Die Filmwirtschaft ist ein wichtiger Teil der deutschen Kreativwirtschaft. Nicht der größte und wichtigste, wie man aufgrund des starken Selbstbewusstseins der Akteure manchmal denken könnte, aber kein unbedeutender. Im Jahr 2021 hatte diese Branche 8,6 Milliarden Euro zum Umsatz der Kreativwirtschaft in Höhe von 175,4 Milliarden Euro beigesteuert. Damit liegt sie von neun Teilmärkten an siebter Stelle. Diese 8,6 Milliarden Euro basieren sehr wesentlich auf einer umfangreichen und differenzierten Förderung in Höhe von 600 Millionen Euro. Davon stammen 330 Millionen Euro von der Bundesregierung, 200 Millionen Euro von den Länderförderern, und 70 Millionen sind Filmabgaben der Filmwirtschaft selbst. Bisher hatte Kulturstaatsministerin Claudia Roth – abgesehen von den Branchenmitteln der FFA – die Bundesförderung von ca. 330 Millionen Euro aus ihrem Budget bezahlt. Künftig soll der größte Teil aus den Steuereinnahmen der Länder und der Bundesregierung sowie von deutschen TV-Sendern und internationalen Plattformen stammen. Ob das reicht, ab wann Netflix, Amazon und Co. zur Kasse gebeten werden können, wie viel aus dem Rundfunkbeitrag zugesteuert werden muss und ob die Zuschüsse der privaten Sender für die Länderförderungen angerechnet werden können, ist bisher unklar. Ein Jahr lang hatte Claudia Roth die Eckpunkte für eine große Reform der Filmförderung, die sie im Februar 2023 verkündet hatte, zu Entwürfen für drei Gesetze in ihrem Haus weiterentwickeln lassen. Das novellierte Filmfördergesetz liegt als Referentenentwurf vor, das heißt, das Bundeskabinett hat dem bisher nicht zugestimmt, und die beiden Vorlagen für das Aufkommen der wesentlichen Fördergelder sind sogar nur Diskussionsentwürfe.

 

Filmförderung des Bundes soll gebündelt werden

Mit dem Filmförderungsgesetz (FFG) soll eine Bündelung der Filmförderung des Bundes unter dem Dach der Filmförderungsanstalt (»Förderung aus einer Hand«) geschaffen werden. Die FFA wird künftig sowohl die abgabefinanzierte Förderung nach dem FFG als auch die steuerfinanzierte jurybasierte Filmförderung durchführen, die insbesondere die kulturelle Filmförderung umfasst. Die Förderung soll unabhängig, transparent und effizient sein. Wesentliche Neuerungen sind dabei die Konzentration des FFG auf die drei Förderbereiche Produktion, Verleih und Kino bei weitgehender Automatisierung der Förderinstrumente. Zudem gibt es eine noch stärkere Verankerung von Diversität und Inklusion. Die vorgesehene Referenzmittelförderung soll jungen Filmemachern mehr Sicherheit bei der Projektentwicklung und der Finanzierung verschaffen. Die Erweiterung dieser Förderung, die in starkem Maß den Erfolg eines Films berücksichtigt, soll außerdem den Verleihern und den Urhebern, wie den Drehbuchautoren, zugutekommen. Laut den Erwartungen von Claudia Roth könnte die Automatisierung der Projektförderung die Zersplitterung der Förderung zwischen Bund und Ländern reduzieren.

Die beiden neuen Finanzierungsinstrumente sollen die bisherigen wichtigsten Geldquellen, den Filmförderfonds (DFFF) und des German Motion Picture Fund (GMPF) ersetzen. Die Kosten allein für das Steuersparmodell liegen wohl höher als die 166 Millionen Euro, die gegenwärtig in DFFF und GMPF fließen.

