Eine einfache Geburt war es nicht, die Künstlersozialkasse auf den Weg zu bringen. Heute ist sie eine Selbstverständlichkeit, doch der Weg bis zu ihrer Etablierung war steinig, und immer wieder stellten sich Probleme und Schwierigkeiten, die es zu überwinden galt. Der 40. Geburtstag ist ein guter Anlass, um zurück und nach vorne zu blicken.

Mit der Verabschiedung des »Gesetzes über die Sozialversicherung der selbstständigen Künstler und Publizisten« (Künstlersozialversicherungsgesetz) wurde im Jahr 1983 eine Lücke im Sozialversicherungssystem der Bundesrepublik geschlossen. Bis zu diesem Zeitpunkt konnten sich selbstständig tätige Künstlerinnen und Künstler bzw. Publizistinnen und Publizisten für den Krankheitsfall nur durch den Abschluss einer privaten Krankenversicherung absichern. Eine Absicherung für das Alter musste ebenfalls auf privater Basis erfolgen. Diese Lücke im Sozialversicherungssystem führte in Verbindung mit niedrigen Einkommen dazu, dass viele keine Krankenversicherung hatten und daher vielfach im Krankheitsfall die Sozialämter eine Kostenübernahme leisten mussten. Im Alter litten viele Künstlerinnen und Künstler bzw. Publizistinnen und Publizisten unter großer ökonomischer Not, da sie keine ausreichende Altersvorsorge hatten. Das ohnehin knappe Einkommen dieser Berufsgruppe verringerte sich im Alter unter anderem infolge schwindender Schaffenskraft oder veränderter Marktanforderungen erheblich, sodass Ältere oft von der Sozialhilfe abhängig waren.

Wie alles anfing

Alarmiert wurde die Bundespolitik durch den 1975 erschienen »Künstlerreport« von Karla Fohrbeck und Andreas Johannes Wiesand. Im »Künstlerreport« wurde die soziale, berufliche und wirtschaftliche Lage von selbstständigen bildenden Künstlerinnen und Künstlern, darstellenden Künstlerinnen und Künstlern sowie von Musikerinnen und Musikern in den Blick genommen. Die Situation der Autorinnen und Autoren war bereits 1972 Gegenstand des ebenfalls von Fohrbeck und Wiesand erstellten »Autorenreports«. Neben der schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Lage der selbstständigen Künstlerinnen und Künstler wurde politisch besonders debattiert, ob es sich bei dieser Gruppe um Unternehmerinnen und Unternehmer handelt oder ob, aufgrund enger Beziehungen zu den Vermarktern, die arbeitnehmerähnlichen Merkmale nicht überwiegen.

Im Jahr 1976 wurde der von der damaligen sozialliberalen Regierungskoalition erste Gesetzesentwurf für ein Künstlersozialversicherungsgesetz vorgelegt. Die Versicherten, also die Künstlerinnen und Künstler, sollten für den Arbeitnehmer- und die Vermarkter für den Arbeitgeberanteil der Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung aufkommen. Die Pflegeversicherung bestand zu dem Zeitpunkt noch nicht, und eine Einbeziehung der Versicherten in die Arbeitslosenversicherung wurde nicht in den Blick genommen. Der Gesetzesentwurf traf auf erbitterten Widerstand der Vermarkter künstlerischer Leistungen. Es folgten noch zwei weitere Gesetzesentwürfe und entsprechende Beratungen und Anhörungen der Bundestagsausschüsse, bis schließlich das Künstlersozialversicherungsgesetz 1981 beschlossen wurde. Am 1. Januar 1983 trat es in Kraft. Zwischenzeitlich war die neu gewählte unionsgeführte Bundesregierung am Ruder.

