»Das digitale Zeitalter hat das Verlagswesen grundlegend transformiert. Verlage stehen heute zwischen den Polen von Innovation und Tradition – vor der Herausforderung, den Zugang zu Wissen zu demokratisieren und gleichzeitig ihre wirtschaftliche Tragfähigkeit zu sichern. Das zeigt sich auch im Gespräch mit zwei Verlegerinnen über diese Entwicklung, Barbara Budrich, Verlegerin des Budrich Verlags, und Sonja Bröderdörp, CFO (Chief Financial Officer) bei ArchiTangle Publishers. Barbara Budrich gründete 2004 ihren eigenen Verlag und baute ihn in den letzten 20 Jahren zu einem etablierten Wissenschaftsverlag aus. Sonja Bröderdörp beschäftigt sich als CFO bei ArchiTangle Publishers mit der Digitalisierung von Produktionsprozessen. Sie bringt umfangreiche Erfahrungen aus der Medienbranche in die Diskussion um die Zukunft des Publizierens ein, zuletzt auf dem #websummit24 in Lissabon.

 

Wissenszugang im Wandel

Die Digitalisierung hat den Zugang zu Wissen radikal vereinfacht. »Der Zugang zu Wissen ist durch die neuen Technologien definitiv einfacher geworden. Aber es kostet mehr Energie, die Spreu vom Weizen zu trennen und die richtigen Informationen herauszufiltern. Man muss sich bewusst werden, dass man nicht nur Konsument von Informationen ist, sondern auch selbst denken muss«, so Sonja Bröderdörp. E-Books, digitale Bibliotheken und Plattformen wie Amazon Kindle oder Google Books bieten weltweit Millionen von Titeln an. Das stellt Verlage vor eine zentrale Frage: Wie bleiben sie relevant, wenn Wissen auch außerhalb des klassischen Buchmarktes zugänglich ist?

»Ich habe den Finger am Puls der nächsten Generation von Wissenschaftlerinnen«, erklärt Barbara Budrich. »Die Digitalisierung hat eine enorme Öffnung von Wissen und Information ermöglicht. Heute gilt: Was du hast, habe ich auch. Der ehemals limitierende Faktor der Verfügbarkeit von Büchern in Bibliotheken hat sich verschoben hin zu den Herausforderungen des digitalen Zugangs – wie stabile Internetverbindungen, Stromversorgung und digitale Kompetenzen der Nutzerinnen. Insgesamt ist der Zugang zu Wissen heute viel einfacher als früher. Dennoch bleibt bei Open Access, also dem freien und kostenlosen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen, die Herausforderung, die Qualitätssicherung im Blick zu behalten. Diese gerät manchmal etwas in den Hintergrund.«

 

Wissen für alle!? Zwischen Zugänglichkeit und Chancengleichheit

Ein zentrales Thema unseres Gesprächs ist die Demokratisierung von Wissen. »Theoretisch hat heute jeder Zugang zu Wissen«, erklärt Barbara Budrich, »aber nicht jeder hat die Kompetenz, es zu verstehen oder zu nutzen«. Wissenschaftliche Texte sind oft in einer Fachsprache verfasst, die nicht jedem zugänglich ist.

»Während die Barrieren für den Zugang zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen sinken, entstehen neue Hürden bei der aktiven Partizipation. Die Kosten, in renommierten wissenschaftlichen Zeitschriften zu publizieren, können sehr hoch sein. Globale Unterschiede bei den Ressourcen führen zusätzlich zu einer ungleichen Teilhabe, sowohl zwischen Ländern als auch innerhalb einzelner Institutionen. Diese Dynamik zeigt, dass wir Demokratisierung nicht nur als Zugang, sondern auch als Möglichkeit zur Mitgestaltung verstehen müssen.« Sonja Bröderdörp ergänzt: »Früher war es schwierig, viele Bildungseinrichtungen zu besuchen, aufgrund von zeitlichen und finanziellen Hürden. Heute ermöglicht die digitale Transformation einen wesentlich leichteren Zugang.« Und fährt fort: »Bildung ist also zugänglicher geworden, aber die Frage bleibt, ob die Qualität dieser Angebote den klassischen Modellen gerecht wird.« Sie berücksichtigt die Gamification als Lernansatz: »Die Gaming-Industrie hat uns gezeigt, dass Lernen auf spielerische Weise enorm effektiv sein kann. Wenn wir auf solche Formate setzen, anstatt auf den didaktischen Zeigefinger, könnten wir das Lernen viel attraktiver gestalten. Dies ist ein spannender Ansatz, der es auch den jüngeren Generationen leichter macht, komplexe Themen zu verstehen.«

 

Wege in die Zukunft

Die Verlagsbranche steht im digitalen Zeitalter vor zahlreichen Herausforderungen. Die Demokratisierung von Wissen, die Sicherung der Qualität und die Förderung von Inklusion sind dabei zentrale Aufgaben. Barbara Budrich bringt es auf den Punkt: »Zugang zu Wissen ist ein Menschenrecht. Verlage müssen dieses Recht stärken, ohne ihre wirtschaftliche Basis zu gefährden. Es geht darum, Brücken zwischen Vergangenheit und Zukunft zu bauen.«

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 12/2024-1/2025