Das »Eleven Madison Park« in New York wurde 2017 zum besten Restaurant der Welt gekürt. Um diesen Titel zu erringen, reichen grandioses Essen und herausragender Service allein nicht aus. Der damalige Geschäftsführer des Restaurants, Will Guidara, führte den Erfolg vielmehr maßgeblich auf die Arbeit ganz bestimmter Mitarbeitenden zurück: der sogenannten »Dreamweaver«, der Traumweber. Sie recherchieren nach eingegangener Reservierung den Hintergrund von Gästen, nicht nur ihre kulinarischen Vorlieben oder Abneigungen, sondern ganz allgemein ihre Selbstpräsentation auf sozialen Netzwerken. Das Restaurant versucht herauszufinden, mit welchen Erwartungen die Gäste das Lokal aufsuchen und welche Wünsche es ihnen erfüllen kann.

Die Traumweber schaffen daraus hoch individualisierte Zusätze zum Menü, um die Erfahrung in einem Sterne-Restaurant zu essen, unvergesslich zu machen. Die so entstehenden »Legends« können Kleinigkeiten sein, eine handgemalte Tarot-Karte zu jedem Gang für die Esoterik-Anhängerin oder ein Dekanter in Raumschiff-Form für den »Star Wars«-Fan. Oder groß: So überraschten die Dreamweaver die Kinder einer spanischen Familie, die noch nie Schnee gesehen hatten, nach dem Essen mit einer Schlittenfahrt im Central Park. Oder sie füllten einen privaten Speisesaal mit Sand, komplett mit Mai Tais und Liegestühlen, um ein Paar zu trösten, das seinen Urlaub auf einer tropischen Insel absagen musste.

Guidara schrieb später ein Buch über dieses Vorgehen und nannte es »Unreasonable Hospitality: The Remarkable Power of Giving People More Than They Expect«, zu Deutsch: »Unvernünftige Gastfreundschaft: Die bemerkenswerte Kraft, den Menschen mehr zu geben, als sie erwarten«.

Im Englischen gibt es den Ausdruck »going the extra mile«, was eben nicht »eine Ehrenrunde drehen« bedeutet, sondern »sich besonders Mühe geben«.

Insofern sind Sie, liebe Isabel Pfeiffer-Poensgen, auch so ein Dreamweaver, denn auch Sie sind immer die Extra-Meile gegangen und haben Menschen mehr gegeben, als diese erwartet haben. Mit einem Interesse an den Menschen und nach umfassender Recherche und Analyse, versteht sich. »Unreasonable«, also unvernünftig, finde ich das jedoch nicht, sondern im Gegenteil sehr, sehr klug.

Weggefährtinnen und Weggefährten betonen jedenfalls, dass Sie immer mehr Termine absolvieren, als Sie müssten. Dass es Ihnen ein inhärentes Bedürfnis ist, im Dialog mit den Künstlerinnen und Kreativen zu sein und zu bleiben. Also nicht nur Politik für sie, sondern auch mit ihnen zu machen – und das über alle Sparten und Kunstformen hinweg.

Als langjährige Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder (2004-2017) haben Sie diese geprägt und waren ihr Gesicht in der Öffentlichkeit. Bereits damals bündelten Sie all Ihre Berufserfahrung, setzten sich für kulturelle Bildung, Provenienzforschung und Kulturgutschutz ein. Und gefühlt »nebenbei« – aber natürlich in Wirklichkeit nur durch enorme Kraftanstrengungen hinter den Kulissen – gelangen Ihnen einige der spektakulärsten Kulturguterwerbungen der deutschen Gegenwart, etwa das originale Autograf von Ludwig van Beethovens »Diabelli-Variationen« für das Beethoven-Haus in Bonn oder die Reisetagebücher Alexander von Humboldts für die Staatsbibliothek zu Berlin.

Ihr Erfolgsrezept hat sich seit damals nicht geändert: den Beteiligten aus den verschiedenen Bereichen der Kultur intensive Gespräche ermöglichen und dabei sehr genau zuhören.

Anschließend die richtigen Personen miteinander verbinden und einfach nicht lockerlassen – getreu der festen Überzeugung, dass kein Projekt wirklich scheitert, wenn man es nur verbindlich und lange genug betreibt.

In Ihrer Schiller-Rede am Deutschen Literaturarchiv 2018 in Marbach fassen Sie – mittlerweile als Ministerin – Ihre Grundhaltung konzis in einem Satz zusammen: »… mir sind die Mittel in die Hand gegeben (…), und ich gedenke, sie zu nutzen.« Sie sind Überzeugungstäterin und verstehen Ihr Handeln als Dienst an der Sache und Politik als Pflicht an der Gemeinschaft und insbesondere an der Kultur, deren Ermöglichung Sie sich seit Jahrzehnten auf die Fahnen geschrieben haben.

