Google hat in Deutschland bei Suchmaschinen auf dem Desktop gegenwärtig einen Marktanteil von 74 Prozent und bei mobilen Geräten von 94 Prozent. Mit großem Abstand folgt auf Platz zwei die Suchmaschine von Microsoft Bing mit 17 Prozent und 0,8 Prozent. Vom deutschen Werbeumsatz in Höhe von 31 Milliarden Euro fließen inzwischen fast 50 Prozent in die Taschen der drei großen Tech-Plattformen Google, Meta und Amazon. Davon verdient Google allein 7,8 Milliarden Euro (+5,5 Prozent). Für deutsche TV-Sender und Print-Verlage bleibt hingegen immer weniger Geld übrig. 2024 erreichte der Google-Mutterkonzern Alphabet einen Umsatz von 350 Milliarden Dollar (+14 Prozent). Annähernd die Hälfte davon erwirtschaftet Google in den USA (170,4 Milliarden Dollar); dieser Markt ist mit plus 17 Prozent auch überdurchschnittlich stark gewachsen. Die 112,4 Milliarden Dollar weltweiter Betriebsgewinn sind 2024 ein Drittel mehr als 2023. Zum Vergleich: Nach Berechnungen des »Handelsblatts« haben die drei DAX-Konzerne mit dem größten Nettogewinn 2024, Volkswagen, Telekom und Mercedes-Benz, im gesamten Jahr zusammen knapp 33 Milliarden Euro verdient. Das sind relativ bekannte Fakten, die einen erstaunen, aber vielleicht nicht mehr hinterfragt werden.

Das könnte sich aber jetzt ändern, denn mit einem neuen Suchalgorithmus, der das Wissen, das im Internet vorhanden ist, noch systematischer abgrast und in eigene Aussagen umschreibt, erreicht die Ausbeutung der Urheber eine neue Stufe.

Google führt jetzt auch in Deutschland seine KI-generierte Online-Suche »Al Mode« ein. Europa kommt damit als letzte große Weltregion in den »Genuss« der neuen KI-Anwendung des globalen Suchmaschinenbetreibers. Erst vor einigen Monaten präsentiert, ist die Funktion bereits in mehr als 200 Ländern und über 40 Sprachen nutzbar. Bisher sollen den integrierten KI-Chatbot weltweit schon zwei Milliarden Nutzer verwenden, meldet das Unternehmen voller Stolz. Bei Al Mode handelt es sich nicht um die schon in der Google-Suche über vielen Anfragen zu findenden »AI Overviews«-Zusammenfassungen. Diese haben bereits zu bisher ergebnislosen Protesten und Klagen vieler Inhalteanbieter geführt. Zahlreiche Webseiten beklagen seit der Einführung der AI Overviews einen deutlichen Rückgang des Google-Traffics – und somit auch von Werbeeinnahmen.

 

Google ist der Konkurrenz einen Schritt voraus

Der neue KI Modus geht einen Schritt weiter und ist damit auch wieder seinen Konkurrenten ein Stück voraus: Google entwickelt sich zu einer um die Künstliche Intelligenz aufgebauten Suchmaschine, die ohne die klassische Linkliste auskommt. Damit ist es ein leistungsfähigeres Pendant zu KI-Suchmaschinen wie Perplexity oder auch ChatGPT Search. Zudem sei bei Al Mode der Fokus auf Aktualität und Informationsqualität gelegt worden, versichert Google. Das soll das neue System von Chatbots wie Gemini und Co unterscheiden. AI Mode soll seine Stärken gerade dort zeigen, wo klassische Suchmaschinen oft scheitern, wie bei komplexen Anfragen, differenzierten Erläuterungen oder auch historischen Bezügen. Die Fragen, die in mehreren Schritten erfolgen können, müssen nicht nur als Text formuliert werden, auch ein Bild kann die Antwortsuche auslösen. Bei jeder AI-Mode-Anfrage werden im Hintergrund automatisch zahlreiche Suchanfragen zu dem betreffenden Thema initiiert, beschreibt der »Standard« ausführlich das Prozedere. »Query Fan Out« nenne Google diese Technik, bei der die KI zunächst das Thema analysiert, in Unterfragen und verwandte Themen zerlegt und dann das Web nach Antworten durchsucht.

 

Studie: AI Mode reduziert Medienvielfalt

In einer Studie haben die Medienanstalten die »Integration von KI-Anwendungen in Suchmaschinen und ihre Auswirkungen auf die Meinungsvielfalt« untersuchen lassen. Diese systematische KI-Anwendung von Plattformbetreibern führe zu wesentlichen Veränderungen bei der Meinungsbildung, prognostiziert die Untersuchung. Traditionelle Suchmaschinen würden primär als Vermittler (Medienintermediäre) von Links zu externen Webinhalten dienen. Mit dem Aufkommen generativer KI verschiebe sich der Fokus zu generierten Antworten in Fließtextform, den sogenannten »KI-Antworten«. Anstatt den Nutzer auf eine externe Webseite zu leiten, fassen KI-Systeme die relevanten Informationen zusammen und bereiten sie auf. So würden originäre Texte als Antwort auf die Suchanfragen erstellt, anstatt bestehende Dokumente zu verlinken. Diese neu geschaffenen Texte seien eigenständige Informationsobjekte, die direkt auf der Suchergebnisseite präsentiert würden.

