschlandradio darauf verzichten, das Bundesverfassungsgericht anzurufen, weil sie nicht bedarfsgerecht finanziert seien. Das kann funktionieren, denn die öffentliche Kritik an der zögerlichen Reformbereitschaft und am mangelnden Sparwillen ist nach wie vor groß und eine erneute Anrufung des Verfassungsgerichts würde das lädierte Image weiter verschlechtern. Das Recht zur Verfassungsklage haben in diesem Fall nur die Anstalten, denn nur ihnen steht der Rundfunkbeitrag zu. Als Anreiz für deren Stillhalten könnte ihnen die KEF gestatten, die bisher gesperrten Rücklagen von einer Milliarde Euro ab 2025 zu verbrauchen. Die Chefs der ARD und des ZDF, Kai Gniffke und Norbert Himmler, reagieren auf das abwartende Vorgehen der Medienpolitik bisher sehr zurückhaltend. So antwortete der ARD-Vorsitzende und SWR-Intendant, Kai Gniffke, auf die Frage, ob die ARD die Nichtumsetzung der KEF-Empfehlungen rügen würde: »Das ist möglich, aber das sind Fragen, mit denen ich mich jetzt nicht beschäftige (…). Ich finde es anmaßend, bereits jetzt alle rechtlichen Möglichkeiten durchzuspielen.« ZDF-Intendant Himmler sagte der FAZ am 12. März: »Wir sehen, dass der Prozess zeitlich eng wird. Aber ich vertraue darauf, dass sich die Länder an das von ihnen selbst festgelegte Verfahren halten. Medienpolitische Überlegungen wie der Ruf nach weiteren Reformen dürfen nicht mit dem aktuellen Beitragsverfahren verknüpft werden (…). Das Bundesverfassungsgericht hat das KEF-Verfahren mehrfach bestätigt. Es ist auch international ein anerkanntes Vorbild. Deshalb gehe ich davon aus, dass das Verfahren eingehalten wird.«

Anstalten arbeiten kaum effizienter als vor 20 Jahren

Die Ankündigung von Ministerpräsidenten, einer Beitragserhöhung nicht zuzustimmen, wurde unter anderem auch von ARD-Intendanten kritisiert. Doch was wäre passiert, hätte es diese Vorfestlegung nicht gegeben? Bei der geplanten Beitragserhöhung für den Zeitraum 2021-2025 haben alle Regierungschefinnen und -chefs in der ersten Runde, trotz einiger Bedenken, der KEF-Empfehlung zugestimmt, den monatlichen Obolus für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk um 86 Cent auf 18,36 Euro zu erhöhen. Doch ein Landesparlament verweigerte die Zustimmung, sodass das Bundesverfassungsgericht entscheiden musste. Schon vor fünf Jahren, im Zusammenhang mit der Erarbeitung des Medienänderungsstaatsvertrages, gab es die Forderung aus Politik und Gesellschaft, dass die Anstalten selbst aktiver werden, den Spielraum für Reformen nutzen sollten. Doch kaum etwas bewegte sich zwischen Saarbrücken, Mainz und Hamburg. Die letzten substanziellen Reformen von ARD, ZDF und Deutschlandradio sind 2017 beschlossen worden. Zusammen mit den Veränderungen bei der Rückstellung für die Altersversorgung war das ein Paket von etwa zwei Milliarden Euro bis 2028. Die jüngst angekündigten Einsparungen durch Kompetenzzentren und engere Hörfunkkooperationen bei der ARD sollen innerhalb von vier Jahren 50 Millionen Euro betragen. Ein deutlicher Rückschritt. Zudem werden die Finanzmittel in die digitale Transformation gesteckt. Rein fiskalisch hat der Beitragszahler davon keinen Nutzen.

Der KEF-Vorsitzende Martin Detzel hat zur Effektivität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks festgestellt: »Schließt man die von der Kommission für 2025 bis 2028 empfohlene Beitragserhöhung in die Berechnung mit ein, so ist seit 2009, also über eine rechnerische Dauer von 20 Jahren, für die Beitragszahler nahezu eine absolute Beitragsstabilität erreicht. Unter Berücksichtigung der Kaufkraftentwicklung ist die relative Beitragsbelastung sogar rückläufig. Dazu hat auch die Umstellung vom Gebühren- auf das Beitragsmodell beigetragen. Den Anstalten ist absolut gesehen mehr Geld zugeflossen.« Das heißt im Klartext, dass ohne Umstellung auf das Beitragsmodell der Beitragszahler deutlich stärker zur Kasse gebeten würde, weil die Anstalten heute kaum effektiver arbeiten als vor 20 Jahren. Das belegen auch zahlreiche Beispiele im 24. KEF-Bericht.

