Nicht immer muss man das Rad neu erfinden. Das war zuerst der Grundgedanke der Suche nach nachhaltigen Ratgebern für Theater, die wir als Deutsche Theatertechnische Gesellschaft (DTHG) gern unserer Gemeinschaft zur Verfügung stellen wollten, so wie 2019 den Leitfaden für Bau und Sanierung. Als mir dabei das »Green Book« zum ersten Mal in die Hände fiel, war der Ratgeberdschungel in Deutschland schon dabei, sich zu verdichten, und das »Green Book« hob sich durch eine andere Philosophie der Handreichung für die Theatermenschen angenehm von den anderen ab. Aufgeteilt auf drei Bände dient das »Green Book« sowohl als durchgehende Lektüre als auch als Nachschlagewerk mit Suchfunktion und Werkzeugkästen. Band 1 kümmert sich um das operative Geschäft und den Dekobau, Band 2 um die Gebäude und geht dabei auch durchaus in die Tiefe und Band 3 beinhaltet vom Vorderhaus mit Gastronomie bis zum über Land fahrenden Gastspiel fast alles.

Das Green Book teilt sich in zweimal drei Kategorien auf: Anfänger, Fortgeschrittene und Experten sowie deren Zielsetzungen als Unterpunkte:

  1. einfach zu erreichende Ziele – Was machen wir schon gut?
  2. mittelfristige Etappenziele wie Änderungen in Planung, Organisation oder z. B. beim Materialeinsatz und
  3. langfristige Ziele wie die Erneuerung der Haus- oder Bühnentechnik sowie Personalplanungen usw.

Dass alles mit klaren und individuellen Planungszielen verknüpft wird, soll den Theatern – bei aller Dringlichkeit – helfen mit ihren Abteilungen unaufgeregt die richtigen Wege zu gehen. Dass Theaterleute flexibel, zielorientiert und pragmatisch sind, zeigt die Ensemblekunst ja schließlich in den Produktionen bei jeder pünktlichen Premiere! – Herzliche Grüße an die Deutsche Bahn. – Es benötigt auch meist keine externen Berater, aber eventuell eine Premiere weniger pro Saison. Das ist auch im Sinne sozialer Nachhaltigkeit und dem Fehlen von Fachkräften geschuldet, nimmt Druck und schafft Zeit für nachhaltiges Arbeiten. Zeit ist übrigens Faktor eins!

Alle Bände sind mit Werkzeugkästen, sogenannten Toolkits, verknüpft und bieten im Forum der DTHG tiefgreifende Informationen oder auch ganz einfache Tabellen und Hilfsmittel, die in kleinen und großen Theatern eingesetzt werden können. Das bietet aktuell nur das deutsche »Green Book«, das nicht nur aufgrund der Übertragung des Buches etwas umfassender geworden ist als das Original. Unsere internationalen Partner greifen das gern auf. So entsteht auch ein gutes weltweites Green-Book-Netzwerk.

Apropos Übertragung. Mit einer Übersetzung war es natürlich nicht getan. Das deutsche Repertoiretheater mit seinen gewachsenen Strukturen benötigte eine umfassende Anpassung des »Green Book«, die aktuell international vielfältige Kopien erfährt. Aktuell sind 17 Länder dabei, das »Green Book« zu adaptieren. Die koreanische Variante ist gerade veröffentlicht worden. Die deutsche Version vom »Green Book« ist die erste Übertragung außerhalb Großbritanniens gewesen, vielleicht ist auch deshalb der Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen um Lisa Burger und Paddy Dillon so intensiv und die Entwicklung so rasant, progressiv und freudvoll. Theatermenschen sprechen dieselbe Sprache, auch wenn sie sich unterschiedlich verständigen oder Theater in ihren Räumen anders spielen. Andere Formen und andere Organisationsstrukturen haben aber dennoch immer das gleiche Ziel und die gleiche pragmatische Kompromissbereitschaft. Die Premiere findet statt. 10 Prozent Handeln ist besser als 100 Prozent Reden, sagt das »Green Book« und zeigt, mit den nötigen Informationen zur Selbstermächtigung die Wege dahin auf.

Aber noch einmal ein Schritt zurück: Als ich in der DTHG-Expertenrunde erstmals vom »Green Book« sprach, stellte ein Kollege vom Staatstheater Hannover, der Paddy Dillon von einer anderen Aufgabe her kannte, schnell den Kontakt her und wir trafen uns zu einem Zoom wenige Tage später. Die Woche drauf begannen wir mit der Übertragung des Green Book ins Deutsche. Es war so einfach und die Kollegen so hilfsbereit. Auch das eine angenehme Überraschung im ansonsten gewohnten Problemkreationsraum ums deutsche Theater.

Hilfe zur Selbsthilfe: »Die Fachleute sind schon in den Theatern, bringt sie mit Freude zusammen und verbessert euer Haus, wo es möglich ist. Haltet euch nicht mit Sachen auf, die eure Zeit fressen und keine Ergebnisse bringen.« Es war nachhaltiges Manna für meine geplagte Seele.

Diskutiert haben wir schon, Ergebnisse und Erkenntnisse sind auch schon da. Im DTHG-Lüftungsprojekt haben wir in einer Untersuchung festgestellt, dass 80 Prozent der Heizungs- und Lüftungsanlagen älter als 25 Jahre sind. Dort liegen die echten Potenziale für Einsparungen, deutlich höhere als beim Dekorationsbau, der in vielen Theatern trotz modularer Bauweisen und gut gepflegter Fundi im Fokus steht.

Viele Theater sind nicht Eigentümer ihrer Immobilie und haben – trotz guter Kenntnisse der Defizite – kaum Möglichkeiten einzugreifen oder zu handeln. Das muss sich ändern. Das »Green Book« kann helfen und motivieren. Motiviertes Handeln ist allemal besser als eine in ferner Zukunft liegende Verpflichtung. Die Ferne rückt schnell näher.

Das »Green Book« setzt auf Gelassenheit und kooperative Teams. Kleine Schritte und große Erfolge, statt Bilanzen und Zertifizierungen – ohne notwendige Handlungen –, die in den Schubladen von Theatern und Behörden ein geduldiges Dasein fristen. Wer reell seinen Energieverbrauch um 20 bis 30 Prozent drosseln kann und seine Arbeit langfristig nachhaltiger und umweltfreundlicher gestalten kann, sollte auch für diese Ensembleleistung neben Applaus die nötige Anerkennung bekommen. Wir würden uns in den Theatern freuen, wenn das auch bei Förderern und Geldgebern Schlüssel des motivierenden Handels sein würde.

»Green Book« motiviert und fördert den Spaß an der Sache. Motivieren statt bilanzieren. »Green Book« ist von Theaterleuten für Theaterleute geschrieben und es ist kostenlos für alle. »Green Book« fördert erste und kleine Schritte und regt zum Anfangen an. »Green Book« verbindet und erklärt die Arbeit der anderen in der Ensemblekunst Theater. Es hilft zu verstehen. »Green Book« bietet Werkzeuge und die DTHG-Hilfestellungen und Netzwerktreffen bis hin zu Workshops und Inhouseseminaren an. Viel Spaß beim Lesen und Umsetzen.

Das deutsche »Green Book« gibt es hier zum Download: greenbook.dthgev.de

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 7-8/2023.