In seiner Analyse stellt Dirk Lewandowski, Professor für Information Research & Information Retrieval an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, fest, dass damit eine erhebliche Gefahr bestehe, »dass der Traffic zu den ursprünglichen Inhalteanbietern drastisch sinkt.« Studien, die im Rahmen des Gutachtens herangezogen wurden, zeigten Traffic-Verluste für Inhalteanbieter zwischen 18 Prozent bis über 50 Prozent. Dies bedrohe die Refinanzierung der Inhaltsproduktion, zum Beispiel von Zeitungen und Zeitschriften, die für eine vielfältige Informationslandschaft unerlässlich sei. Langfristig könne ein Traffic-Verlust für Inhalteanbieter dazu führen, dass die Produktion hochwertiger, vielfältiger Inhalte im Internet wirtschaftlich nicht mehr tragbar sei, stellt Dirk Lewandowski fest. Dies hätte negative Auswirkungen auf die Informations- und Meinungsvielfalt. Suchmaschinenbetreiber wie Google würden bei ihren KI-generierten Ergebnissen auch davon profitieren, dass Inhalteanbieter wie Parteien, PR-Agenturen, Nichtregierungsorganisationen oder Verbände nicht auf eine direkte Refinanzierung angewiesen seien und ihre Inhalte kostenlos zur Verfügung stellten.

Das Gutachten stützt sich auf eine systematische Literaturrecherche und eine detaillierte Analyse der Such- und KI-Systeme (Google, Bing, Perplexity.ai, ChatGPT). Die Datenerhebung erfolgte im Mai 2025.

»Die Internetsuche von Google ist eines der lukrativsten Geschäftsmodelle der Welt«, analysierte die »Tagesschau« im April 2025. »Fast 200 Milliarden Dollar setzte der Mutterkonzern Alphabet damit allein im vergangenen Jahr um – so viel wie nie zuvor. Im ersten Quartal dieses Jahres legten die Erlöse noch einmal um fast zehn Prozent zu. Ein Großteil der Einnahmen, die vor allem aus dem Verkauf von Anzeigen stammen, bleiben als Gewinn hängen. Analysten schätzen die Profitmarge der Suche auf bis zu 70 Prozent, trotz immenser Ausgaben für IT-Infrastruktur und Softwareentwicklung.« Der stete Geldstrom versetze Konzernchef Pichai in eine komfortable Lage. Er könne damit nicht nur eine hochbezahlte Belegschaft mit rund 183.000 Mitarbeitern finanzieren, sondern auch Googles Serverinfrastruktur für Künstliche Intelligenz (KI) allein in diesem Jahr mit dem Rekordbetrag von 75 Milliarden Dollar ausbauen und so auch AI Mode entwickeln.

 

Politische und regulatorische Prüfung erforderlich

Nach Auffassung der Medienanstalten wirkt sich die Verschmelzung von Künstlicher Intelligenz und Informationssuche im Internet bei jeder Suche auf Antworten im Netz aus. »Die KI-Antworten dürfen nicht vielfaltsverengend wirken, und die Anbieter tragen die Verantwortung für ihre Antworten«, sagt Eva Flecken, Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) und Direktorin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb). »Wir müssen außerdem sicherstellen, dass journalistisch-redaktionelle Inhalte noch zu ihrem Publikum durchdringen und damit ihre Geschäftsgrundlage erhalten. Hier spielen sowohl das deutsche Medienrecht als auch die Durchsetzung des Digital Service Acts eine entscheidende Rolle. Als Medienanstalten werden wir hier unseren Beitrag leisten in dem Rahmen, den uns der Gesetzgeber vorgibt. Ein Rahmen übrigens, der mit der technologischen Entwicklung Schritt halten muss, damit wir wirksam bleiben können«, betont die Juristin.

Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) gehörte zu den ersten Verbänden, die auf AI Mode regierten und eine sofortige politische und regulatorische Prüfung verlangten. Solange zentrale Fragen zu Transparenz, Haftung, Quellenschutz und der Gefahr algorithmischer Meinungsmanipulation nicht geklärt seien, drohe eine ernsthafte Gefährdung der freien Meinungsbildung und der Medienvielfalt in Deutschland. Zugleich fordert der Verband den Gesetzgeber in Deutschland auf, eine klare Grundsatzregel zu verankern: »Marktdominante Anbieter von Betriebssystemen und Suchmaschinen dürfen nicht zugleich als Medienanbieter auftreten«, so der BDZV. Mit der Einführung des AI Mode stehe Deutschland vor einer Grundsatzfrage: Solle der Zugang zu Informationen künftig weiterhin von vielfältigen, redaktionell verantworteten Quellen geprägt sein? Oder würden zunehmend marktbeherrschende Digitalkonzerne mit algorithmisch erzeugten Texten die Meinungsfreiheit einschränken?

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2025.