Man muss kein miesepetriger Zeitzeuge sein, um festzustellen, dass Zweifel am Funktionieren politischer Prozesse, Demokratieskepsis und Staatsverdrossenheit sich in unserer Gesellschaft besorgniserregend ausbreiten. Wir erleben, dass antidemokratische Positionen von immer mehr Menschen geteilt werden und bisher zu Recht Unsagbares öffentlich ausgesprochen wird. Rechtspopulistische und rechtsextreme Netzwerke, Gruppierungen und Parteien gewinnen an Zuspruch, und rechte Akteurinnen und Akteure verschieben den öffentlichen Diskurs mit Erfolg nach rechts.

Jüngste Wahlergebnisse, die die AfD in zwei Ländern zur zweitstärksten politischen Kraft gemacht haben, können nicht einfach unter Protest abgetan werden.

Es ist daher sehr zu begrüßen, dass sich Politik & Kultur in ihrer Septemberausgabe eingehend mit dem Demokratiethema befasst hat. Die Debatte, wie die offene und pluralistische Gesellschaft verteidigt und geschützt werden kann, ist überfällig. Was heißt das konkret? Wie klarmachen, dass man es bei der AfD nicht mit einer »ganz normalen« Partei zu tun hat? Wie immer wieder deutlich machen, welch demokratie- und menschenverachtendes Denken dahintersteht?

Es reicht nicht, wenn die Demokratinnen und Demokraten in unserem Land sich den bedenklichen Befund des Erstarkens rechter Kräfte gegenseitig bestätigen. Ich habe den Eindruck, dass vielen in unserer Gesellschaft nicht mehr klar ist, was es zu verteidigen gilt – was für ein Glück es ist, in einer demokratisch verfassten, rechtsstaatlichen Gesellschaft leben zu können. Wir alle sind also aufgerufen, diesen völkischen Populisten und Rechtsextremisten entgegenzutreten. Demokratie ist eben keine Zuschauveranstaltung, sondern muss gelebt und verteidigt werden. Aber wie?

Auf einem Gebiet, das für die Gesamtgesellschaft von ganz zentraler Bedeutung ist, nämlich bei der Umwelt- und Klimakrise, wird diese Herausforderung sehr deutlich.

Dem Verfassungsschutz etlicher Bundesländer zufolge haben Rechtspopulisten und Rechtsextremisten bewusst einen zentralen Aktivitätsschwerpunkt auf den Umwelt-, Natur- und Tierschutz gelegt. Sie positionieren sich in diesen Politikfeldern, verschärfen akute Konflikte und reklamieren mit dem Slogan »Ökologie ist rechts!« die Deutungshoheit auf diesem Gebiet für sich. Sie instrumentalisieren z. B. den existierenden Zielkonflikt zwischen dem Artenschutz und dem forcierten Ausbau der erneuerbaren Energien für ihre Interventionen, um sich dem Artenschutz als »echte« Unterstützer und Kooperationspartner anzubiedern und so die Mitte der Gesellschaft zu erreichen.

Damit droht der Demokratie doppelte Gefahr: einerseits durch die Ablehnung demokratisch gefasster Beschlüsse zum Ausbau der erneuerbaren Energien (bei weitestgehender Leugnung der Klimakrise) und andererseits durch das Anbiedern an frustrierte Artenschützer als Partner. Die Notwendigkeit zur Reaktion besteht doppelt: auf der Debattenebene und bei politisch verantwortlichen Akteuren.

Wir müssen – auch mit staatlicher Förderung – sehr konkret und zeitnah Wege finden, die von rechten Interventionen Betroffenen in der Auseinandersetzung mit Rechtspopulisten und Rechtsextremisten zu unterstützen. Erste Ergebnisse einer laufenden Studie des Bundesamtes für Naturschutz zu Reaktionsstrategien des Naturschutzes gegen Rechtsextremismus zeigen, dass andere Bereiche der Gesellschaft hier schon weiter sind. Daher fordert die Stiftung Naturschutzgeschichte aufgrund ihrer Erfahrungen ein Kompetenzzentrum »Naturschutz und Demokratie«, das individuell und zugeschnitten auf die jeweilige Situation vor Ort Unterstützung anbieten kann.

Der NABU als einer der größten Naturschutzverbände in Deutschland hat dazu Vorbildliches geleistet und die Studie »Rechte Aktivitäten im Naturschutz« vorgelegt.

Aber auch die politisch Verantwortlichen müssen ihren Teil beitragen – mit einer Debattenkultur, die zeigt, dass dem Kern einer jeden demokratisch-pluralistischen Zivilgesellschaft Geltung verschafft wird – nämlich dem transparenten Aushandeln von Kompromissen als Kernaufgabe von Politik – und die absieht von Diffamierung und Überspitzung.

Vor allem dürfen sie nicht des vermeintlich schnellen Erfolges wegen das Geschäft der Populisten betreiben und Lösungen anbieten, die bei näherem Hinsehen nicht zielführend sein können. Wir erleben das gerade bei den Vorschlägen für die Erreichung des »Deutschlandtempos« beim Bürokratieabbau und der in diesem Zusammenhang diskutierten Abschaffung von Beteiligungsrechten im Naturschutz. Damit wird genau denen das Wort geredet, die behaupten, dass Politik sich ja ohnedies nicht für die Sorgen der Menschen im Land interessiere. Auf den berechtigten Ruf nach besseren Partizipationsmöglichkeiten ist das die falsche Antwort. Bleibt zu hoffen, dass allen klar ist, dass die Zeit drängt.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2023.