Die rasante Entwicklung der generativen Künstlichen Intelligenz (KI) stellt die Musikbranche vor grundlegende Umwälzungen. Diese Entwicklung kann Chancen eröffnen, sie wirft für die Musikschaffenden aber auch neue Fragen auf. Und das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Bei der Suche nach Antworten müssen daher immer auch Lösungsansätze auf internationaler Ebene mitgedacht werden. Hier richtet sich der Blick zunächst in Richtung der Europäischen Union, die in der jüngeren Vergangenheit mehrfach unter Beweis gestellt hat, dass sie bei der Etablierung von Standards für die digitale Welt eine Vorreiterrolle einnehmen kann.

Vor diesem Hintergrund haben die GEMA und ihre französische Schwestergesellschaft SACEM die Forschungsgruppe Goldmedia gebeten, den Markt für generative KI und ihre Auswirkungen auf Musikschaffende im Rahmen einer Studie zu untersuchen. Die Studie wurde am 30. Januar in der Bundespressekonferenz in Berlin vorgestellt und traf auch über Deutschland und Frankreich hinaus auf großes Interesse, bis hin nach Australien und Neuseeland. Neben einer umfassenden Marktanalyse und zahlreichen Interviews mit Branchenexperten hat das Team von Goldmedia für die Studie eine Online-Befragung unter den Mitgliedern von GEMA und SACEM durchgeführt. Überwältigt hat uns die große Teilnahme an der Umfrage: Über 15.000 Antworten zeigen, wie sehr das Thema die Urheberinnen und Urheber bewegt.

Aus den Ergebnissen geht klar hervor, dass generative KI kreative Prozesse verändert und bereits heute von vielen Musikschaffenden als Werkzeug genutzt wird. 35 Prozent der befragten Urheberinnen und Urheber geben an, KI bereits zur Unterstützung ihrer kreativen Tätigkeit genutzt zu haben. Bei den unter 35-Jährigen sind es mit 51 Prozent sogar mehr als die Hälfte. 43 Prozent aller Befragten vertreten die Ansicht, dass KI neue Formen der Kreativität eröffnen kann. Und 63 Prozent sind überzeugt, dass KI zukünftig bei der Unterstützung des kreativen Prozesses zum Einsatz kommen wird.

Die Studie untermauert zudem das gewaltige wirtschaftliche Potenzial von generativer KI. Das globale Marktvolumen von KI-Musik beläuft sich bereits heute auf 300 Millionen Dollar pro Jahr. Bis 2028 wird sich dieser Wert auf 3,1 Milliarden Dollar mehr als verzehnfachen. Die Werke der Urheberinnen und Urheber bilden die Grundlage für diese technologische Revolution. Insofern besteht hier natürlich grundsätzlich auch die Chance, neue Erlösquellen zu erschließen.

Dennoch überwiegen in der Wahrnehmung vieler Musikschaffender bisher eher die Risiken als die Chancen. Das ist wenig verwunderlich, denn angesichts der rasanten KI-Entwicklung geraten die Kreativen aktuell gleich von zwei Seiten unter Druck. Zum einen werden ihre Werke massenhaft zum Training der KI-Systeme herangezogen – ohne vorherige Erlaubnis und ohne Vergütung. Zum anderen treten die auf diese Weise generierten Inhalte zunehmend in Konkurrenz zu den von den Urheberinnen und Urhebern geschaffenen Werken. Nach Berechnungen von Goldmedia könnten bereits im Jahr 2028 bis zu 27 Prozent der Einnahmen wegbrechen.

Bei der GEMA sind wir überzeugt: Ein fairer und von kultureller Vielfalt geprägter Markt für generative KI kann nur mit einem verlässlichen Ordnungsrahmen gelingen, der die Rechte der Kreativen respektiert und ihr geistiges Eigentum schützt. Transparenz ist eine Grundvoraussetzung, um diese Entwicklung in Gang zu setzen. Nur so können Urheberinnen und Urheber Kenntnis darüber erlangen, wenn ihre Werke zum Training von KI-Systemen genutzt werden. Auch im Rahmen der Mitgliederbefragung für die Studie haben sich 95 Prozent dafür ausgesprochen, dass es dringend mehr Transparenz vonseiten der KI-Anbieter braucht.

Mit dem AI Act, der in Brüssel kurz vor der Verabschiedung steht, unternimmt die Europäische Union erfreulicherweise einen ersten Schritt in diese Richtung. Als GEMA haben wir diesen Prozess intensiv begleitet und uns in Berlin und Brüssel dafür eingesetzt, dass Transparenzverpflichtungen für die Anbieter von generativer KI in den Text aufgenommen werden. Bis dahin war es ein zähes Ringen. Denn im ursprünglichen Entwurf des AI Act war eine solche Transparenzverpflichtung in Bezug auf Urheberrechte nicht vorgesehen.

Anfang Februar haben die EU-Mitgliedstaaten nach schwierigen Verhandlungen nun endlich grünes Licht für den AI Act mitsamt der Transparenzregelungen für KI-Anbieter gegeben. Jetzt muss nur noch das Europäische Parlament formell zustimmen, was bis April geschehen soll. Klar ist aber auch: Der AI Act kann nur ein erster Schritt sein. Die Diskussion darüber, wie generative KI für alle Beteiligten zum Erfolg werden kann, muss weitergehen. 93 Prozent der im Rahmen der Studie befragten Musikschaffenden wünschen sich mehr Aufmerksamkeit, insbesondere auch von der Politik, für die Herausforderungen, mit denen sich die Kreativen konfrontiert sehen. Die von Goldmedia vorgelegte Studie kann hoffentlich einen Beitrag dazu leisten, diese wichtige Diskussion voranzutreiben und die Perspektive der Musikschaffenden in diesen Prozess einzubringen.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 3/2024.