Die Nutzung von Normdaten bei der archivischen Erschließung ist ein komplexes Thema. Für die inhaltliche Erschließung, vor allem von Akten, schienen kontrollierte Vokabulare lange Zeit wenig geeignet. Die Realität des politischen und gesellschaftlichen Lebens lässt sich durch ein vorgegebenes Schlagwortschema nur unzureichend einfangen; in keinem Fall kann im Archiv auf die Einordnung der zu erschließenden Akten in ihre Entstehungskontexte und die Verwendung des Originalvokabulars verzichtet werden.  

Daher wurden mit dem Aufkommen elektronischer Online-Findmittel zunächst deren analoge Vorgänger eins zu eins in eine digitale Präsentation überführt. Allerdings setzt ein Rechercheeinstieg über eine archivische Klassifikation erhebliches Vorwissen in Bezug auf die einschlägigen Behörden und ihre zeitgenössische Behördensprache voraus. 

Bei der Erschließung von Fotos spielen Namen von Personen und Orten eine besonders große Rolle. Daher lag es bei der Online-Präsentation des Bildarchivs nahe, die Namen von bei der Bilderschließung identifizierten Personen mit den Personennormdaten der GND, kurz für Gemeinsame Normdatei, abzugleichen und zu verknüpfen. Auf diese Weise kann dauerhaft sichergestellt werden, dass bei der Recherche nach dem Bundesminister Gerd Müller nicht immer auch der »Bomber der Nation« mit im Warenkorb landet und umgekehrt. Besonderen Nutzen stiften Normdaten auch bei Ortsnamen, da mit ihrer Hilfe »Lwiw«, »Lwow« und »Lemberg« als Bezeichnungen für ein und dieselbe Stadt identifiziert werden können und bei der Suche nach »Lwow« immer auch die beiden Varianten einbezogen werden. 

Ein weiteres Einsatzgebiet für Normdaten liegt auf dem Feld der Erschließung von Spiel- und Dokumentarfilmen. Die Datensammlungen des Bundesarchivs und seiner Partner im Kinematheksverbund stehen bislang weitgehend unverbunden nebeneinander. Aber während das Bundesarchiv unter Umständen präzisere Daten zum physischen Zustand eines Filmwerks hat, verfügt das Deutsche Filminstitut über detailliertere Inhaltsangaben. Hier liegt es also nahe, Normdaten bei der Gestaltung von Schnittstellen zwischen den Datenbanken so zu nutzen, dass das Wissen der einzelnen Institutionen ihren Partnern ebenfalls zugute kommt. Dabei geht es also nicht allein um die bessere Qualität der Erschließungsdaten, sondern auch um die Vermeidung redundanter Aufwände. Ein dritter Anwendungsbereich ergibt sich bei institutionenübergreifenden Portalen. Ein gemeinsam mit dem Landesarchiv Baden-Württemberg und dem FIZ Karlsruhe – Leibniz-Institut für Informationsinfrastruktur betriebenes Projekt zum Thema »Weimarer Republik« hat gezeigt, dass bei Portalen Normdaten nun auch bei der sachthematischen Erschließung nutzbringend eingesetzt werden können. 

Die Möglichkeiten einer weiter intensivierten Zusammenarbeit zwischen dem Bundesarchiv und seinen Partnern in den Bereichen Archiv, Bibliothek, Museum und Wissenschaft beim Einsatz von Normdaten lassen sich heute noch nicht absehen. Der schon bislang offenbar gewordene Nutzen ist aber Ansporn genug, diese Möglichkeiten weiter auszuloten. 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 05/2022.