Wo brennt’s in der Kulturpolitik der Kommune?«, titelte die letzte Politik &Kultur, doch der Aufwärtstrend der autoritären AfD war kaum Thema der Überlegungen zu den Gefahren für die Kunst. Ihr Fundament steht bereits in Flammen: Soweit ein freiheitliches Kunstleben auch durch Förderung gewährleistet wird, könnte davon bald nicht mehr viel übrig sein.
In knapp drei Monaten wählen Sachsen, Thüringen und Brandenburg einen neuen Landtag. Schon Anfang Juni – für Kunst und Kultur fast noch bedeutsamer – wählt das halbe Land auf kommunaler Ebene. Was passiert, wenn in Landratsämtern und Bürgermeisterbüros, in Landtagen und Ministerien plötzlich autoritäre Akteure sitzen, die versuchen werden, die Spielregeln zu ändern?
Überall auf der Welt war in den letzten zwei Jahrzehnten zu beobachten, wie wirkungsvoll die Gegner der Demokratie mit den Mitteln der Demokratie gegen sie arbeiten. Das Dilemma, dass eine liberale Demokratie ihren Feinden Freiheit bieten muss, um eine liberale Demokratie zu bleiben, beutet der autoritäre Populismus erfolgreich aus. Auf der Basis dieser Beobachtung und unter Berücksichtigung ihrer prominentesten Beispiele – Ungarn, Polen, USA, Türkei – untersucht das Thüringen-Projekt, inwiefern sich so etwas in einem deutschen Bundesland – in Thüringen – vollziehen könnte. Die Methode ist neu: Ein Schwachstellentest durch Szenarioanalyse. Welche Einfallstore bietet unsere Verfassungsordnung dem autoritären Populismus? Wie lässt sich die Macht über Gesetzgebung, Justiz, Verwaltung, Rundfunk, Kulturförderung, Schulen und Universitäten dazu nutzen, sich gegen politische und juristische Rechenschaftsforderungen zu immunisieren?
Die Vulnerabilität des vermeintlich demokratischen Konsenses zeigt die Kunstförderung besonders eindrücklich. Während sich die Kunstfreiheit als Abwehrrecht gegenüber staatlichen Eingriffen großer Freiheitsspielräume rühmt, stellt sich die Kunstförderung als Teilhaberecht bei einem Schwachstellentest besonders angreifbar dar. Die Verwaltung der freiwilligen Leistungen in der Kunstförderung vertraut auf die Demokratie und die Funktionstüchtigkeit ihrer Institutionen, denn Einflussnahme ist umfassend möglich, wo immer Zuwendungen zu verteilen oder Positionen zu besetzen sind. Der Ordnungsrahmen ist weder vom Gesetzgeber noch von der Rechtsprechung hinreichend ausdifferenziert, um einer Instrumentalisierung Grenzen zu setzen. Wenn ein Kulturamt autoritären Kräften in die Hände fällt, dann ist schnell Schluss mit der Kunstförderung, wie wir sie kennen.
Das Playbook der AfD könnte in etwa so aussehen: Kunst wird Aufmerksamkeit entzogen, indem die Kunstförderung zurückgedrängt wird. Die Förderkompetenz des Bundes wird bestritten, eine bürgernahe Laienkunst wird in den Kommunen gefördert. Haushaltsgelder werden nicht mehr von Auswahlgremien verteilt, sondern von der Verwaltung direkt – aufgrund von Förderrichtlinien, die ein »positives Bekenntnis zur deutschen Identität« voraussetzen. Soweit noch auf Auswahlgremien für Projektförderungen oder zu besetzende Leitungspositionen zurückgegriffen wird, werden diese mit Transmissionsakteuren besetzt. Die Verwendungsnachweise der Förderungen der vergangenen Legislatur werden besonders kritisch angefasst, geprüft und skandalisiert. Kulturinstitutionen werden unter Rückforderungen von Zuwendungen leiden, die sie als sicher ansahen. Kulturerhalt anstatt Kulturentstehung: hier ein Denkmal, dort ein Volksfest, anerkannt ist, was das Vaterland ins rechte Licht rückt. Vorhandene Förderungen werden nicht verlängert, gewachsene Strukturen brechen zusammen, sozial ohnehin prekär arbeitende Künstlerinnen und Künstler verlassen Thüringen.
Kunstförderung ist für die Autoritären so interessant, weil sie der Etablierung eines nationalen Überlegenheitsdogmas dient, mit dem rechte Allianzen ein einendes Identifikationspotenzial finden. Dieser »kleinste gemeinsame Nenner« des Deutschseins ist ein Identitätsmerkmal, das ohne eigenes Zutun oder Leistung besteht. Es gilt, das gemeinsame nationale Bewusstsein durch Kulturerzählungen zu befördern. Ausweislich des »Kulturkampfs von rechts« wurde dieses Feld längst entdeckt, um zunächst den bisherigen Konsens zu delegitimieren und anschließend – angesichts des breiten kulturpolitischen Spielraums eigene Erzählungen aufzubauen.
Solange der demokratische Konsens der Kunstförderung durch eingeübte Auswahl- und Verfahrensmaßstäbe Grenzen setzt, werden die Ergebnisse mal überzeugender und mal weniger überzeugend sein. Unmut ist häufig nachvollziehbar, denn die Fördertöpfe könnten größer und die Verteilung transparenter sein. Die Mängelliste ließe sich fortschreiben, doch bezweifelt keine (demokratische) Stimme, dass die Kunstförderung im Wesentlichen zum Freiheitsraum beiträgt, das heißt ohne staatliche Lenkung des Inhalts (»Kunstrichtertum«) erfolgt. Die Auswahlentscheidungen respektieren die Grenzen des Neutralitätsgebots, machen zulässige Auswahlkriterien zur Entscheidungsgrundlage und sichern die Entscheidungsfindung durch geeignete Verfahren, etwa durch transparente Antragsmöglichkeiten und pluralistische Gremien. Dieses Fundament wird in Rauch aufgehen, wenn autoritäre Kräfte in der Kulturverwaltung übernehmen. In einem schleichenden Prozess wird zunächst vermeintlich »politisch neutrale« Kunst gefördert, bis schließlich auf staatlichen Bühnen stattfindet, was sich in einen überzeitlichen, identitären und homogenen Kontext einordnet. Das »Volk« wird begeistert sein. Kritische Kunst findet man nur noch im Hinterzimmer.