Zum ersten Mal geht der Titel World Design Capital nach Deutschland. Für 2026 wurde die Region Frankfurt RheinMain damit ausgezeichnet. Alle zwei Jahre wird eine Metropole zur Weltdesignhauptstadt gekürt. Die World Design Organization (WDO) mit Sitz in Montreal zeichnete bis jetzt unter anderem Turin, Seoul, Helsinki und Kapstadt aus. Für 2024 wurden San Diego und Tijuana ausgewählt, die Zwillingsstädte an der mexikanisch-amerikanischen Grenze.

Träger der deutschen Bewerbung sind die Stadt Frankfurt und der Kulturfonds Frankfurt RheinMain. Das einjährige Vorhaben hat sich mit dem Programmthema »Design for Democracy. Atmospheres for a better life« gegenüber den Mitbewerbern durchgesetzt. Das vorgesehene Finanzvolumen wird 21 Millionen Euro betragen, gemeinsam finanziert vom Land Hessen, der Stadt Frankfurt, den Kommunen und Kreisen der Region und dem Kulturfonds Frankfurt RheinMain. In dem Programm werden zwölf Handlungsfelder definiert, die für die Gestaltung des gesellschaftlichen Miteinanders entscheidend sind.

Design wird nicht auf die ästhetische Gestaltung von Mode, Möbel und sonstigen schönen Dingen reduziert, Design ist geprägt von dem Geist, Zustände zu reflektieren, in die Zukunft zu denken und Dinge zu ändern. Design kann zu vielen gesellschaftlichen Themen einen Beitrag leisten, auch zur Gestaltung demokratischer Prozesse beitragen und unser Miteinander stärken. Wichtige Bereiche des Zusammenlebens betreffen: Wohnen, Mobilität, Gesundheit, Klima, Bildung, Medien, Energie oder Konsum. Es sollen Räume und Orte gestaltet werden, an denen sich unterschiedliche Menschen begegnen können. Letztlich geht es um den demokratischen öffentlichen Raum und wer ihn wie nutzen kann. Wenn wir in einer besseren Zukunft leben wollen, müssen wir uns erst ein Bild davon machen. Dazu muss vor allem auch die Zusammenarbeit von Kultur, Design, Wirtschaft und Gesellschaft aktiviert werden. Derzeit beobachtet man eher, dass der Diskurs immer enger wird und viele sich in die eigene Blase zurückziehen. Themen werden verabsolutiert, anstatt sich für neue Erkenntnisse und Verständnis für andere Sichtweisen zu öffnen.

Die Region Frankfurt RheinMain war in ihrer langen Geschichte immer wieder Ausgangspunkt für gestalterische Bewegung und gesellschaftlichen Aufbruch. Die Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg, die Rheinromantik, die Reformbewegung des Jugendstils in Darmstadt über den Werkbund bis hin zum »Neuen« Frankfurt sind beispielhaft für weitreichende Transformationen. Durch Handelsreisende und die Finanzwelt war die Region schon immer Anziehungspunkt für Menschen aus aller Welt, vielen wurde sie eine neue Heimat. Frankfurts Bevölkerung hat zu 40 Prozent einen Migrationshintergrund.

Der Bewerbung ging eine zweijährige Initiative voraus, mit der Akteure und Kooperationspartner identifiziert und vernetzt wurden, um zu einer gemeinsamen Bewegung zu finden. Darüber hinaus wurde eine Road Show mit einem Werkstattwagen in der Region durchgeführt, die zum einen das Projekt der Weltdesign-Hauptstadt vorstellte und zum anderen in Workshops an der Ausgestaltung des Themas arbeitete. Neben den Städten und Kreisen der Region sind die Fachorganisationen für Architektur, Design, Werkbund, Universitäten und Fachhochschulen, Wirtschaftsförderung und IHK Frankfurt sowie die Messe Frankfurt eingebunden. So haben Stadt und Region ihre wirtschaftlichen und kulturellen Qualitäten gebündelt und bereits im Vorfeld ein Zukunftspotenzial erzeugt. Im Sinn von Design for Democracy soll es zu einer gemeinsamen Identität kommen und internationale Aufmerksamkeit erreicht werden. Für die erste Runde des Ideenwettbewerbs wurden bereits mehr als 60 Bewerbungen eingereicht. Das Jahr 2026 hat zudem einige herausragende Jubiläen und Ereignisse: das 125-jährige Jubiläum der Mathildenhöhe Darmstadt für den Jugendstil, das Haus der Demokratie im Zusammenhang mit der Paulskirchenverfassung, der Kulturcampus in Wiesbaden und Frankfurt sowie der Baubeginn des neuen Campus der Hochschule für Gestaltung Offenbach.

Erstmals wurde für den Titel World Design Capital eine Region ausgewählt, bis jetzt waren es Städte. Damit kommt eine neue Struktur in den Fokus, die geografische Vernetzung und die institutionelle Vernetzung. Für die Metropolenregion Frankfurt RheinMain kann das zu einem qualitativen Gewinn werden. Das bisherige Nebeneinander wird zu einem Miteinander, die Wirkung einzelner Projekte verknüpft sich zu einer Bewegung. Erste gemeinsame Beratungen über eine Vernetzung von Programm und Aktionen finden bereits jetzt statt. Wenn diese Möglichkeiten konsequent genutzt und positiv erfahren werden, dann wird nicht nur für das Jahr 2026 ein interessantes Programm geboten, sondern es kann sich ein Bewusstsein für einen aktiven Freiraum für Diskurs und Kooperation etablieren, eine Verständigung zwischen den Gesellschaften. Die eigentliche Leistung bestünde dann darin, aus dem kulturellen Blickwinkel heraus, zu einem neuen aufgeklärten Verständnis unseres Umfeldes zu kommen und die Trennlinien zu überwinden. Das rechtfertigt auch den finanziellen und intellektuellen Aufwand.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 3/2024.