Der 8. März, bekannt als Internationaler Frauentag, ist ein jährlich wiederkehrender Anlass, der weltweit der Förderung der Frauenrechte und Gleichstellung der Geschlechter gewidmet ist. Ursprünglich aus den sozialistischen und feministischen Bewegungen des frühen 20. Jahrhunderts entstanden, hat sich der Tag zu einer globalen Plattform entwickelt, um auf bestehende Ungleichheiten aufmerksam zu machen und die Rolle der Frau in verschiedenen Gesellschaften zu würdigen. Vieles ist bereits in Bewegung und Veränderung. Um die am Internationalen Frauentag hervorgehobenen Ziele zu verwirklichen, bleibt jedoch noch viel zu tun. Themen wie Lohngleichheit, Zugang zu Bildung, berufliche Chancengleichheit und die Beseitigung von Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen sind nach wie vor ungelöst. Dies lässt sich auch auf tief verwurzelte gesellschaftliche Strukturen, stereotype Rollenzuweisungen und ungleiche Machtverhältnisse zurückführen. Der 8. März bietet Gelegenheit, über Fortschritte nachzudenken, aber auch auf bestehende Herausforderungen hinzuweisen.

Gap in der Kultur- und Medienbranche

Der Datenreport »Baustelle Geschlechtergerechtigkeit« (November 2023) zur wirtschaftlichen und sozialen Lage im Arbeitsmarkt Kultur präsentiert prekäre Einkommen und Gender-Pay-Gap. Die Publikation untersucht Beschäftigungszahlen und Einkommen in Kultur- und Medienberufen mit besonderem Fokus auf Selbstständige, insbesondere Soloselbstständige, darunter auch freischaffende Künstlerinnen und Künstler.

Die Ergebnisse sind wenig ermutigend: Generell verdienen Menschen in Kultur- und Medienberufen weniger als der Durchschnitt in anderen Branchen. Frauen verdienen noch weniger als Männer. Insbesondere selbstständige Künstlerinnen und Künstler erzielen nach wie vor überwiegend niedrige Einkommen.

Obwohl der Gender-Pay-Gap in einigen Bereichen des Kultursektors rückläufig ist, bleibt er auf einem besorgniserregend hohen Niveau. Im Jahr 2023 betrug der Gender-Pay-Gap bei den Soloselbstständigen in der Sparte Wort 18 Prozent, in der Bildenden Kunst 22 Prozent, in der Sparte Musik 22 Prozent und in der Darstellenden Kunst sogar 32 Prozent. Das durchschnittliche Jahreseinkommen von Soloselbstständigen in der Musik lag unter 16.000 Euro. Dies reicht häufig nicht aus, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Interessanterweise gibt es erhebliche Unterschiede zwischen verschiedenen Bereichen des Kulturbetriebs. So verdienen Sängerinnen und Sänger im Durchschnitt nur 10.229 Euro, während Moderatorinnen und Moderatoren ein Einkommen von 44.852 Euro erzielen. Trotz eines vergleichsweise hohen Frauenanteils im Kulturbetrieb von teilweise über 50 Prozent liegt der Gender-Pay-Gap mit 20 Prozent immer noch leicht über dem Durchschnitt anderer Wirtschaftszweige in Deutschland.

Gabriele Schulz, stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrates e. V. und Mitautorin der Studie, stellt fest, dass der Gender-Pay-Gap umso größer ist, je höher die Qualifikation der Beschäftigten ist.

Erkennbare Entwicklungen

Auf der Grundlage der verfügbaren Informationen lassen sich einige allgemeine Tendenzen in Bezug auf geschlechtsspezifische Ungleichheiten in verschiedenen Berufsbereichen feststellen:

  1. Technische Berufe und Frauenanteil: Es zeigt sich, dass in technischen Berufen tendenziell weniger Frauen tätig sind.
  2. Qualifikation und Gender-Pay-Gap: Eine deutliche Tendenz besteht darin, dass mit steigender Qualifikation und höherem Einkommen der Gender-Pay-Gap zunimmt.
  3. Verhandeltes Einkommen und Gender-Pay-Gap: Es zeigt sich, dass in Berufen, in denen das Einkommen frei verhandelt wird, ein höherer Gender-Pay-Gap anzutreffen ist.

Diese Tendenzen deuten darauf hin, dass geschlechtsspezifische Ungleichheiten nicht nur durch einzelne Faktoren, sondern durch eine komplexe Interaktion verschiedener Aspekte der unterschiedlichen Berufsfelder beeinflusst werden. Eine umfassende Analyse und gezielte Maßnahmen sind erforderlich, um diese Ungleichheiten zu verringern und eine fairere Arbeitswelt zu schaffen.

