Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik, kurz AKBP, muss um ein W für Wissenschaft erweitert werden, das meint Joybrato Mukherjee, denn internationaler akademischer Austausch, beständige Wissenschaftskooperation und gemeinsame Forschungsprojekte sind sicherheitsrelevant. Theresa Brüheim spricht mit dem Präsident des DAAD weiter über die Arbeit und Rolle des DAAD in einer Welt in zunehmender Unordnung sowie die zunehmende Bedeutung von Wissenschaftsdiplomatie.

Theresa Brüheim: Herr Mukherjee, Sie sind seit 2020 Präsident des DAAD. Wo steht Ihre Institution gerade?

Joybrato Mukherjee: Demnächst stehen wieder Wahlen an, d. h. meine erste Amtszeit – ich hoffe auf eine Wiederwahl – neigt sich dem Ende zu. Und sie ist anders verlaufen als ursprünglich gedacht, vor allem auch aufgrund der Coronapandemie, die ab März 2020 vieles verändert hatte. Insofern gibt es beim DAAD ein echtes Aufatmen, dass wir nun in vielen Dingen wieder zur Normalität zurückkehren. Aus der Pandemie haben wir zugleich viele wertvolle Erfahrungen in Hinblick auf digitale Formate mitgenommen. Hier wurden wichtige Entwicklungen angestoßen.

Und natürlich, wir beschäftigen uns seit über einem Jahr intensiv mit dem russischen Angriff auf die Ukraine und mit den Folgen der sogenannten Zeitenwende. Was das für unser »Geschäft«, also für die auswärtige Kultur-, Bildungs- und Wissenschaftspolitik, bedeutet, will ich näher beleuchten: Die letzten Jahre brachten uns eine Reihe von Krisen und Konflikten, darunter den Afghanistan-Rückzug, die zugespitzte Lage im Iran, die Diskussion um unseren Umgang mit der Volksrepublik China. In meine Amtszeit reichte auch noch die Präsidentschaft von Donald Trump hinein und damit die Frage, wie der Westen mit dieser Entwicklung insgesamt umgeht. Sprich, diese zunehmende »Verkrisung« unserer Rahmenbedingungen beschäftigt uns weiterhin und stellt uns vor die Frage, wie wir mit einer solchen Welt in zunehmender Unordnung umgehen. Denn die globalen Herausforderungen für die Menschheit sind nicht verschwunden, ganz im Gegenteil: Sie werden immer drängender.

Der letzte Punkt ist eher nach innen gerichtet: Alles, was der DAAD macht, vollzieht sich nicht von selbst. Es bedarf eines auskömmlichen Budgets. Wir sehen die Aufgabe, die uns im Koalitionsvertrag gegebenen Zusagen im tatsächlichen Haushalt abzusichern. Das ist eine zusätzliche Herausforderung.

Was konnten Sie in Ihrer ersten Amtszeit bisher erfolgreich auf den Weg bringen?

Zunächst: Das ist immer Teamwork. Der DAAD hat in den letzten dreieinhalb Jahren gemeinsam mit 1.130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vieles auf den Weg gebracht. Lassen Sie mich beispielhaft drei Schlaglichter nennen: Wir haben erstens die Coronapandemie gut bewältigt – in dem Sinne, dass der internationale Austausch nicht zum Erliegen gekommen ist, sondern dass die Zahlen der internationalen Studierenden an deutschen Hochschulen sogar leicht gestiegen sind, entgegen dem Trend in vielen anderen Ländern. Wir haben auch über die Nutzung digitaler und hybrider Formate den internationalen Austausch am Laufen gehalten. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Wir nehmen sehr viele Erfahrungen aus der Pandemie mit, die uns auch noch in den nächsten Monaten und Jahren beschäftigen werden.

Zweitens haben wir intensiv und erfolgreich neue Strukturen zur Beratung unserer Mitgliedshochschulen aufgebaut: das Kompetenzzentrum Internationale Wissenschaftskooperationen, kurz KIWi. Wir haben es auf Empfehlung des Wissenschaftsrates vor fünf Jahren als Beratungsinstanz eingerichtet. Kürzlich haben wir die Zusage des Bundesministeriums für Bildung und Forschung erhalten, das KIWi zu erweitern. Denn der Beratungsbedarf in diesen Krisenzeiten steigt: Da muss es eine Instanz geben, die mit der Expertise und dem Wissen des DAAD den Hochschulen zur Seite steht. Das ist der Auftrag des KIWi.

