In der Art, wie eine Gesellschaft sich Krisen und Chancen stellt, zeichnet sie ihr kulturelles Selbstbild. Das ist heute düster. Machtverlust des Westens, Klimakrise, Naturschwund, ungelöste Migrationsproblematik erzeugen Irrlichter aus Abstiegsgejammer und Weiter-so-Trotz, während man das Scheitern der Parteien am Nachhaltigkeitsprojekt bestaunt. Der vorläufige Höhepunkt: Im Wahlherbst 2024 steht nun sogar die Demokratie auf dem Spiel.

Schönzureden gibt es nichts. Aber es stimmt auch: Das taumelige Schlechtreden verzwergt das Gute und Fortschrittliche, das es auch gibt und an dessen Erfolg überraschend viele Menschen teilhaben. Zahlreiche Unternehmen richten sich auf Nachhaltigkeit aus; auch Kultur und Medien entwickeln jetzt Klimastrategien für den eigenen Betrieb. Schrittweise organisieren sich immer mehr Theater, Filmprojekte, Museen und Orchester, Festivals und Musikgruppen ökologischer. Aber noch ist das alles im öffentlichen Raum wenig sichtbar, und es fehlt ein programmatischer Rahmen, der sowohl Kreativität wie Zuversicht ausstrahlt und der Teilhabe ermöglicht.

Deshalb dieser Vorschlag: Eine BioMenta könnte für Deutschland eine ähnlich natürliche und frische Alternative zum business as usual sein – wie einst die Bionade für die Softdrink-Industrie. Die BioMenta bietet einen neuen Rahmen für Kunst, Kultur und Natur. Sie stellt enkelfähige Zukunft aus. Überall und immer, wo Kunst gemacht und ausgestellt wird, kann BioMenta sein. Auf gute, bestehende Ansätze wie z. B. Ausstellungen zum Anthropozän, das Heimat-Projekt des Deutschen Kulturrates oder auch die »Zur Nachahmung empfohlen«-Ideen zur Ästhetik der Nachhaltigkeit könnten aufgebaut werden.

Jedes Museum, jede Stiftung, jede Kunstschule und Schule, jede Galerie könnte mitmachen; aber auch jedes Stadtparlament und jedes Unternehmen wäre angehalten, in seinem Umfeld Beiträge zu ermöglichen. Teilhabe wäre auch für Landwirte und Naturschützer möglich. Man stelle sich die Nutzung von wieder vernässten Mooren als Kunst vor. Man stelle sich Böden nicht als nassdunkle »Ressource« vor, sondern als Kunstwerk, das den Sinn des Lebens erhellt. Man stelle sich Nachhaltigkeit nicht mehr allein als Rechenwerk oder reichlich abstrakte Zielvision vor, sondern als Form und Funktion im Leben mit der Natur. Das Ganze wäre offen, kreativ, dialogisch und transparent. Ein breit besetztes Kuratorium würde das sicherstellen und wirkte dem in den medialen Blasen üblichen Hang zur Selbstvergiftung entgegen.

Das Ganze braucht sicherlich einen wissensbasierten und fundierten Rahmen. Deutschlands weltberühmte naturkundlichen und naturforschenden Einrichtungen könnten eine fundierte Klammer bilden, auch die zoologischen und botanischen Gärten.

Die BioMenta ist eigenständig und keine documenta16 in Grün. Ein Schwerpunkt der documenta war die Natur bisher ohnehin nie. Aber seit jeher stehen Natur und Kunst in enger Beziehung, ländlich bei den Klassikern, wild und heroisch in der Romantik, poetisch für Impressionisten, kreativ in der Land-Art, zerbrechlich in der Moderne.

Jetzt aber heben der Artenschwund und die Klimaveränderung die Beziehung der Menschen zur Natur auf eine völlig neue Ebene. Das erneuert die Fragen nach Menschsein und Freiheit, nach Ökologie und Kreislauf, Landschaft und Anpassung, Natur, Schönheit, Kunst, Modernität und Wissenschaft. Das alles muss beim Einzug ins Anthropozän neu begriffen werden. Und kulturell verstanden.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 2/2024.