Unruhiger Anfang

Dass die Künstlersozialkasse (KSK) ihren Sitz in Wilhelmshaven hat, hat sie dem Abgeordneten Herbert Ehrenberg zu verdanken, dessen Wahlkreis Wilhelmshaven war. Die KSK war anfangs als rechtsfähige Anstalt errichtet worden. Das größte Problem bestand darin, dass eine viel größere Zahl an Versicherten auf die KSK zukam, als vorab angenommen worden war. Sie hatte weder das Personal noch die Sachausstattung, um den Arbeitsaufwand zu bewältigen. Darüber hinaus wurde in dieser Anfangsphase der endgültige Beitrag der Versicherten erst nach Ablauf des Jahres festgestellt, um das tatsächliche Einkommen als Grundlage zu erfassen. Dies führte zu Beitragsrückzahlungen oder auch -nachforderungen. Insgesamt war der Aufwand deutlich zu hoch. Ein weiteres entscheidendes Problem war der »Arbeitgeberanteil«. Unternehmen der Kulturwirtschaft hatten gegen die Künstlersozialabgabe Verfassungsbeschwerde eingelegt und weigerten sich, die Abgabe zu entrichten. Im April 1987 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass das Künstlersozialversicherungsgesetz verfassungskonform ist. Im Gesetz zur finanziellen Sicherung der Künstlersozialversicherung (1987) wurden im Bundesverfassungsgerichtsurteil angesprochene Aspekte aufgenommen. Der Bundeszuschuss, also der Anteil, den der Bund zur Finanzierung beiträgt, wurde von 17 Prozent auf 25 Prozent erhöht und die KSK in die Landesversicherungsanstalt Oldenburg-Bremen eingegliedert. Ferner wurde der Kreis der Abgabepflichtigen erweitert. So langsam stellte sich eine gewisse Routine ein. Seit dem Jahr 1988 wird der Beitrag der Versicherten nach dem vorausgeschätzten Einkommen festgelegt. Außerdem wurde die bereichsspezifische Künstlersozialabgabe mit einer Kappungsgrenze eingeführt. Seit dem Jahr 1994 werden die Versicherten und Abgabepflichtigen stärker kontrolliert, ob sie ihren Verpflichtungen nachkommen.

Absenkung des Bundeszuschusses

Der nächste Paukenschlag war 1999 das Haushaltssanierungsgesetz der ersten rot-grünen Bundesregierung. Der Bundeszuschuss wurde von 25 Prozent auf 20 Prozent abgesenkt und die bereichsspezifische Künstlersozialabgabe abgeschafft. Hiergegen rührte sich energischer Protest der Bundeskulturverbände. Im Jahr 2001 wurde das Künstlersozialversicherungsgesetz reformiert. Unter anderem wurde eingeführt, dass die Versicherten das Mindesteinkommen zweimal innerhalb von sechs Jahren unterschreiten können, ohne dass der Versicherungsstatus verloren geht. Die Abgabepflicht wurde geschärft und Ausnahmen für Musikvereine eingeführt. Ferner wurde die KSK in die Unfallkasse des Bundes eingegliedert.

Steigender Abgabesatz

Im Jahr 2005 stieg der Abgabesatz deutlich an, und die abgabepflichtigen Unternehmen befürchteten, dass er aus dem Ruder läuft. Es mehrten sich Stimmen, die Künstlersozialversicherung infrage zu stellen. Ein Argument war dabei die europäische Wettbewerbsfähigkeit der kulturwirtschaftlichen Unternehmen. Um Lösungen zu entwickelten, richteten das federführende Bundesministerium für Gesundheit und Soziales und der Deutsche Kulturrat einen Runden Tisch »Stärkung der Künstlersozialversicherung« ein, an dem Vertreterinnen und Vertreter der Verbände der Versicherten und der Abgabepflichtigen teilnahmen. Das gemeinsame Ziel war es, die Abgabepflichtigen umfassend zu erfassen und so die Künstlersozialabgabe möglichst gering zu halten. Ein Durchbruch hierfür war das im März 2007 verabschiedete »Dritte Gesetz zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes und anderer Gesetze«. Von nun an mussten die Prüferinnen und Prüfer der Deutschen Rentenversicherung bei ihren regulären Betriebsprüfungen zur korrekten Abführung der Sozialversicherungsbeiträge auch die Abführung der Künstlersozialabgabe prüfen. Dies führte bei den Unternehmen, die nicht zur Kultur- und Kreativwirtschaft zählen und bislang noch keine Ausgleichsvereinigung gebildet hatten, zu reichlichem Unmut, doch auch diese Hürde nahm die Künstlersozialversicherung, und inzwischen sind diese Prüfungen Routine. Darüber hinaus wurde festgelegt, dass die Versicherten engmaschiger geprüft werden.