Drittens haben wir als DAAD zu zahlreichen grundsätzlichen Fragen fundiert Position bezogen, beispielweise zu der Frage, wie wir nach der Zeitenwende vom 24. Februar mit der Ukraine und auch mit Russland umgehen wollen und was unser Beitrag zur Unterstützung der Ukraine bzw. zur Isolation Russlands sein kann. Wir stellen uns aber auch Herausforderungen in der Innenpolitik und prüfen, wo die Hochschulen einen Beitrag leisten können und wollen: Stichwort Fachkräftemangel.

Wie positioniert der DAAD sich zur Ukraine? Und wie auch zu Russland?

Das eine ist – und das ist das Prioritäre – unser Bekenntnis zur Solidarität mit der Ukraine. Der DAAD unterstützt die Ukraine, die sich in einem existenziellen Abwehrkampf befindet. Wenn die Ukraine diesen Krieg verliert, wird ihre Existenz als souveräne Nation enden. Die Ukraine ist ein wichtiges Land, flächenmäßig nach Russland das größte Land in Europa. Unsere Aufgabe ist es, dass die deutschen Hochschulen und wir als DAAD – unterstützt von der Politik wie bisher und hoffentlich auch in Zukunft – den akademischen Austausch und die institutionelle Zusammenarbeit zwischen der Ukraine und Deutschland ausbauen. Unsere Aufgabe besteht darin, Sofortmaßnahmen wirksam werden zu lassen. Das haben wir getan, und dies wird sehr stark von ukrainischer Seite anerkannt. Aber wir merken auch – und das liegt mir am Herzen –, dass die ukrainische Seite auf ihrem weiteren zukünftigen Weg in den Westen auch die Wissenschaft mitdenkt und die Erwartung hat, dass wir langfristig eine wissenschaftliche Partnerschaft zwischen der Ukraine und Deutschland bzw. der Europäischen Union aufbauen: mehr institutionelle Partnerschaften, mehr systematischer Austausch, mehr Forschungskooperationen. Das ist für die Ukraine ein wesentliches Handlungsfeld, auf dem der Weg in den Westen beschritten werden soll.

Auf der anderen Seite steht Russland. Dort gilt – hier verfolgen alle Wissenschaftsorganisationen in der Allianz die gleiche Linie –, dass es auf drei Ebenen keine Kontakte mehr geben kann: keine politischen Kontakte, keine institutionellen Kontakte, keine individuelle Mobilität von Deutschland nach Russland. Aber auf der vierten Ebene halten wir unsere Kanäle bewusst offen: die Mobilität von Studierenden und Forschenden aus Russland nach Deutschland bleibt möglich. Wir wollen mit unseren Maßnahmen das Regime treffen, nicht aber die Menschen der Russischen Föderation.

Welche Rolle spielt Wissenschaftsdiplomatie aktuell in der deutschen Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik (AKBP)?

Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik müsste man eigentlich um ein »W« ergänzen. Denn das, was der DAAD tut, ist natürlich auswärtige Kultur- und Bildungspolitik, aber auch Außenwissenschaftspolitik – durchaus in Anlehnung an das, was im englischsprachigen Raum unter Science Diplomacy verstanden wird. Ich glaube, dass die Politik sieht und anerkennt, dass das, was wir im Bereich der auswärtigen Wissenschaftspolitik tun, relevant für die Außenpolitik ist. AKBP ist seit den 1970er Jahren nicht ohne Grund die dritte Säule der Außenpolitik. Die Arbeit des DAAD für den akademischen Austausch und die Wissenschaftskooperation ist prägend für die Wahrnehmung Deutschlands in der Welt. Wir müssen als DAAD noch deutlicher machen, gerade weil es jetzt auch um einen Kampf um knapper werdende Ressourcen geht und sich vieles mit guten Gründen sehr stark auf die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik konzentriert, dass das, was wir tun, nicht der Ausdruck von Soft Power ist. Der Begriff ist schon immer schwierig und, wenn man so will, falsch gewesen. Das, was wir tun, ist nicht irgendeine akademische Folklore, sondern es ist für die Außenpolitik in diesen geopolitisch herausfordernden Zeiten, in denen es darum geht, Netzwerke zu bilden, Partnerschaften zu etablieren und zu pflegen, mit anderen gemeinsam eine regelgeleitete Weltordnung zu gestalten und weiterzuentwickeln, ausgesprochen wichtig. Wissenschaft ist eine harte Währung – also ist das, was wir tun, Hard Power. Wer das bezweifelt, sollte in entsprechende Strategiepapiere der Kommunistischen Partei der Volksrepublik China schauen. Spätestens dort wird man entdecken, dass das, was das Ziel der Volksrepublik China ist, nämlich eine Führungsrolle bis 2049 in der Welt einzunehmen, ganz explizit auf einer weltweit führenden Rolle in Forschung, Bildung, Innovation und Technologie basieren soll. Allein das macht deutlich, wie wichtig, zentral, ja robust eben das ist, was man in der auswärtigen Kultur-, Bildungs- und Wissenschaftspolitik tut.