Blick in die Literaturbranche

Die Literaturbranche steht im Hinblick auf die Gleichstellung der Geschlechter vor großen Herausforderungen. Autorinnen werden oft übersehen oder übergangen, insbesondere bei renommierten und hoch dotierten Literaturpreisen. Frauen sind hier deutlich unterrepräsentiert. Auch die Dominanz männlicher Jurymitglieder bei Literaturpreisen wird kritisiert. Ein weiterer Kritikpunkt ist das geschlechtsspezifische Einkommensgefälle sowohl im Verlagswesen als auch im Buchhandel, das in bestimmten Tätigkeitsbereichen bis zu 36 Prozent beträgt. Trotz der Präsenz von Frauen sind Führungspositionen nach wie vor überwiegend von Männern besetzt.

Die Literaturbranche verzeichnet einen besorgniserregenden Rückgang der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zwischen 2018 und 2022, insbesondere bei Fachkräften. Der Gender-Pay-Gap lag 2022 bei 20 Prozent, bei verlagskaufmännischen Tätigkeiten besteht eine Einkommenslücke bis zu 36 Prozent. Diese ist in der Verlagsbranche besonders ausgeprägt. Auch bei freien Honorarkräften, sei es in Übersetzungen, Lektoraten oder Illustrationen, klafft eine Verdienstlücke zwischen den Geschlechtern.

Dazu habe ich Nina George, Bestsellerautorin und ehemalige Präsidentin des European Writers’ Council (EWC), nach den finanziellen Auswirkungen der Coronakrise auf Frauen, insbesondere im Kontext der Künstlersozialkasse (KSK), befragt. Es interessiert mich, ob es einen Anstieg von Frauen gibt, die aus der KSK ausgeschieden sind. »Uns wurden in 2022 und 2023 Fälle zugetragen, in denen Autorinnen in und vor allem nach der Krise dreifach belastet waren: Homeschooling und die mentale Belastung des familiären Organisierens, was dazu führte, dass sie nicht zum Schreiben kamen und keine neuen Verträge abschließen konnten – und dann zu wenig umsetzten, trotz der kurzfristigen Aussetzung der 3.900-Euro-Regel in den Jahren 2020 und 2021. Wir haben es bis heute mit der stillen zweiten Welle zu tun: Die Krise war eine Ruptur, die sich bis heute auswirkt.«

Und Nina George weiter: »Literaturagenturen berichten von einem generellen Rückgang von Vorschüssen und Verträgen mit neuen literarischen Stimmen nach der Krise sowie von dem sich vertieften genderspezifischen Pay-Gap bei Vorschusszahlungen: So wird Frauen von vornherein deutlich weniger geboten, und sie können sich in Verhandlungen wiederum maximal dorthin hochhangeln, was einem männlichen Autor von Beginn an geboten wurde. Laut unserer EWC-Umfrage haben Verlage in den Jahren 2020 bis 2022 ihre Programme um im Schnitt 30 Prozent gekürzt, das lässt sich in Deutschland auch an der gesunkenen Zahl der Neuerscheinungen nachvollziehen. Es entstand ein Titelstau bereits eingekaufter Bücher, die in der Coronakrise bis zum nächsten oder übernächsten Programm geparkt wurden. Werden jetzt Bücher eingekauft, dann von eher erfolgreichen Namen, für Serien, aber auch fürs Kinder- und Jugendbuch – im Letzteren sind immerhin Frauen und Männer gleich stark vertreten. Auf Risiko, und da speziell mit dem Aufbau neuer weiblicher Stimmen, setzen Verlage auch 2024 jedoch weiter tendenziell zurückhaltend.« Von ihr wollte ich weiter wissen, inwiefern die Wahrnehmung von ehrenamtlichem Engagement und verantwortungsvoller Literaturpolitik als »typisch weiblich« die Gleichstellung und Diversität in der Branche beeinflusst. »Die 49 Mitgliedsverbände des EWC werden mehrheitlich von Frauen geführt, was in einigen Ländern, ich denke da an Portugal oder Spanien, zu mehr nationalen Projekten zur Erforschung der Situation speziell weiblicher Autoren geführt hat. Auf der anderen Seite ist ehrenamtliche Literaturpolitik immer auch die Arbeit am ›kleinsten gemeinsamen Nenner‹, wie z. B. Vergütung, Transparenz oder Sozial- und Arbeitsrecht, und hat keinen Platz für Ruhm oder Geldverdienen. Eine gewagte These könnte lauten, dass Frauen sich viel energischer für alle, für ein Wir einsetzen – und dass jeder Gesellschaft eine weibliche bzw. deutlich gemischtere Führung guttut.«