Coronapandemie

Die Coronapandemie in den Jahren 2020 bis Anfang 2023 war eine Bewährungsprobe. Schnell war klar, dass die Einkommen der Versicherten ebenso sinken wie die gezahlten Honorarsummen der Unternehmen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales reagierte rasch und stabilisierte die Künstlersozialkasse mit Entlastungszuschüssen, damit der Abgabesatz in einer für die Kulturwirtschaftsunternehmen ohnehin schwierigen Lage nicht noch in die Höhe schnellte. Die Versicherten konnten in den Jahren 2021 und 2022 bis zu 1.200 Euro im Monat aus nichtkünstlerischer selbstständiger Arbeit verdienen, ohne den Versicherungsschutz verlieren. Weiter musste das Mindesteinkommen aus künstlerischer selbstständiger Arbeit in den Jahren 2020 bis 2022 nicht erreicht werden.

Zukunftsaufgaben

Die Künstlersozialkasse hat in den 40 Jahren ihres Bestehens so manche Krise durchgemacht und Hürde genommen. Sie ist heute nicht mehr wegzudenken. Seit vielen Jahren des Aufwuchses an Versicherten ist der Versichertenbestand im Jahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Spannend sind vor allem die Verschiebungen. Über sehr viele Jahre hinweg stellten die Versicherten der Berufsgruppe Wort 25 Prozent der Versicherten. Dieser Anteil ist zum Jahr 2023 auf 21 Prozent gesunken. Die Berufsgruppe Darstellende Kunst, die stets den kleinsten Teil Versicherten stellt, hat zugelegt. Ihr Anteil ist von 13 Prozent auf 17 Prozent angestiegen. Nach wie vor die Berufsgruppe mit den meisten Versicherten ist die Berufsgruppe Bildende Kunst mit 35 Prozent Versichertenanteil, gefolgt von der Berufsgruppe Musik, die aktuell einen Anteil von 27 Prozent hat.

Die Veränderung in der Berufsgruppe Darstellende Kunst deutet darauf hin, dass in jenem Segment des Kulturbereiches, das eigentlich durch abhängige Beschäftigung geprägt ist, die selbstständige Tätigkeit an Bedeutung gewinnt. Generell wird es in der Zukunft darauf ankommen, in den administrativen Abläufen den Besonderheiten hybrider Arbeit, also abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit, vermehrt Rechnung zu tragen.

Mit Blick auf die Abgabepflichtigen wird es darauf ankommen, digitale Verwertungsformen stärker in die Abgabepflicht einzubeziehen.

Dank der Künstlersozialversicherung haben selbstständige Künstlerinnen und Künstler bzw. Publizistinnen und Publizisten Krankenversicherungsschutz. Sie leisten einen Beitrag zur Pflegeversicherung und sind rentenversichert. Das ist mehr als vor 40 Jahren und kann nicht hoch genug geschätzt werden. Eines kann die Künstlersozialversicherung nicht, die Einkommensarmut zu beseitigen. Dafür sind andere Instrumente vonnöten. Basishonorare können ein erster Schritt sein. Doch das ist eine andere Baustelle.

Eines bleibt: Happy Birthday Künstlersozialkasse und Dank für 40 Jahre sehr gute Arbeit.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 09/2023.