 

Neue Finanzierungsinstrumente für die Filmförderung

Durch das sogenannte Filmförderungszulagengesetz (Steueranreizmodell) soll Deutschland als international wettbewerbsfähiger Produktionsstandort für Film- und Serienproduktionen gestärkt, der Technologietransfer gefördert und eine vielfältige Filmindustrie mit hoch qualifizierten Fachkräften in Deutschland gesichert und ausgebaut werden. Mit einem solchen Gesetz haben mehrere europäische Länder, zuletzt Österreich, sehr gute Erfahrungen gemacht. Schwankte die Höhe der Förderung bislang zwischen 20 und 30 Prozent, soll nun dem internationalen Durchschnitt entsprechend einheitlich die Filmförderungszulage 30 Prozent der anerkennungsfähigen Produktionskosten in Deutschland betragen.

Mit der Etablierung einer steuerbasierten Filmförderung in international vergleichbarer Höhe hofft man, den zentralen Nachteil des Standortes Deutschland im Wettbewerb um nationale und internationale Großproduktionen auszugleichen. Zudem erfolgt eine stärkere Gleichbehandlung von Serien- und Filmproduktionen innerhalb der automatischen Anreizförderung, »da die volkswirtschaftlich erzielten Effekte unabhängig davon eintreten, ob eine Serie oder ein Film in Deutschland produziert wird«, heißt es im entsprechenden Diskussionsentwurf. Auch eine verpflichtende Auswertung im Kino ist nicht mehr vorgesehen. Dies könnte die viel kritisierte »Filmschwemme« reduzieren und zu größerer Sichtbarkeit der für das Kino produzierten und entsprechend beworbenen Filme führen. Während die Filmwirtschaft diese Pläne einmütig begrüßt, ist das Echo aus den Ländern bisher verhalten. Da die steuerliche Entlastung auch von den Bundesländern mitgetragen wird, ist deren Zustimmung durch den Bundesrat erforderlich.

Vor allem das Investitionsverpflichtungsgesetz stößt bei Sendern und Streaminganbietern auf Widerstand. Hierbei geht es um Abgaben auf den Umsatz der Plattformen und Mediatheken der TV-Sender in Höhe von 20 Prozent. Damit sollen diese verpflichtet werden, mehr in deutsche und europäische Produktionen zu investieren. Bereits 2017 hat die EU in der Richtlinie für Audiovisuelle Medien (AVMD-RL) Regelungen zur Förderung europäischer Werke getroffen, um Anbieter zu Direktinvestitionen in europäische Werke zu zwingen. Die Möglichkeit, Plattformen zu Direktinvestitionen in die Produktion europäischer und deutschsprachiger audiovisueller Werke zu verpflichten, ist bisher in Deutschland nicht umgesetzt. Das soll sich nun ändern. Mit der Verpflichtung, einen Teil der Investitionen in deutschsprachige Inhalte zu investieren, solle, so das BKM-Papier, gezielt die einheimische Produktionslandschaft gestärkt werden. Mit dem Zwang zur entsprechenden Investition verknüpft der Gesetzgeber einen Rechterückbehalt zugunsten der unabhängigen Filmhersteller, mit denen im Zuge der Erfüllung der Investitionsverpflichtung Verträge geschlossen werden. Doch europarechtlich ist der Investitionssatz von 20 Prozent strittig. So hat die EU-Kommission in einer Stellungnahme vom 15.12.2023 ausgeführt: »(…) dass die Kommission auch den französischen Behörden die Notwendigkeit mitgeteilt hat, die Verhältnismäßigkeit des genannten Gesetzes und seine Beitragsschwellen zu rechtfertigen.« Die Kommission wies darauf hin, dass dieser Schwellenwert weit über denen liege, die nach der Rechtsprechung als verhältnismäßig angesehen werden. Beide Gesetze müssen von der EU notifiziert werden. Angesichts der schleppenden Verhandlungen zwischen der BKM und dem Bundesfinanzminister sowie den Ländern ist es fraglich, ob die zwei wichtigen Finanzierungsgesetze bis Jahresende beschlossen werden können.