In den aktuellen Krisenzeiten verschiebt sich der Fokus in der Außenpolitik hin zu mehr Investitionen in Sicherheits- und Verteidigungspolitik – wie Sie auch sagen. Wie sehen Sie als Präsident einer großen Mittlerorganisation die Veränderungen, die sich daraus für die auswärtige Kultur-, Bildungs- und Wissenschaftspolitik ergeben?

Es ist wichtig, dass die politisch Verantwortlichen verstehen und es auch in ihrem Handeln berücksichtigen, dass das, was die auswärtige Kultur-, Bildungs- und Wissenschaftspolitik leistet, sicherheitsrelevant ist. Sicherheit entsteht nicht nur durch Kampfpanzerlieferungen und Spitzentreffen zwischen Ministerinnen und Ministern. Vielmehr entsteht Sicherheit auch durch internationalen akademischen Austausch, wissenschaftliche Kooperation und Forschungsprojekte, die man gemeinsam betreibt. Das alles zahlt ein auf Sicherheit. Deswegen finde ich es ausdrücklich richtig, dass in der im Entstehen befindlichen nationalen Sicherheitsstrategie ein umfassender Sicherheitsbegriff angelegt wird. Umfassend heißt, dass alle Handlungsfelder, auch der auswärtige Kultur-, Bildungs- und Wissenschaftsbereich, ihren Beitrag zu einer Erhöhung von Sicherheit leisten.

Wie positionieren Sie in der sich verändernden Weltlage den DAAD? Wie bewahren und befördern Sie die ihm gehörige politische Aufmerksamkeit?

Erstens durch Positionspapiere, die wir regelmäßig zu wichtigen Fragen veröffentlichen, beispielweise zu den Herausforderungen nach der Zeitenwende. Wir beziehen dabei immer aus der außenwissenschaftspolitischen Perspektive Stellung. Zweitens durch kontinuierliche Gespräche mit den politisch Verantwortlichen in der Legislative genauso wie in der Exekutive. Da spielt das Auswärtige Amt eine besonders wichtige Rolle. Drittens sind wir mit unseren Vereinsmitgliedern im Austausch. Wir sind ja keine nachgeordnete Behörde, sondern wir sind ein selbstständiger Verein. Unsere Vereinsmitglieder sind nicht die Ministerien, sondern die deutschen Hochschulen und ihre Studierendenschaften. Mit ihnen tauschen wir uns beständig aus über das, was der DAAD tun sollte, auch im Hinblick auf, viertens, ganz konkrete Programmvorschläge. Das ist das, was wir bewirken wollen: Durch konkrete Programme mit konkretem Geld eines konkreten Geldgebers wollen wir Individuen oder institutionelle Projekte fördern. Und neben dem Fördergeschäft beraten wir die Politik und die Hochschulen, und wir verstehen uns durchaus als außenwissenschaftspolitischer Thinktank.

Welche Bedeutung kommt der Budgetfrage für den DAAD zu?