Ferner fragte ich sie, welche Veränderungen sie seit dem Runden Tisch 2016 für Frauen in Kultur & Medien wahrgenommen hat? »Die Jurys oder Bewertungskommissionen, die über Vergabe von öffentlichen Geldern entscheiden, werden häufiger gezielt paritätischer besetzt – aber ob die Vergabe einem internen Quotenziel folgt, lässt sich nicht nachvollziehen. Hier ist ein Blick nach Norwegen hilfreich, dort werden Ausschüsse, die über öffentliche Gelder entscheiden, nach drei Regeln festgesetzt: Kompetenz, geografische Ansässigkeit und gesellschaftliche Vielfalt – also nicht nur Akademiker oder ›prominente Namen‹, sowie Genderparität – und diese Regeln setzen sich bei der Vergabe von z. B. Stipendien oder Zuwendungen als ›gewünschtes Ziel‹ fort.«

Die Ergebnisse unterstreichen die Dringlichkeit der Gleichstellung der Geschlechter und der Beschäftigungssicherheit. Maßnahmen zur Verbesserung der Einkommenssituation und der Geschlechtergerechtigkeit sind dringend erforderlich.

Frauen zählen: Ein anhaltend wichtiges Thema

Zählen ist entscheidend für die Identifizierung und Messung von Veränderungen. Es ermöglicht die Quantifizierung von Fortschritten, unterstützt evidenzbasierte Entscheidungen, überwacht Trends, erleichtert die Kommunikation komplexer Informationen, identifiziert Problembereiche und fördert die Rechenschaftspflicht sowie Transparenz. Zusammengefasst ist Zählen unerlässlich, um Veränderungen zu verstehen, zu überwachen und zu fördern, indem es eine datengestützte Grundlage für Entscheidungen bietet. Nina George initiierte Studien und Konferenzen zur Geschlechtergerechtigkeit in Kultur & Medien, darunter das #Frauenzählen-Projekt, in Zusammenarbeit mit Organisationen wie dem PEN, den BücherFrauen, den Mörderischen Schwestern und dem European Writers’ Council.

Blick in die Bildende Kunst

Die Analyse von Eckhardt Priller (2020) zur Lage der bildenden Künstlerinnen und Künstler basiert auf der regelmäßigen Umfrage des Bundesverbands Bildender Künstlerinnen und Künstler seit 1994. Die Umfrage 2020 beleuchtet nicht nur die wirtschaftliche Situation, sondern auch die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie. Etwa drei Viertel der Befragten äußern Besorgnis über ihre Zukunft, hauptsächlich aufgrund bescheidener Einkünfte aus künstlerischer Tätigkeit. Die Umfrage betont die Schlüsselrolle der Kommunen bei der Kunstförderung, insbesondere durch Aufträge, Ankäufe und Atelierförderung. Sichtbarkeit ist entscheidend für das Einkommen aus künstlerischer Tätigkeit, wobei die Studie geschlechtsspezifische Unterschiede in der Sichtbarkeit hervorhebt und den Gender-Show-Gap anspricht. Frauen in der Kunstwelt stehen Herausforderungen in Bezug auf Anerkennung und Repräsentation gegenüber.

Die Bildhauerin Franziska Seifert beklagt das schon lange: »Bildhauerei ist immer noch eine Männerdomäne. Vor allem großformatige Arbeiten, die Kraft und Ausdauer erfordern, werden Frauen nicht zugetraut. Wir müssen sie uns aber vor allem selbst zuschreiben und einfach machen, sichtbar werden und den Raum belegen, den wir möchten.«

Um der Unterrepräsentanz von Frauen in der Kunst entgegenzuwirken, gründete sie gemeinsam mit ihrem Mann die »Cordts Art Foundation«. Die gemeinnützige Stiftung widmet sich der Förderung von Künstlerinnen ohne Altersbegrenzung in allen Bereichen des künstlerischen Schaffens. Der Stipendienaufenthalt an historischem Ort in Berlin findet einen öffentlichen Abschluss in Form einer Ausstellung, Lesung, eines Konzerts etc., eine zweite Präsentationsmöglichkeit in erstklassiger Lage in Berlin-Wilmersdorf. Die Stipendiatinnen aus aller Welt werden von einem Team betreut und vernetzt.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 3/2024.