Sie wissen, was der alte Adorno-Satz meint: »Wer Kultur sagt, sagt auch Verwaltung, ob er will oder nicht.« Die Mittel kennen, haben und auch anwenden – darauf kommt es an.

In Ihrem Antrittsinterview als frisch ernannte Ministerin für Wissenschaft und Kultur Nordrhein-Westfalen mit der Rheinischen Post sagten Sie 2017 einen weiteren, auf den ersten Blick schlichten Satz, der aber programmatisch über sich selbst hinausweist:

»Allerdings habe ich es in meinem Berufsleben immer so gehalten, möglichst alles auf Arbeitsebene zu klären. Nur, wenn das nicht möglich ist, würde ich mich an den Ministerpräsidenten wenden.«

Obwohl natürlich vorzüglich gut vernetzt und im steten Dialog mit denen, die Gesetze machen, und jenen, für die sie gemacht werden, lassen Sie am liebsten Ihre Arbeit und jene der Institution, der Sie vorstehen, sprechen. Erst wenn das nicht reicht, kommt der direkte Draht zum Einsatz – immer für die Sache, nie um eitel einfach nur die eigene Nähe zu Entscheiderinnen und Entscheidern zu markieren. Auf die Ergebnisse der fachlichen Arbeit können Sie sich dabei aufgrund Ihrer enormen Sachkenntnis stets verlassen.

In dieser Charakterisierung Ihrer Arbeit finden sich schon ein paar Bruchstücke einer etwas grundsätzlicheren Erwägung. Wenn ich mir nämlich so die mögliche Typologie von Kulturpolitikerinnen und Kulturpolitikern ansehe, dann ist es kein Wunder, dass Sie hier heute ausgezeichnet werden. Kulturpolitik ist nämlich schon ein ganz schön merkwürdiges Politikfeld.

Hier geht es weniger um administrative Entscheidungsmacht als in anderen Bereichen des Politischen. Stattdessen muss man ganz klassisch überzeugen und darf da auch nicht immer so ganz wählerisch sein, wenn es um die wirksamsten »Argumente« geht. Kommunikative Macht ist das entscheidende Medium.

Außerdem kämpft man regelmäßig gegen die Anmutung an, dass man doch irgendwie bloß für das Gute und Schöne verantwortlich sei. Dabei geht es um mehr, letztlich um beinahe alles. Um Zusammenhalt und Zusammenhang einer offenen und vielfältigen Gesellschaft.

Deshalb tanzt man immer auf dem Grat zwischen konkreter Finanzierungszusage und grundsätzlichem philosophischen Diskurs herum – stets vom Ausrutschen bedroht. Das fördert sehr unterschiedliche Strategien und gebiert recht merkwürdige Politikertypen. Sie kennen sie bestimmt:

Da gibt es die distinguierten Nichtpolitiker, die eher für das kluge Grußwort bei einer Matinee statt für die Haushaltsverhandlungen gecastet wurden.

Da gibt es diejenigen, die es sich zur Aufgabe machen, ihren Chefinnen und Chefs möglichst gezielt möglichst prominente Kulturgesichter für die nächste Kampagne zuzuführen.

Da gibt es diejenigen, die eigentlich lieber selber Kunst machen wollten, aber irgendwann einsehen mussten, dass es nur dazu gereicht hat, diejenigen auszusuchen, die Kunst machen oder Kunsteinrichtungen leiten dürfen – und denen die eigenen ehemaligen Ambitionen bisweilen in die Quere kommen.

Da gibt es diejenigen, die mit jeder Faser in der Politik stecken und die von den Künsten erwarten, dass sie die Demokratie oder gar gleich die ganze Welt retten und die deshalb immer wieder aufs Neue den Eigensinn künstlerischer Irritation verpassen.

Da gibt es diejenigen, die fortgesetzt damit hadern, dass sie kein wirklich wichtiges Ressort abbekommen haben, die sich in der Karrieresackgasse wähnen und die die Künste immer allen anderen anbieten, um anderes, meist schön Zählbares zu erreichen – Fachkräfte, Touristen oder Wertschöpfung.

Und dann gibt es schließlich diejenigen, die wissen, dass es sich bei der Kulturpolitik eigentlich um das wichtigste Ressort handelt, das so eine Regierung zu vergeben hat.

