Die Folgen des Klimawandels im Kulturerbebereich sind vielfältig. Sie reichen von zusätzlichem Aufwand zur Klimakontrolle in Ausstellungsräumen bis zu Schäden an historischen Baumbeständen durch Extremwetter. Der Klimawandel erfordert auch die Neubewertung von Planungen und Einschätzungen zur Energieproduktion. Durch Schäden am kulturellen Erbe entstehen erhebliche finanzielle Belastungen für Eigentümer, Kommunen sowie Länder. Hinzu kommen neue Anforderungen an Planungsvorhaben auf allen Verwaltungsebenen.

Im Folgenden wird betrachtet, wie Denkmalpflege und Klimawissenschaft reagieren können und welche Unterstützung von Politik und Verwaltung benötigt wird, um den negativen Folgen entgegenzuwirken. Abzuleitende Forderungen fanden bereits Eingang in ein Positionspapier, welches von ICOMOS Deutschland, der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), der Deutschen UNESCO-Kommission, dem Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz (DNK), dem GERICS Climate Service Center Germany und der Vereinigung der Denkmalfachämter in den Ländern (VDL) in einem offenen Diskussionsprozess erstellt wurde. Das Positionspapier wird von namhaften Institutionen und überregionalen Kultur- und Umweltverbänden mitgetragen. Ausgangspunkt war ein internationales Treffen von über 150 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, das »International Co-sponsered Meeting on Culture, Heritage and Climate Change« (ICSM CHC) von UNESCO, ICOMOS und IPCC im Dezember 2021. Die Zielsetzung war es, kulturelle Zusammenhänge stärker in den internationalen Klimadiskurs zu integrieren, der sich bislang vor allem auf den naturwissenschaftlichen Bereich konzentriert und den Mehrwert des Kulturerbes zur Eindämmung des Klimawandels und zur Anpassung nicht berücksichtigt. Das erworbene Wissen soll für zukünftige Generationen zugänglich gemacht und als Thema in der eigenen Arbeit priorisiert werden.

Nutzung von Wissenssystemen

Um den Folgen des Klimawandels zu begegnen, sind nicht nur anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse wichtig, sondern auch Erfahrungswerte von Denkmaleigentümern sowie dem traditionellen Handwerk vor Ort. Ein interdisziplinärer und intergenerationeller Austausch über Onlineforen, fächerübergreifende Weiterbildungsangebote oder Datenbanken ist hier unerlässlich. Eine stärkere Vernetzung von Kulturerbe- und Klimawissenschaften kann dabei helfen, interdisziplinäre Ansätze für Klimaanpassungsmaßnahmen zu entwickeln. Die katastrophalen Überflutungen 2021 unter anderem im Ahrtal haben gezeigt, wie ohnmächtig sowohl Bewohnerinnen und Bewohner als auch Versicherungen und Verwaltung vor Ort aufgrund fehlenden Fachwissens waren. Dadurch kam es zu massiven Verzögerungen bei der Begutachtung, Bewertung und bei der Behebung der Schäden am kulturellen Erbe.

Eine stärkere Berücksichtigung lokaler und traditioneller Ansätze bei der Planung von Anpassungsmaßnahmen führt zu einer Steigerung der Resilienz gegenüber Klimaveränderungen. Lokale und historische Handwerks- und Bautechniken, wie sie z. B. von Fachwerkrestauratorinnen und -restauratoren oder auch in Freilichtmuseen angewendet werden, sind zu wenig bekannt und dokumentiert. Insbesondere personengebundenes Wissen muss gesichert werden, um den Verlust bei Ausscheiden von Wissensträgern zu vermeiden. Ein Beitrag wäre, das vorhandene traditionelle Wissen in verschiedenen Arbeitsbereichen zu erkennen, zu dokumentieren und für den Umgang mit dem Klimawandel strategisch zu nutzen.

Befähigung zum Handeln

Es besteht die Notwendigkeit eines kontinuierlichen Dialogs. Die Diskussion über den Klimawandel und seine Folgen für den Kulturerbebereich sollte regelmäßig in den unterschiedlichen Arbeitsgruppen aller beteiligten Institutionen im Rahmen eines Projekts stattfinden. Darüber hinaus ist eine Verstetigung von daraus sich ergebenden Fragestellungen, Forderungen und Lösungsansätzen von Relevanz. Eine interdisziplinäre Denk- und Handlungsweise ist unerlässlich. Zudem sollten staatliche Stellen den Erfahrungsaustausch zwischen Kulturerbeeinrichtungen unterstützen.

Grundvoraussetzung hierfür ist die Stärkung von Kommunikation, Vernetzung und Kooperation der staatlichen und ehrenamtlichen Agierenden, um die Vielfalt der Beteiligten in der Klimadebatte zu erhöhen.

Für einen Austausch zwischen Personen verschiedener Fachgebiete sind Aus- und Weiterbildung erforderlich. Dies beginnt bei der Befähigung zur Verwendung von gemeinsam definierten Fachbegriffen. Ein erster Schritt hierzu sind öffentlich zugängliche Glossare, die zu Beginn eines jeden Vorhabens von den Handelnden jeweils gemeinsam erstellt werden sollten.