Letztendlich ist die Hoheit über den Haushalt die Kernkompetenz des Parlaments. Wir sind in intensiven Gesprächen mit dem Haushaltsgesetzgeber, dem Deutschen Bundestag, um für ein angemessenes und auskömmliches Budget zu werben. Und zwar nicht, weil wir einfach mehr Geld haben wollen, sondern weil wir davon ausgehen, dass die Aufgaben, die wir erfüllen, im Interesse der Bundesrepublik Deutschland liegen – und nach dem 24. Februar 2022 noch wichtiger geworden sind. Wir brauchen ein verlässliches Budget, sonst können wir unseren Aufgaben nicht als verlässlicher Partner in der Welt nachkommen. Wir haben im Übrigen enorme Kostensteigerungen. Das geht nicht am DAAD als einer Organisation vorbei, deren Aufgabe es ist, weltweit präsent zu sein: Wir haben Büros in 56 Ländern, wir fördern 360 Lektorinnen und Lektoren in über 100 Staaten. Entsprechend haben wir Kostensteigerungen in vielen Ländern, die zum Teil deutlich höher sind als in Deutschland. Das muss ausgeglichen werden.

Wenn dann neue Herausforderungen hinzukommen, wie der Krieg in der Ukraine oder der Fachkräftemangel, kann das nicht aus der Substanz bedient werden. Die Politik muss dann den Mut haben zu sagen: Das sind neue Aufgaben und ihre Erfüllung dient dem nationalen Interesse. Deswegen müssen im Sinne einer strategischen Priorisierung der Politik an dieser Stelle neue Gelder zur Verfügung gestellt werden. Dafür kämpfen wir.

Hier ist es mir auch wichtig zu betonen: Der DAAD ist ein selbständiger Verein und kein Teil eines Ministeriums. Diese Konstruktion ist eine bewusste politische Entscheidung auch nach den Irrwegen der deutschen Geschichte gewesen. So praktizieren wir das, was wir anderen in der Welt immer wieder empfehlen und vorschlagen, nämlich die Freiheit der Wissenschaft und der Wissenschaftsorganisationen zu achten.

Wir haben in Deutschland keine Kommandowissenschaft. Es wird nicht in einem Ministerium etwas entschieden und dann von uns im Nachgang einfach vollzogen. Sondern es ist immer ein partnerschaftlicher Aushandlungsprozess zwischen dem Parlament bzw. der Regierung und uns, bei dem es um konkrete Programme und Positionierungen geht.

Wir sehen im Moment in einigen Staaten in der Europäischen Union, dass genau diese Freiheit der Wissenschaft, auf die wir so großen Wert legen, eingeengt wird. Wir in Deutschland müssen tunlichst darauf achten, dass die freiheitliche Ausgestaltung der auswärtigen Kultur-, Bildungs- und Wissenschaftspolitik so gelebt wird wie bisher. Und wenn in Zeiten knapper Kassen von strategischer Priorisierung gesprochen wird, dann gehört dieses Konzept auf eine andere Ebene als in einigen der Gespräche, in denen dieser Begriff benutzt wird. Strategische Priorisierung heißt aus meiner Sicht, dass die Politik – in Konsultation mit Mittlerorganisationen wie dem DAAD – entscheiden muss, wo sie, auch haushälterisch, strategische Prioritäten setzt und wofür sie in einem Bundeshaushalt Gelder zur Verfügung stellt. Strategische Priorisierung heißt nicht, dass man Sparzwänge einfach weg- oder hinabdelegiert zu Mittlerorganisationen.

Sie hatten schon den Fachkräftemangel erwähnt, der sich in Deutschland immer weiter abzeichnet. Was tut der DAAD, um Fachkräfte zu gewinnen? Und auch, um sie langfristig in Deutschland zu halten?