 

Kritik von Verbänden und Sendern an der Investitionsverpflichtung

Die deutschen TV-Sender weisen seit Monaten auf die Unverhältnismäßigkeit dieses Gesetzes hin. Bereits heute investieren sowohl öffentlich-rechtliche als auch private Sender Millionenbeträge in die Filmförderungen der Länder und in die FFA. Inwieweit diese Beträge anerkannt werden, ist ebenso unklar wie die Berechnungsgrundlage für die öffentlich-rechtlichen Mediatheken. Programmkosten, wie es der Diskussionsentwurf vorsieht, werden bisher nicht ausgewiesen. Zudem würden diese Pflichtinvestitionen die Budgets der werbefinanzierten Sender zusätzlich belasten. In einem Schreiben an die Rundfunkkommission der Länder hatte der Verband Privater Medien (Vaunet) am 9. Februar 2024 an die Chefs der Staats- und Senatskanzleien auf die überragende Bedeutung eines (Steuer-)Anreizmodells für die Reform der Filmförderung verwiesen. »Nur wenn wir ein grundlegend neues, attraktives und international wettbewerbsfähiges Fördersystem etablieren, in dem jeweils 30 Prozent der anrechenbaren deutschen Herstellungskosten erstattet werden, schaffen wir den Rahmen für langfristige Investitionen und einen nachhaltigen wirtschaftlichen Aufschwung am Produktionsstandort Deutschland – und zwar für alle Branchenakteure. Ohne dieses Fundament sind weitere Reformüberlegungen faktisch obsolet.« Zugleich betont Vaunet die europa- und verfassungsrechtlichen Vorbehalte gegen Investitionsverpflichtungen von Videoplattformen und Mediatheken. Der Verband erinnert an »erhebliche Zahlungen« privater Veranstalter an die Länderförderungen und die FFA. Eine Investitionsverpflichtung könne dazu führen, dass diese freiwilligen Zahlungen in die Länderförderungen »unter Druck« gerieten.

Nach Ansicht der ARD, einer der größten Auftraggeberinnen der Filmbranche, werden mit der Novelle zum FFG »die Rahmenbedingungen für ein Engagement des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den Kinofilm absehbar leider deutlich verschlechtert«. Wörtlich heißt es in der ARD-Pressemeldung: »Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten werden auftragsbedingt wesentlich weniger Effekte aus der neuen ausschließlich erfolgsbasierten Anreizförderung für das Kino ziehen können und bleiben zudem weiterhin am Ende der Auswertungskette stehen. Für die anvisierte Investitionsverpflichtung werden die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dagegen für ihre Mediendienste umfassend und stark regulierend in Anspruch genommen. Damit liegt ein massiver Eingriff in die Rundfunkfreiheit und Programmautonomie der Sender vor, was in Zeiten, in denen die Medienfreiheit angegriffen wird, ein falsches Signal ist. Was derzeit auf dem Tisch liegt, würde den öffentlich-rechtlichen Rundfunk empfindlich treffen – das wäre ein Kollateralschaden der anvisierten Filmförderreform, der nicht gewollt sein kann.«

Der Hauptverband Deutscher Filmtheater (HDF KINO e. V.) moniert, dass die angekündigte Berücksichtigung der Gesamtheit der Filmbranche bei den Vorlagen ausbleibe – mit fatalen Folgen nicht nur für den deutschen Kinostandort. Insbesondere eine von allen Verbänden geforderte Stärkung des Investitionswillens der Kinos in Höhe von 112 Millionen Euro finde keinen Ansatz in den Vorlagen der BKM. Die Entwürfe für die Reform seien nach Maßgabe des HDF KINO e. V. in ihrer jetzigen Art unzureichend auf die Bedürfnisse der Kinobetreiber ausgelegt. Zwei Kernforderungen würden gänzlich ignoriert werden. Zum einen die Möglichkeit, mit staatlicher Unterstützung flächendeckend dringend nötige Investitionen in deutsche Kinostandorte tätigen zu können. Ebenso müssten die neuen Fördermodule vorsehen, dass bei Kinoproduktionen eine Exklusivität für den geförderten Kinofilm die Grundlage bilde. In Folge muss eine Klarheit über die Sperrfrist der deutschen Filmproduktionen für Kinos hergestellt werden, damit Kinobetreiber in ihrer wirtschaftlichen Planbarkeit nicht noch weiter eingeschränkt würden.

