Die Soziokultur spricht lieber von Zukunftsfähigkeit als von Nachhaltigkeit, wenn sie sich mit Begriffsbestimmungen aufhält. Denn vor allem ist Soziokultur Praxis: Sie bezieht Gruppen unserer Gesellschaft aktiv ein, die sonst kaum jemand erreicht. Aus soziokultureller Perspektive stellt sich eher die Frage: Was ist Aufgabe der Kultur im Rahmen der sozial-ökologischen Transformation?
»Nachhaltigkeit gehört zur DNA der Soziokultur«. Die Gründerinnen und Gründer soziokultureller Zentren traten in den 1970er Jahren mit einem sozial-ökologischen Entwurf von Gesellschaft an. Die dieser Idee immanente Grundhaltung ist weiterhin spürbar. Gestern wie heute ist soziokulturelle Arbeit auf Beteiligung und Vernetzung angelegt, eine wichtige Voraussetzung für nachhaltiges Handeln. Aktuell findet der Generationenwechsel statt. Die Jüngeren können und wollen die Arbeit nicht auf dem hohen Niveau von persönlichem, oft ehrenamtlichen Engagement und prekär finanziert weiterführen. So kommen automatisch Aspekte rund um »gute Arbeit« auf den Tisch: Faire Löhne, Planbarkeit und Perspektiven sind gefordert. Die Soziokultur ist prädestiniert dafür, Experimentierräume zu schaffen, um aufzuzeigen, wie die sozial-ökologische Transformation gehen könnte. Die Verwaltung des Mangels führt häufig zu Improvisation und kreativer Ressourceneffizienz. Auf eine festangestellte Person kommen zehnmal so viele Ehrenamtliche, nirgendwo sonst ist die Grenze von der Rezeption zur Partizipation so fließend. Soziokulturelle Akteure gehören damit zu denjenigen, die dazu beitragen, dass wir die Transformation eher »by design« als »by disaster« bewerkstelligen.

Verantwortung

Soziokultur ist ein wichtiger Katalysator für die sozial-ökologische Transformation, sie kann über die Klimakatastrophe, über Demokratiemüdigkeit und Alltagsrassismus sprechen und Gegenentwürfe anbieten, ist also eine wichtige Vermittlerin für die relevanten Themen der heutigen Zeit. Daraus ergibt sich eine hohe Verantwortung, der soziokulturelle Einrichtungen gerecht werden: Die Umfrage »Das braucht’s!« zum Thema Nachhaltigkeit (2022) zeigt, dass immer mehr Mitgliedseinrichtungen des Bundesverbands Soziokultur das Thema in ihren Programmen aufgreifen: Im Jahr 2017 hat etwas mehr als ein Viertel Nachhaltigkeit im Programm vermittelt, 2019 waren es 46 Prozent. 2022 stieg der Anteil auf 48,6 Prozent.

Weiter so!?

Nun könnte mensch sich zurücklehnen und der Soziokultur ein ermutigendes »Weiter so!« entgegenrufen. Dies ist jedoch aus mehreren Gründen unangemessen.

Erstens brauchen wir die Soziokultur in diesen Zeiten gesellschaftlicher Zerrüttung mehr denn je. Anstatt die Zentren in ihrem gewohnten finanziellen Mangel zu belassen, ist mit Blick auf das Voranbringen der sozial-ökologischen Transformation eher ein massiver Ausbau soziokultureller Angebote notwendig. Denn inspirierende Orte und aktivierende Begegnungen sind unerlässlich, um gemeinsam mit anderen eine Handlungsfähigkeit für eine sozial-ökologische Gesellschaft zu entwickeln und der eigenen Ohnmacht entgegenzuwirken. Die Soziokultur bietet das intrinsisch motiviert seit Jahrzehnten in Städten wie in ländlichen Räumen an. Auch deshalb sollte darüber nachgedacht werden, inwiefern Kulturförderung daran geknüpft wird, welchen Beitrag Kultur zum Gemeinwohl und zur Transformation leistet.

Zweitens steigen die organisationalen Anforderungen für die Soziokultur. Es führt auch für die soziokulturellen Einrichtungen kein Weg daran vorbei, sich verstärkt und lieber heute als morgen systematisch mit Strategien, Strukturen und Prozessen der sozial-ökologischen Transformation zu befassen und die eigene Organisation insgesamt auf nachhaltige Füße zu stellen.

Die Umfrage von 2022 unter den damals 653 Mitgliedseinrichtungen des Bundesverbands Soziokultur verdeutlicht den Handlungsbedarf: Nachhaltigkeit ist für die Einrichtungen ein Thema, jedoch nicht im Sinne eines strategisch etablierten Nachhaltigkeitsmanagements. Mit Blick auf Nachhaltigkeit gehören Bilanzierung, Zertifizierung und Berichterstattung bislang nicht zum soziokulturellen Alltag. Hier besteht ein großer Bedarf an Beratung, Qualifizierung und Austausch. Mit dem Nachhaltigkeitskodex für die Soziokultur wurde bereits 2018 ein erster wichtiger Schritt getan. Eines jedoch ist klar: Ohne eine Förderung von personellen Kapazitäten bleibt Nachhaltigkeit in der Wahrnehmung Vieler ein Thema, das zusätzlich zu den eigentlichen Aufgaben bearbeitet werden muss und im Zweifel hinten runterfällt.

Drittens sind Investitionen das Gebot der Stunde. Denn Soziokultur ist vor Ort und findet in Räumen und Gebäuden statt, häufig in ehemaligen Indus triestandorten. Investitionen in energetische Sanierung werden in den meisten Fällen zu einer Gemeinschaftsaufgabe von Kultureinrichtung, Kommune und Land. Die meisten mieten ihre Räumlichkeiten. Nur rund ein Viertel der Einrichtungen besitzt das Gebäude selbst. Vier von zehn Gebäuden stehen unter Denkmalschutz. Und generell verfügen die allermeisten nicht über die Mittel, die für eine Sanierung notwendig sind. Es müssen also besser kurz- als mittelfristig finanzielle Mittel für Investitionen bereitgestellt werden.

Die gute Nachricht zum Schluss: Die Soziokultur wartet nicht untätig auf die dringend benötigten Mittel. Trotz aller sonstigen Herausforderungen sind viele Zentren und Initiativen bereits auf dem Weg der nachhaltigen Ausrichtung. Die derzeitigen Erfahrungen aus der Beratung bezeugen, dass der Anfang leichter ist als gedacht. Ist ein erster Maßnahmenplan erarbeitet, lassen sich 90 Prozent der Maßnahmen innerhalb von drei Monaten mit einem sehr überschaubaren Aufwand Einzelner – wir sprechen von ein bis zwei Stunden pro Woche – umsetzen. Dies sind zwar eher die »low hanging fruits«, jedoch bilden sich in dieser ersten Phase die Strukturen und Prozesse aus, um auch die dicken Bretter anzugehen. Die Herausforderung ist nun die Verstetigung nachhaltigen Agierens mit dem Ziel, dass Nachhaltigkeit bzw. Zukunftsfähigkeit zum neuen Normal wird.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 7-8/2023.