Ich spreche als Präsident eines Vereins, dessen Mitglieder die Hochschulen sind. Die deutschen Hochschulen tun heute schon wahnsinnig viel, um dem Mangel an Fachkräften zu begegnen. Deutsche Hochschulen sind bereits heute hochattraktiv für internationale Studierende: Wir sind seit einigen Jahren auf Platz vier aller Staaten dieser Welt – unmittelbar nach den Vereinigten Staaten, dem Vereinigten Königreich und Australien. Es kann sogar sein, dass wir im letzten Winter Australien überholt haben; das hätte dann aber eher mit dem Rückgang an internationalen Studierenden dort zu tun. Wirft man einen Blick auf einige vor Kurzem erschienene OECD-Zahlen, sieht man, dass Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit als Standort für internationale Fachkräfte mit Blick auf einige Parameter durchaus nachlässt. Aber in der Attraktivität für internationale Studierende werden wir bislang von Jahr zu Jahr besser. Die deutsche Politik täte daher gut daran, auf das Zugpferd Hochschule zu setzen. Jährlich bringen wir von den deutschen Hochschulen her ungefähr 25.000 internationale Absolventinnen und Absolventen auf den deutschen Arbeitsmarkt. Der DAAD hat der Bundesregierung vorgeschlagen, dass nach Verabschiedung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes durch ein entsprechend großvolumiges Unterstützungsprogramm für die deutschen Hochschulen aus diesen 25.000 internationalen Absolventinnen und Absolventen pro Jahr relativ zügig 50.000 werden könnten. Dafür müssen wir drei Dinge tun: die Anwerbung internationaler Studierender aus dem Ausland stärken; die Betreuung während des Studiums noch weiter intensivieren, um die Erfolgsquote zu steigern und Strukturen schaffen, damit internationale Absolventinnen und Absolventen gut in den deutschen Arbeitsmarkt integriert werden. Wenn wir ein solches Programm etablieren, dann können die Hochschulen zukünftig einen noch größeren Beitrag leisten.

Wie viele internationale Studierende gehen in ihr Heimatland zurück, nachdem sie das Studium hier absolviert haben?

Verbleibsstudien sind schwierig bezüglich ihrer Aussagekraft, da wir nicht wirklich langfristig verfolgen können, wo jemand ist und bleibt. Es lässt sich aber sagen: Mehr als die Hälfte hat einen Verbleibenswunsch und bleibt zunächst in Deutschland – wie lange, ist allerdings unklar.

Eine wichtige Aufgabe in der auswärtigen Kultur-, Bildungs- und Wissenschaftspolitik ist das sogenannte Brückenbauen zu schwierigen Partnern. Über Russland haben wir bereits gesprochen. Wie arbeiten Sie als DAAD speziell mit China zusammen? Welche Herausforderungen stellen sich? 

Das ist das Megathema unserer Zeit: Wie hältst du es mit China? Unsere Linie ist da schon immer sehr klar und bleibt es auch. Es ist zunächst festzuhalten: China ist inzwischen eines der stärksten Wissenschaftssysteme der Welt. In einigen Forschungsfeldern ist die Volksrepublik China mit ihrer Entwicklung der letzten zehn, zwanzig Jahre an uns vorbeigezogen. Deswegen hat sich die Situation fundamental verändert. Es kann heute nicht allein darum gehen, ob wir in Deutschland, in Europa oder im sogenannten Westen darüber entscheiden, ob wir China an unserem Fortschritt teilhaben lassen wollen. Und die Frage stellt sich auch, was eigentlich in unserem Interesse liegt. Oftmals dürfte es in unserem Interesse liegen, auch von dem Technologie- und Erkenntnisfortschritt in China profitieren zu wollen. Ich bin mir nicht sicher, ob das schon überall bei uns angekommen ist. Wir denken und argumentieren häufig immer noch aus der traditionellen Rolle des Westens heraus, nämlich einer Rolle der globalen Stärke. Diese ist aber in vielen Handlungsfeldern nicht mehr so gegeben wie vor 20 oder 30 Jahren, denn der unipolare Moment in der Weltpolitik der 1990er Jahre ist vorbei. Deswegen gilt das, was der DAAD immer schon gesagt hat: Wir müssen mit möglichst vielen Ländern auf dieser Welt möglichst stark zusammenarbeiten, wenn es vertretbar und verantwortbar ist. Das gilt auch für China. Aber wir dürfen natürlich nicht naiv sein. Der Austausch mit unseren chinesischen Partnern ist schwieriger geworden: China tritt durchaus dominanter auf und hat oftmals nicht eine echte partnerschaftliche Zusammenarbeit im Sinne. Aber die Schlussfolgerung kann nicht sein, dass wir uns aus China zurückziehen. Sondern wir müssen überlegen, Projekt für Projekt, Institution für Institution, worauf wir uns einlassen, was vertretbar und was verantwortbar ist. Wenn unsere Standards berührt werden, wie können wir unsere Standards sichern? Wie können wir mit China so zusammenarbeiten, dass wir davon profitieren?

Vielen Dank.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 06/2023.