Denn schließlich ist ja alles, was nicht Natur ist, letztlich Kultur. Alles Gemeinsame, das nicht der materiellen Selbsterhaltung dient, wie Adorno schreibt. Daraus lässt sich schon was machen …

Allerdings muss man wissen, dass diese fast alles umfassende Bedeutung nur dann etwas wert ist, wenn man sie nicht vor sich herträgt, sondern weiß, wie sie sich sehr eigensinnig entfaltet.

So eine sind Sie, liebe Isabel Pfeiffer-Poensgen. Sie gehören zu denjenigen, die wissen, dass man tatsächlich mit Künstlerinnen und Künstlern eher über Geld und mit den Bankern eher über die Kunst redet. Denjenigen, die wissen, dass es darauf ankommt, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Freiheit ermöglichen. Und die die Finger auf dem Rücken über Kreuz legen, wenn sie wieder einmal versprechen müssen, dass sie irgendwelche Kennzahlen erfüllen werden.

Sie wissen, dass man sich um Zuwendungen kümmern muss und dass man, wenn das Geld tatsächlich mal alle sein sollte, immerhin noch emotionale Zuwendung übrighaben sollte.

Und wer Sie, wie ich, bei der Arbeit erleben durfte, der weiß auch, wie sehr Sie genau darin aufgehen. Wie sagten Sie neulich zu mir? »Natürlich war das alles bisweilen anstrengend. Aber in welchem anderen Ressort lernt man so viele interessante und inspirierende Menschen kennen?« Und recht haben Sie. Es ist ein Geschenk, Kulturpolitik machen zu dürfen, eben weil man wirklich jeden Tag aufs Neue mit Menschen zusammenarbeitet, die sich nicht damit zufriedengeben, dass die Dinge nun einmal so sind, wie sie sind, sondern die permanent darüber nachdenken, wie sie noch sein könnten, und die nach Wegen fahnden, uns alle zu berühren, um in uns etwas auszulösen.

Die Schriftstellerin Simone Buchholz hat einmal etwas unglaublich Kluges über die Künste gesagt, als sie die »Dünnhäutigkeit« beschrieben hat, die Künstlerinnen und Künstler empfinden: »Wir sind durchlässige Wesen, die es vielleicht ein bisschen anders zu beschützen gilt. Denn wenn wir uns eine dickere Haut zulegen, dann können wir das nicht mehr leisten, was wir leisten müssen. Unsere ureigenste Aufgabe ist doch, einer Gesellschaft davon zu erzählen, wer sie ist und wo sie gerade steckt.«

Und dazu müssten Künstlerinnen und Künstler eben berührbar und verletzbar sein können, weil sie nur dann diese Geschichten aufnehmen und verarbeiten können, weil sie nur dann quasi seismografisch die Unterströmungen des Menschlichen und Sozialen, des Emotionalen und des Politischen aufnehmen und erforschen können.

Das aber geht eben nur, wenn sie sich auch beschützt fühlen können. In einer Gesellschaft, in der das Ökonomische immer dominanter wird und gleichzeitig diejenigen auf dem Vormarsch sind, die die Freiheiten der Künste bedrängen und unsere Gesellschaft enger machen wollen, ist es umso wichtiger zu wissen, wo solche Verbündeten und solche Beschützerinnen und solche Fördererinnen sind.

Und ich habe immer wieder von Künstlerinnen und Künstlern gehört, dass sie sich bei Ihnen, liebe Isabel Pfeiffer-Poensgen, beschützt und gefördert, aber eben nie belagert gefühlt haben.

Das mit dem Belagern haben Sie an anderen Stellen dafür umso virtuoser eingesetzt.

Ein Wort, das in Bezug auf Sie immer wieder fällt, ist »Beharrlichkeit«. Sie selbst nennen sich hartnäckig oder gleich glasklar: »Ich bleibe auch eine Nervensäge.«

Dabei geht es bei Ihnen nicht nur um die Dimension von Beharrlichkeit, bei der es um die Überwindung von Schwierigkeiten geht, im Sinne von »steter Tropfen höhlt den Stein«.

Es geht auch um das umfassende Verständnis, dass manche Dinge ihre Zeit brauchen. Gerade in einer föderalen Demokratie, gerade bei so etwas Grundlegendem wie Kunst und Kultur. Auch bei ausgebildeten Juristinnen, wie Sie eine sind, und bei Personen mit Ihrer enormen Verwaltungskompetenz, ist das keine Selbstverständlichkeit. Sie stehen für Dinge, von denen Sie überzeugt sind, ein und treiben diese voran.

