Demokratie ohne Kunst und Kultur ist undenkbar. Künstlerinnen und Künstler prägen den gesellschaftlichen Austausch, Dialog und die Integration und damit unsere freiheitliche Demokratie. Selten habe ich das so oft gehört wie in den Zeiten der Pandemie. Erst der Verzicht auf das Gemeinschaftserlebnis Kultur hat uns allen vor Augen geführt, wie groß der Verlust ist, wenn Kunst und Kultur plötzlich nicht mehr stattfinden. Kaum einer Berufsgruppe wurde von Balkonen so viel Beifall gezollt wie unserem Pflegepersonal sowie Künstlerinnen und Künstlern. Was die beiden Berufsgruppen verbindet: Sie arbeiten aus einer hohen intrinsischen Motivation heraus. Ihr Beruf ist Berufung. Sie arbeiten mit Leidenschaft – und werden dafür vielfach unzureichend finanziell entlohnt.

Ich meine: Weil Künstlerinnen und Künstler diese wertvolle Funktion in unserer Gesellschaft erfüllen, müssen auch anständige Honorare und Gagen gezahlt werden. Denn obwohl die meisten Künstlerinnen und Künstler ein Hochschulstudium abgeschlossen haben, bewegt sich ihr Jahreseinkommen oft nahe der Armutsgrenze. Laut Statistik der Künstlersozialkasse belief es sich im Jahr 2020 im Schnitt auf 16.737 Euro.

Diese Situation führt zu zwei Effekten: Künstlerinnen und Künstler sind darauf angewiesen, neben ihrem künstlerischen Schaffen einer anderen Erwerbsarbeit nachzugehen. Das Klischee vom Kulturschaffenden, der nebenbei noch Pizza liefert oder Taxi fährt, wird damit viel zu oft traurige Realität. Wer viel Zeit für einen Nebenjob aufwendet, um das Nötigste zu bezahlen, hat zudem keine Zeit und noch weniger Muße, sich mit dem zu beschäftigen, was er am besten kann: Kultur schaffen! Es leiden also sowohl der Künstler als auch die Kunst.

Nordrhein-Westfalen hat deshalb das Thema der fairen Bezahlung und der Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage freischaffender Künstlerinnen und Künstler auf Ebene der Kulturministerkonferenz, wo Nordrhein-Westfalen 2022 den Vorsitz hatte, entschieden vorangetrieben. Unter Federführung von Nordrhein-Westfalen und Bremen wurden dafür zwei Handlungsfelder angestoßen.

Um die Künstlerinnen und Künstler krisenfest sozial abzusichern, wurde zunächst von der Landesregierung Nordrhein-Westfalens ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Damit sollten Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie etwaige Lücken in der Erwerbsbiografie von Künstlerinnen und Künstlern abgesichert werden können. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass die Absicherung möglichst über die Künstlersozialkasse erfolgen sollte. Auf Grundlage dieses Gutachtens werden nun weitere Gespräche mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und dem nordrhein-westfälischen Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales geführt. Ich hoffe sehr auf starke landespolitische Unterstützung!

Zum Thema »faire Vergütung« wurde eine Kommission eingesetzt, die sich aus Vertreterinnen und Vertretern der Länder Nordrhein-Westfalen und Bremen, der kommunalen Spitzenverbände, der Wissenschaft, des Deutschen Kulturrates und der Künstlersozialkasse zusammensetzt und die sich mit der Frage befasst, wie die Höhe eines angemessenen Honorars ermittelt werden kann. Dazu hat die Kommission im Austausch mit Künstlerverbänden und Verbänden der Auftraggeber eine Honorarmatrix entworfen. Die Matrix stellt eine Berechnungsstruktur dar, die die Ermittlung von sparten- und tätigkeitsspezifischen Basishonoraren vorsieht.

Auf diese Matrix verständigten sich die Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren in der achten Sitzung der Kulturministerkonferenz: Die Länder wollen sich bei Honorarempfehlungen unter Beachtung der finanziellen Möglichkeiten in den öffentlichen Haushalten an dieser Matrix orientieren.

Zurzeit werden in Nordrhein-Westfalen Gespräche mit den Verbänden der verschiedenen Sparten geführt, um die Matrix mit Zahlen zu füllen. Auch mit Kommunen und Veranstaltern sind wir im Austausch. Gerade für die Kommunen sind die Untergrenzen ein Kraftakt. Ziel muss es sein, ein vielfältiges, reiches Kulturangebot zu erhalten und gleichzeitig die Künstlerinnen und Künstler fair zu bezahlen.

Nordrhein-Westfalen hat sich im Kulturgesetzbuch verpflichtet, die Einhaltung von Honoraruntergrenzen bei der Vergütung von künstlerischem Engagement zur Voraussetzung für eine Förderung durch das Land zu machen. Heißt: Nur wer die Kunstschaffenden fair bezahlt, kann mit einer Förderung des Landes rechnen. Aktuell wird hierzu eine Richtlinie erarbeitet und damit der Auftrag aus dem Kulturgesetzbuch erfüllt.

Ich bin sicher, dass alle von den Honoraruntergrenzen profitieren werden: Unsere Theater, unsere Ballett-Ensembles, unsere Orchester werden besser, weil wir mit fairer Bezahlung den Künstlerinnen und Künstlern wieder Freiraum für das schaffen, was sie am besten können – ihr Publikum mit anspruchsvoller Kunst zu begeistern.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 02/2023.