Für die AG Verleih sind die Vorschläge für die Reform der Filmförderung »ein schlechter Tag für den deutschen Kinofilm«. In den vorliegenden Reformplänen sieht der Verleihverband eine »völlig unangemessene Gewichtsverschiebung in Richtung Streaming und TV«. Eine starke Auswertung sei Voraussetzung für den Publikumserfolg deutscher Kinofilme. Verleih und Kino würden leider nicht entsprechend mitgedacht, sodass wir das erklärte gemeinsame Ziel der acht Branchenverbände, 35 Millionen Zuschauer für den deutschen Film zu begeistern, in der Form nicht zu erreichen sei. Der vielfach beschworene Satz, die Herausbringung deutscher Kinofilme zu stärken, sei verschwunden.

Sehr kritisch sieht der Bundesverband kommunale Filmarbeit e. V. den Wegfall der Förderung des Kurzfilmabspiels, der die kommunalen Kinos als diejenigen Kinos, die das Kurzfilmformat insbesondere präsentieren, besonders betrifft. Auch die Streichung der Kinoreferenzförderung werde negativ beurteilt und stehe im Widerspruch zum Vorhaben des Gesetzes, der Förderung und Präsentation des deutschen (und europäischen) Kinofilms. Den Wegfall der Kinokommission zugunsten einer teilautomatischen Förderung bewertet der Verband als Schwächung der Vorhaben kleiner Kinos und filmkultureller Initiativen.

 

Schwierige wirtschaftliche Lage der Filmwirtschaft

2023 sei ein schwieriges Jahr für die Filmproduzenten gewesen. Die Situation der Branche habe sich insgesamt verschlechtert, charakterisierte der Vorstandssprecher der Produzentenallianz, Björn Böhning, vor der Berlinale die Lage der Produzenten. Sein Verband rechne damit, dass es 2024 zu einem weiteren Rückgang der Produktionen um zehn Prozent komme. Die Produktion von Kinofilmen sei um die Hälfte, die der TV-Filme um knapp die Hälfte zurückgegangen. Dagegen seien die Produktionskosten um 18 Prozent gestiegen, die nur zu 50 Prozent von den TV-Sendern übernommen würden. Neben der Reduzierung der Aufträge durch die öffentlich-rechtlichen und privaten Sender hätten auch internationale Streamingportale wie Netflix deutsche Formate verringert. Als Ursache für die Krise der deutschen Filmwirtschaft hat die Produzentenallianz vor allem bessere Förderbedingungen in anderen Ländern und zu geringe Anreize für ausländische Produktionsfirmen in Deutschland ausgemacht.

Die Branche setzt bei der Reform im Gegensatz zu den vorliegenden Plänen auf eine »ganzheitliche« Förderung, von der Idee bis zum Vertrieb und weitgehend automatisiert. In einem Brandbrief hatten acht Verbände der Filmwirtschaft im Dezember 2023 durch eine automatische Anreizförderung Investitionen von jährlich 360 Millionen Euro angemahnt. Der Kinofilm und das Kino seien auch zukünftig die treibende Kraft für alle Verwertungsstufen, heißt es in dem Schreiben. Das sieht die Kulturstaatsministerin aber anscheinend anders. Ihr ist es wohl vor allem wichtig, dass in Deutschland viel produziert wird, egal ob es Spielfilme, Serien, Fernsehfilme oder Dokumentationen sind, und auch der Verbreitungsweg spielt keine Rolle. Hohe Umsätze und große Zuschauerzahlen können aber nicht der alleinige Anspruch an die deutsche Filmwirtschaft sein. Der Film ist auch Kulturgut. Nur das rechtfertigt die hohe Förderung.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 3/2024.