Deshalb auch der markante Fokus auf die die langfristigen Fragen des kulturellen Erbes, des Erhalts von Schriftgut oder der Provenienz musealer Sammlungen.

Dabei schätze ich an Ihnen besonders, dass Ihr Grundmodus die Zuversicht ist. Sie beschweren sich nicht mutlos, sondern stoßen Veränderungen an. Bei all dem, was die Coronapandemie im Kulturbereich an Schäden angerichtet hat, weisen Sie etwa darauf hin, dass die besondere Situation der Lockdowns auch zu einer »heilsamen Debatte über die Relevanz von Kunst und Kultur« geführt habe, aus der sie gestärkt hervorgegangen seien.

Die Entgrenzungsprozesse, die unsere Gegenwart prägen und die auch wachsende Verunsicherungen hervorbringen, sind für Sie zugleich Impulse für notwendige Selbstbefragungen. Aus diesen ergeben sich dann für Sie konkrete Arbeitsaufträge, z. B. die Stärkung der Provenienzforschung als Reaktion auf erstarkende Erzählungen vermeintlicher kultureller Homogenität und einem geschichtsvergessenen Verständnis von nationalstaatlicher Einheit. Wir sind nicht, wir wurden so gemacht.

Gerade beim Thema »Provenienzforschung« bewiesen Sie sehr früh ein sensibles Gespür. Bereits vor 2004, noch vor Ihrer Tätigkeit für die Kulturstiftung der Länder, haben Sie angefangen, sich um dieses Feld zu kümmern, einfach aus der Erfahrung heraus, dass viele Museen mit Ansprüchen konfrontiert waren, aber sich nicht einmal ein Provenienzgutachten leisten konnten.

Sie legten später einen Fonds dazu auf und gaben für die Kulturstiftung der Länder 100.000 Euro, was die höchstmögliche Summe ohne Gremienbeschluss war. So begann es mit der Arbeitsstelle für Provenienzforschung, die dann an der Stiftung Preußischer Kulturbesitz angedockt wurde.

Die Beauftragte für Kultur und Medien gründete später das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg und stockte zugleich die Mittel erheblich auf. Das wäre nicht möglich gewesen, hätten Sie nicht beharrlich daran mitgewirkt, alle 16 Länder von der Notwendigkeit einer Finanzierung der Aufarbeitung zu überzeugen. Somit konnten Sie dann als Ministerin in neuer Funktion am alten Thema weiterarbeiten. Weitsicht gepaart also mit Beharrlichkeit – Sie wären sicherlich auch eine herausragende Bergführerin geworden.

Ihr Verständnis, wofür Sie als Kultur-politikerin zuständig sind, war ungewöhnlich breit. Es sprengte alle Ressortgrenzen bzw. weigerte sich bisweilen sogar, diese überhaupt, über verwaltungstechnische Zuschnitte hinaus, anzuerkennen. Wie gesagt: Alles, was nicht Natur ist, ist ja letztlich Kultur.

Diesen Umstand wussten Sie, liebe Isabell Pfeiffer-Poensgen, zu nutzen.

Dass Kultur und Wissenschaft diesem Verständnis nach aus der gleichen Quelle stammen, ließe sich biografisch erklären: Als langjährige Kanzlerin einer der größten und renommiertesten künstlerischen Hochschule Deutschlands liegt ein Brückenschlag zwischen beidem nahe. Da war das spätere Amt als Ministerin für Kultur und Wissenschaft nur folgerichtig.

Dass die heutige Verleihung im Wilhelm von Humboldt-Saal der Staatsbibliothek zu Berlin stattfindet, also an einem Ort, der einer Person gewidmet ist, in der sich die Identität als Wissenschaftler und Schriftsteller vereinen wie bei wenigen anderen, kann ich daher nur als überaus passend bewerten.

Die von Ihnen stets betonte Relevanz von kultureller Bildung lässt sich aus Ihrer Biografie ebenfalls gut herleiten. Das schließt Ausbildung explizit mit ein, denn große Kunst braucht eben neben Talent und Inspiration auch das handwerkliche Können. Und genau das muss Kulturpolitik ermöglichen, damit Kultur nicht bereits bei der Ausbildung zum elitären Vergnügen einer kleinen Minderheit, die es sich leisten kann, verkommt.

Dafür haben Sie sich stets eingesetzt, etwa mit dem Kulturrucksack NRW, der dafür sorgt, dass die Tür zu Kunst und Kultur für alle Kinder und Jugendlichen so früh und so weit wie möglich offenstehen, gerade auch als mögliches Feld zukünftigen Lohnerwerbs.