In diesem Sinne ist die Verwendung der gleichen Portale und Tools empfehlenswert, um Wissen und Erfahrung zu teilen. Beispiele hierzu finden sich in vielen europäischen Forschungsprojekten sowie in Handreichungen der Europäischen Kommission. Um vorhandenes Wissen allen handelnden Akteurinnen und Akteuren, aber auch einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung stellen zu können, ist es wichtig, die klimawissenschaftliche Forschung und (Kulturerbe-)Praxis miteinander zu vernetzen. Nur so ist es möglich, Forschungsergebnisse zum Klimawandel zu teilen, weitere Bedarfe zu ermitteln, praxistaugliche Anpassungslösungen zu entwickeln und neue Erkenntnisse und Methoden aus den Klimawissenschaften schneller in die Praxis zu überführen. Dies soll in Form einer bundesweiten Datenbank erfolgen, in der Informationen zu Schäden, Sanierungen und Anpassungsstrategien gesammelt werden.

Wirkungsvolle Zusammenarbeit

Für eine effektive Zusammenarbeit zwischen Politik, Bildung, Verwaltung, Forschung, Gesellschaft und Praxis ist eine verstärkte Sensibilisierung für dieses Thema entscheidend.

Das Bereitstellen relevanter Informationen wie Ergebnisse von Forschungsvorhaben könnte die Politik bei der Priorisierung von Maßnahmen unterstützen. Um das Bewusstsein für den Klimawandel und seine Auswirkungen auf das Kulturerbe zu schärfen und den Erfahrungsaustausch zu fördern, wird vorgeschlagen, die Methoden des Kulturerbebereichs in alle politischen Strategien wie Gesetzesinitiativen, Klimaschutzmaßnahmen und Anpassungsstrategien einzubeziehen. Zudem wird die Schaffung einer interministeriellen Koordinationsstelle für Kulturerbe und Klimawandel empfohlen, z. B. innerhalb der Bundesministerien für Kultur, Stadtentwicklung und Bauwesen, Umwelt, Forschung und Bildung, Wirtschaft und Klima sowie Katastrophenhilfe. Gleichzeitig ist es unerlässlich, ausreichend Personal im Kulturerbe-bereich bereitzustellen.

Die Einführung von finanz- und steuerpolitischen Anreizen wird angeregt, wie sie bereits für Instandhaltungsarbeiten an denkmalgeschützten Gebäuden bestehen. Ähnliche Maßnahmen braucht es auch im Bereich der Wissenschaftsförderung und für die Erarbeitung von Anpassungsstrategien.

Die Unterzeichnenden des Positionspapiers unterstützen die Anerkennung der Forschung als essenziellen Motor zur Stärkung des kulturellen Erbes und fordern interdisziplinäre Forschungsprogramme auf nationaler und europäischer Ebene. Vorbilder sind die Programme »Kreatives Europa« mit seinem Aktionsbereich »KULTUR« oder »Horizont Europa«, dem EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation. Ziel ist hier, eine wissens- und innovationsgestützte Gesellschaft aufzubauen und zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen.

Für eine verbesserte Zugänglichkeit von Wissen über Kulturerbe und Klimawandel in Deutschland ist ein zentrales Informationssystem notwendig. Dadurch könnten Forschungsergebnisse und bewährte Verfahren effektiver ausgetauscht werden. Informationsmaßnahmen und Sensibilisierungskampagnenkönnen einen gesellschaftlichen Wandel für den nachhaltigen Umgang mit Kulturerbe fördern. Sie können dabei ressourcenschonende Fähigkeiten im Kulturerbe als vorbildliche Modelle für Nachhaltigkeit präsentieren. Um Interdisziplinarität zu erreichen, muss Kulturerbe auf allen Ebenen der nationalen Bildungssysteme vermittelt werden. Es ist wichtig, den Wert traditionellen Wissens für die Bewahrung des Kulturerbes in der Aus- und Weiterbildung zu betonen.

Viele dieser Punkte sind bislang unberücksichtigt, weil sich die Klimawandelfolgenforschung zunächst auf das Wetter, naturwissenschaftliche und ökologische Folgen und seit einigen Jahren auch auf sozioökonomische Folgen konzentriert hat. Allerdings bestehen noch zahlreiche Fragen zu den spezifischen Auswirkungen des Klimawandels auf das kulturelle Erbe und zu relevanten Anpassungsstrategien. Es bedarf interdisziplinärer und nachhaltiger Förderstrategien, die die Europäischen Qualitätsgrundsätze für EU-finanzierte Maßnahmen und ihre potenziellen Auswirkungen auf das Kulturerbe beachten. Es werden auch Fördermittel zum Aufbau von multidisziplinärem Fachwissen gebraucht. Die Ergebnisse von öffentlich geförderten Projekten müssen stärkeren Eingang in die Praxis finden.

Ein erster Ansatz hierfür ist die Bündelung von Informationen und Expertisen über ICOMOS Deutschland. Umfangreichere Angebote, Lösungen und vor allem Finanzierung sind jedoch auf Bundesebene erforderlich.

Lesen Sie das Positionspapier hier: tinyurl.com/pcw65n94

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 2/2024.