Vor einigen Wochen hat eine große deutsche Stiftung zur Diskussion eingeladen, um zu klären, wie »diskriminierungskritische Strukturen in Kulturbetrieben durch Powersharing etabliert« werden können.

Ich war als alter weißer Mann in der sonst reinen Frauenrunde gesetzt und nahm diese Rolle auch bereitwillig an. Denn ohne Zweifel gibt es im Kulturbereich Machtstrukturen, die diskriminierend sein können und nicht leicht zu überwinden sind. Deshalb ist jede Idee diskussionswürdig, die zu einem besseren Arbeitsklima im Kulturbereich beiträgt.

Die Runde auf dem Podium war nur bedingt divers. Und damit meine ich nicht, dass mit mir nur ein Alibimann auf dem Podium saß, das ist mehr als gerecht, wenn man sich die zahllosen Podien anschaut, wo es nur eine Alibifrau gibt. Es waren Frauen mit migrantischer Herkunft und People of Color vertreten. Die Runde war trotzdem nicht divers, weil nur ein Nichtakademiker, nämlich ich, auf dem Podium saß.

Zum Start wurde ein kleiner Trickfilm gezeigt. Eine Frau will eine »Party für alle« besuchen, aber die Türe wird nach Rufen und Klopfen nicht geöffnet, sie bleibt vor der Türe stehen und lässt sich von einer Freundin trösten. Das Fazit des Films ist: Wer draußen vor der Türe steht, wird auch draußen bleiben, wenn es keinen Menschen gibt, der die Türe aufmacht.

Ist das wirklich so? Ich habe vehement Einspruch erhoben und darauf hingewiesen, dass in dem Film eine auf der Hand liegende Alternative ausgespart wurde. Warum nicht versuchen, die Türe aufzubrechen?

Erstarrte Gesichter im Publikum, Kopfschütteln. Nein, die Idee soll doch sein, mit Powersharing, also der freiwilligen Abgabe von Gestaltungsmacht von Verantwortlichen in Kultureinrichtungen weitere Personen in Verantwortungsprozesse einzubinden. Aber kann das so funktionieren? Gerade die Leitung von Kulturorten ist ja keine normale Arbeit. Man hat eine Idee, vielleicht sogar eine Vision. Man arbeitet im Team, aber um seine Ideen umsetzen zu können, braucht es auch eine Bereitschaft, seine eigenen Vorstellungen durchsetzen zu wollen. Künstlerische Prozesse funktionieren oft nicht als diskursiver Aushandlungsprozess.

Mich beschäftigt diese Veranstaltung immer noch. Ohne Unterlass wurde auf dem Podium von Diskriminierung gesprochen, aber alle meine Mitdiskutantinnen haben einen Hochschulabschluss, teilweise sogar eine Promotion. Sie leiten eine Bildungsstätte, ein Museum oder arbeiten an einer Hochschule. Hier spricht eine Elite von Diskriminierung, ich bin immer noch ratlos.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 10/2023.