Womit ich bei den nächsten einverleibten Ressorts angekommen bin: Arbeit, Wirtschaft und Soziales. Schon als Vorsitzende der Kulturministerkonferenz haben Sie die soziale und wirtschaftliche Absicherung von Künstlerinnen und Künstlern zum Schwerpunkt Ihrer Arbeit gemacht. Sie haben Kunst und Kultur immer von den Menschen her gedacht. Auch hier wieder zeigt sich Ihre Arbeitsweise, ein Thema, das Sie bereits langjährig »im Hintergrund« bewegen, im richtigen Moment als Reaktion auf konkrete gesellschaftliche Veränderungen in den Vordergrund zu schieben.

Der Begriff »Universalgelehrte« sagte schon immer mehr über den beschränkten Umfang des Wissens in früheren Epochen als über die Genialität der damit bezeichneten Person aus. Daher ist er, auch als lobende Fremdbezeichnung, ungeeignet. Erst recht hier im Humboldt-Saal. Ich schlage hingegen vor, Sie als »Universalempathin« zu ehren. Nicht als jemand, der vom Mitfühlen überwältigt wird, sondern der die Position anderer so umfassend versteht und sich so herausragend hineindenken kann, dass er oder sie die Situation der anderen in Gänze überblicken kann.

Das ist Ihnen in meiner Wahrnehmung mit Künstlerinnen und Künstlern gelungen, zu deren Anwältin Sie sich mit großem Respekt und viel Elan gemacht haben. Und das haben Sie auch in der Kulturministerkonferenz als Koordinatorin der B-Länder und ein Jahr als Vorsitzende mit unglaublichem Elan und großer Verve getan.

Ich erinnere mich noch gut, wie wir zwei über ein Wochenende hinweg mal eine politische Positionierung vereinbart und zu Papier gebracht haben, die den Künsten in der Coronapandemie endlich die Anerkennung bringen sollte, die sie so dringend brauchte. Wir haben das dann auch mit vereinten Kräften durch eine Ministerpräsidentenkonferenz gebracht, als die »große« Politik mal wieder vergessen wollte, dass sie ohne die Künste, ohne kulturelles Fundament doch nur bloßes Machthandeln wäre.

Das geht nur, wenn man sich – unabhängig von allen Parteifarben und Eigeninteressen der Landesregierungen – einig ist, dass die Künste etwas sehr Besonderes sind.

Es ist etwas sehr Heilsames, dass wir uns darauf im Kulturförderalismus immer wieder neu einigen müssen, und dass wir so vorleben können, wie unterschiedliche Positionen diskursiv zu einer werden können. Das ist eine kulturelle Leistung, die manchmal mehr wert sein kann, als wieder ein Förderprogramm durch die Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses des Bundestags zu bringen.

Auch wenn Letzteres hier in der Hauptstadt natürlich mehr Aufmerksamkeit generiert, stärkt doch Ersteres immer wieder neu die Fundamente, auf denen unser Gemeinwesen gegründet ist.

Denn wenn es gelingt, dann haben Sie viele, viele Verbündete auf allen Ebenen unseres komplexen politischen Systems von der kommunalen Ebene über die Länder bis hin zum Bund. Und genau diese Gemeinsamkeit ist wichtig. Das Wissen darum, dass diese Einigkeit notwendig ist, hat uns immer geeint. Und dass Isabel Pfeiffer-Poensgen in der Hamburger Kulturbehörde angefangen hat und später Ministerin in NRW wurde, während ich als gebürtiger Gelsenkirchener heute in Hamburg die Kulturbehörde leiten darf, zeigt ja auch, dass der Föderalismus zum Austausch durchaus fähig ist.

Liebe Isabell Pfeiffer-Poensgen, in Ihrer Antrittsrede als Landesministerin sagen Sie: »Unerwartet ist – ihrem Wesen nach – die Kunst. Oft genug überrascht und irritiert sie uns.« Ihre Auszeichnung mit dem Deutschen Kulturpolitikpreis 2023 ist demnach keine Kunst, denn sie hat mich weder überrascht noch irritiert. Diese Ehrung ist vielmehr überaus passend und absolut folgerichtig. Sie trifft absolut die Richtige, und es macht enormen Spaß, Sie so ausgiebig zu feiern.

Ich könnte noch stundenlang weitermachen, aber Sie wollen nachher beim Empfang sicherlich auch noch von allen anderen hören, warum Sie wirklich Besonderes geleistet haben. Ich gratuliere Ihnen aufrichtig zu diesem Preis. Herzlichen Glückwunsch!

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 10/2023.