Auf 14 Seiten befasst sich die Kommission in einem gesonderten Kapitel mit der »Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit« in den Anstalten. Eingangs dieses Abschnitts heißt es: »Die Kommission erwartet, dass die Anstalten dauerhafte Wirtschaftlichkeitspotenziale realisieren. Sie erwartet ferner, dass die Anstalten weitergehende Ansatzpunkte der Kooperation und kostensenkende Reformmaßnahmen entwickeln. Von den Anstalten sind verstärkte Anstrengungen zu unternehmen, ihre Leistungserstellung wirtschaftlich und sparsam durchzuführen.« Obwohl beispielsweise mit dem Dritten Medienänderungsstaatsvertrag, der im Juni 2023 in Kraft trat, den Anstalten die Möglichkeit eingeräumt worden ist, Spartenprogramme zu reduzieren, wurden für die nächsten vier Jahre auch für diesen Bereich Mehrausgaben angemeldet. Besonders deutlich wird das beim ZDF-Spartenprogramm ZDFneo. Für ZDFneo ist eine Steigerung um 112,1 Millionen Euro (30,4 Prozent) vorgesehen. Diese Kostenerhöhung will das ZDF über Einsparungen in anderen Bereichen erreichen. Das Beispiel zeige, so die KEF, »dass Einsparungen in erheblichem Umfang möglich sind«. Ähnliche Defizite und mangelnde Effizienz wie im Sendebetrieb ermittelte die Expertenkommission auch bei der Immobilienbewirtschaftung. Das Immobilienportfolio der elf Rundfunkanstalten umfasst bundesweit 247 Liegenschaften mit 499 Objekten, darunter Funkhäuser, Regionalbüros/-studios und Korrespondentenbüros. Der Gutachter hat erhebliche Defizite bei den vorhandenen Datengrundlagen der Anstalten festgestellt. Flächen-, Personal- und Kostenangaben konnten teilweise nur lückenhaft geliefert werden. Die vorhandene Datenverfügbarkeit und -qualität seien demnach für objektscharfe Steuerungs- und Analysezwecke des Portfolios nicht ausreichend. Auch die Ermittlung von Gesamtnutzungskosten war mit der vorhandenen Datengrundlage nicht möglich.

Sondergutachten der KEF bis Oktober

Die Rundfunkkommission der Länder hofft, im Herbst über ausreichend Fakten zu verfügen, die die Möglichkeit von beitragsrelevanten Reformen ab 2027 belegen und die damit zu einer neuen KEF-Empfehlung führen sollen, die einer Beitragsstabilität für weitere zwei Jahre nahekommen könnte. Dazu wird von den Anstalten bis April ein konkreter Zeitplan für deren Einsparprojekte erwartet. Zudem soll die KEF in dem Sondergutachten bis Oktober 19 Fragen zu den wirtschaftlichen Effekten struktureller und inhaltlicher Veränderungen beantworten. So wird die Expertenkommission das Einsparpotenzial bei einer konsequenten Umsetzung der Vorgaben zum Personalabbau bei ARD, ZDF und Deutschlandradio kalkulieren. Die Rundfunkkommission interessiert auch, »welche finanziellen Auswirkungen die Zusammenlegung der beiden Standorte des Deutschlandradios, die Errichtung oder Anmietung eines neuen gemeinsamen Standortes und die Nutzung bestehender Immobilien, beispielsweise bei öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten« ergäben. Aufbauend auf dem Immobiliengutachten soll das Sparpotenzial bei einem Abbau der Eigentumsquote, wie sie bei Medienunternehmen der Privatwirtschaft üblich sei, geschätzt werden. Acht Fragen befassen sich mit strukturellen Veränderungen bei den Anstalten, die auch einen Schwerpunkt des Reformstaatsvertrages bilden. So sollen mögliche Einsparungen bei einer verpflichtenden Zusammenarbeit innerhalb der ARD sowie zwischen ARD, ZDF und Deutschlandradio vor allem in der Verwaltung und im technischen Bereich definiert und die Frage geklärt werden, ob eine solche Verpflichtung die Personalabbaurate deutlicher erhöhen könnte. Dazu zählen auch Programmrechte erwerb und -verwertung, der Programmaustausch, die Verbreitung von Angeboten sowie eine mögliche gemeinsame operative Einheit: ein »Shared Service Center«. Innerhalb der ARD sollen die vorgesehenen Kompetenzzentren, eine gemeinsame modulare Inhaltedatenbank sowie Mantelprogramme im Hörfunk und im Fernsehen geprüft werden. Zu den Vorschlägen des Zukunftsrates gehörte die Bildung einer eigenständigen Organisation für ein gemeinsames technisches Plattformsystem. Deren finanzielle Auswirkungen sollen ebenso ermittelt werden wie die Einsparpotenziale durch eine gemeinsame Nutzung von Standorten und Technik für das Korrespondentennetzwerk von ARD, ZDF und Deutschlandradio.

Es liegt viel Arbeit vor den 16 unabhängigen Sachverständigen, zumal etliche Daten entweder geheime Verschlusssache bei den Anstalten sind oder nicht erhoben werden. Auf dieses Manko hatte die KEF in ihrem jüngsten Bericht bereits verwiesen. So enthalte das Regelwerk der ARD-Anstalten und des ZDF, anders als das staatliche Haushaltsrecht, »keine durchgehende Verpflichtung zur generellen Durchführung von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen nach fachlichen Vorgaben bei finanzwirksamen Maßnahmen.«

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 4/2024.